Goethe-Medaille 2019
Dichtung und Wahrheit

(v.l.n.r.) Präsident Klaus-Dieter Lehmann, Vahideh Mahmoodi, Enkhbat Roozon und Doğan Akhanlı
(v.l.n.r.) Präsident Klaus-Dieter Lehmann, Vahideh Mahmoodi, Enkhbat Roozon und Doğan Akhanlı | Foto: Maik Schuck

Der deutsch-türkische Schriftsteller Dogan Akhanli, die iranische Künstlerin und Filmemacherin Shirin Neshat sowie der mongolische Verleger und politische Publizist Enkhbat Roozon wurden am 28. August mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet. Ihre Glaubwürdigkeit beruhe auf ihrer Unabhängigkeit, nicht auf politischem Aktionismus, so der Präsident des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann.

In einem Festakt mit rund 200 Gästen wurde am 28. August in Weimar die Goethe-Medaille vergeben. Mit dem offiziellen Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland zeichnet das Goethe-Institut jedes Jahr Persönlichkeiten aus, die sich in besonderer Weise für den internationalen Kulturaustausch einsetzen. Geehrt wurden der deutsch-türkische Schriftsteller Doğan Akhanlı, die iranische Künstlerin und Filmemacherin Shirin Neshat sowie der mongolische Verleger und politische Publizist Enkhbat Roozon.
Präsident Klaus-Dieter Lehmann spricht in seiner Eröffnungsrede über die essentielle Arbeit der Preisträger Präsident Klaus-Dieter Lehmann spricht in seiner Eröffnungsrede über die essentielle Arbeit der Preisträger | Foto: Maik Schuck

Ohne Rücksicht auf Gefährdung

Die Goethe-Medaille wurde in diesem Jahr unter dem Titel „Dichtung und Wahrheit“ von dem Präsidenten des Goethe-Instituts Klaus-Dieter Lehmann und der Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt Ina Hartwig in der kleinen Weimarhalle überreicht. In seiner Eröffnungsrede hob Lehmann hervor: „Mit der diesjährigen Preisträgerin Shirin Neshat und den Preisträgern Doğan Akhanlı und Enkhbat Roozon zeichnen wir Persönlichkeiten aus, die durch ihre Arbeiten das Spannungsfeld gesellschaftlicher Wirklichkeit zwischen Beeinflussung und Mündigkeit, Ignoranz und Debattenkultur, Unwissenheit und Bildung thematisieren, ohne Rücksicht auf mögliche persönliche Gefährdung oder eigene Nachteile.“ Die Preisträgerin und Preisträger spielen mit ihren Arbeiten, die aufrütteln und neue Beziehungen stiften, in der Kultur und im internationalen Austausch eine zentrale Rolle, ergänzte Christina von Braun, zweite Vizepräsidentin des Goethe-Instituts im Vorfeld der Verleihung.
Ina Hartwig, Kulturdezernentin Stadt Frankfurt, übergibt mit Präsident Klaus-Dieter Lehmann die Goethe-Medaille an Enkhbat Roozon Ina Hartwig, Kulturdezernentin Stadt Frankfurt, übergibt mit Präsident Klaus-Dieter Lehmann die Goethe-Medaille an Enkhbat Roozon | Foto: Maik Schuck

Sprache pflegen und entwickeln

Der Verleger, Buchhändler und Publizist Enkhbat Roozon erhielt die Goethe-Medaille für seinen Mut und seine Kraft, sich in der Mongolei unermüdlich für eine offene, kritische und mündige Zivilgesellschaft einzusetzen. Insbesondere arbeitet er dafür, das mongolische Bildungssystem durch seine Publikationen zu verbessern. Roozon nahm die Goethe-Medaille entgegen, indem er die aktuellen Herausforderungen seines Heimatlandes skizzierte und auf die Wichtigkeit von Sprache hinwies: „Leider ist es so, dass wir in unserer heutigen Gesellschaft über die wichtigen Themen viel zu wenig miteinander sprechen, und auch die Sprache als solche zu wenig pflegen und entwickeln. Genau davon hängt es jedoch ab, was aus uns wird und was wir erreichen können, ob wir unsere Probleme zu lösen im Stande sein werden.“
Der Preisträger Doğan Akhanlı Der Preisträger Doğan Akhanlı | Foto: Maik Schuck

Für die Opfer staatlicher Willkür

In seiner bewegenden Dankesrede erinnerte Doğan Akhanlı daran, dass unsere Gegenwart noch immer bestimmt sei durch Repressionen, die systemkritische Intellektuelle erleiden müssen, und betonte: „Ich nehme die Goethe-Medaille gerne entgegen, und ich widme sie in Gedanken der inhaftierten Kölner Künstlerin Hozan Cane, die wie zehntausende andere Menschen Opfer staatlicher Willkür und Arroganz in der Türkei geworden ist, darunter Ahmet Altan, Osman Kavala und Selahattin Demirtaş.“ Der Schriftsteller Doğan Akhanlı setzt sich in seinen Romanen, Essays und Theaterstücken sowie mit seinem politischen Engagement seit vielen Jahren für die Völkerverständigung ein, insbesondere der Armenier, Türken und Kurden. Literaturkritikerin Insa Wilke führt in ihrer Laudatio aus: „Er schreibt damit keine politische Literatur, sondern er schreibt politisch. Das ist eine der höchsten, eine riskante, die Mentalitäten des Marktes ignorierende Kunst in der Literatur. Sie ist selten.“
Vahideh Mahmoodi nimmt stellvertretend die Goethe-Medaille für Shirin Neshat entgegen Vahideh Mahmoodi nimmt stellvertretend die Goethe-Medaille für Shirin Neshat entgegen | Foto: Maik Schuck

Poesie verbinden

In Vertretung für die Preisträgerin Shirin Neshat, die selbst nicht nach Weimar reisen konnte, nahm ihre enge Freundin Vahideh Mahmoodi die Goethe-Medaille entgegen. Die iranische Künstlerin und Filmemacherin Shirin Neshat versteht es, mit ihren Filmen, Videos und Fotografien Politik und Poesie wirksam zu verbinden. Frauen der muslimischen Welt stehen dabei im Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeiten, die sie trotz Einreiseverbots in ihr Heimatland immer weiterentwickelt. Shirin Neshat bedankte sich in einer Videobotschaft, in der sie sich ausdrücklich mit der Exilgemeinde aller nach Deutschland Geflüchteten solidarisierte. Kunstwissenschaftlerin Britta Schmitz betonte in ihrer Laudatio: „Mit allen ebenso fein wie behutsam konzipierten Werken gelingt Shirin Neshat eine einzigartige narrative Verschränkung, indem sie eindringliche Geschichten und Bilder hervorbringt, die man so schnell nicht vergisst und die kulturelle Grenzen überschreiten.“
Die Preisträger der Goethe-Medaille gemeinsam mit ihren Laudator*innen sowie dem Präsidenten und dem Vorstand des Goethe-Instituts Die Preisträger der Goethe-Medaille gemeinsam mit ihren Laudator*innen sowie dem Präsidenten und dem Vorstand des Goethe-Instituts | Foto: Maik Schuck