Dokumentarfilm
„Ob Filmstudent oder freier Filmemacher, nur die gute Story führt zum Kurzfilmfestival“

Kurzfilmfestival Interfilm
Kurzfilmfestival Interfilm | © interfilm

Matthias Groll, Organisator des größten deutschen Kurzfilmfestivals Interfilm berichtet vom Kurzfilmemarkt und erläutert sein Erfolgsrezept für die Erstellung eines Kurzfilms.

In Deutschland, oder in Europa allgemein gibt es ein großes Interesse an Kurzfilmen. Wie kannst du dir diese Begeisterung erklären?

Das ist richtig. Größere Kurzfilmfestivals wie die Interfilm existieren aber schon länger. Im Augenblick kann man beobachten, dass es immer mehr thematische Filmfestivals gibt, die spezielle Genres wie beispielsweise das Thema „Umwelt“ bedienen. Doch die Anstrengungen, die sich hinter der Produktion verbergen sind nicht zu unterschätzen. Die schwierige Finanzierung solcher Projekte, lässt sich nur mit viel Engagement und Geduld überwinden, vor allem während der ersten Schritte in der Branche benötigt man einen gehörige Portion Leidenschaft für das Thema.

Das hört sich nach ganz konkreten Erfahrungen an. Wie würdest du die Situation der Kinofestivals im Augenblick einschätzen?

In Berlin finden über 50 Kinofestivals im Jahr statt; Immer wieder fallen manche Produzenten aus und es kommen Neueinsteiger hinzu. Mich begeistern dabei immer wieder die vielseitigen Aufgaben, die während der Organisation der Festivals anfallen. Dazu braucht man Spaß am Organisieren, am Kommunizieren und an der Arbeit mit jungen Menschen. Genau das führt meiner Meinung dazu, dass in Europa, oder besonders in Deutschland, die ganze Filmbranche in Bewegung ist.

Was ist das größte Kurzfilmfestival in Europa?

Das ist natürlich Clermont-Ferrand in Frankreich, die „Berlinale der Kurzfilme“ wenn man so möchte. Es findet immer Anfang Februar statt und war damals eine gute Möglichkeit, um Kurzfilme zu verleihen, als wir einen Stand auf dem Markt hatten. Jetzt können wir den Kurzfilmverleih und –vertrieb auch über andere Wege anbieten.

Der Markt für Kurzfilme scheint sich genauso schnell zu ändern, wie die Produzenten und Themen. Gibt es eine Tendenz, die dir aufgefallen ist?

Ja, das kann man so sagen. Es gibt immer weniger Käufer, oder ‚Buyer‘ wie wir sagen, die direkt vor Ort sind und an unseren Ständen kaufen. Fernsehstationen haben das früher gemacht und man konnte auf diesem Weg auch weltweite Kontakte knüpfen. Doch heute ist das Medium Internet natürlich sehr stark und hat das alte Format abgelöst. Auf unserer Homepage Interfilm kann man sämtliche Filme, die wir anbieten mit einem Passwort auch online sehen.

Weshalb sollte man euren Verleih in Anspruch nehmen? Was ist der Vorteil gegenüber der Internetbestellung on demand?

Der Vorteil ist die Aktualität der Beiträge. Man kann vielleicht ein Drittel der aktuellen Kurzfilme online finden. Erst wenn mehrere Festivals stattgefunden haben, auf denen die Projekte vorgestellt werden, finden sie ihren Weg ins Internet. Das kann eine Verzögerung von zwei Jahren haben. Kurzfilme leben meiner Ansicht nach von ihrem Gegenwartsbezug, deshalb ist es ganz klar von Vorteil einen Film zeitnahe in den Händen zu halten und ihn über Verleiher zu bestellen. Wir sind deshalb immer noch die relevantere Plattform, um Kurzfilme zu organisieren, die vor Publikum präsentiert werden sollen. Im privaten Bereich reicht das Internet wohlmöglich aus. Das bleibende Interesse an unseren Veranstaltungen – trotz YouTube und illegalen Downloads – zeigt ebenfalls, dass diese Veranstaltung soziale und künstlerische Events sind, die man nicht ablösen kann.

Also haben die Kurzfilme jetzt freie Bahn ins öffentliche Fernsehen zu gelangen oder verliert das Projekt möglicherweise an Qualität, wenn es für die Masse produziert wird?

Der Kurzfilm hat noch nie ein großes Fernsehformat besessen und ist eher ein ‚Nischenprodukt‘, das sich noch sehr stark auf den künstlerischen Bereich ausrichtet. Das kann sich aber durchaus ändern.

Konntest du thematische Schwerpunkte auf den letzten Festivals feststellen?

Im letzten Jahr war vor allem das aktuelle politische Geschehen um die Flüchtlinge ein wichtiges Thema. Hierzu wurde ein Sonderprogramm aufgesetzt und wir können uns auch in der Zukunft vorstellen, dass sich weitere Projekte intensiv mit dem Thema auseinandersetzen werden. Die Jugendkultur, Arbeit oder Sex und Erotik sind ebenfalls Rubriken, die immer wieder im Fokus stehen. Das Thema Familie steht auch in einem biographischen Zusammenhang mit den meist jungen Autoren, die sich zum Beispiel mit der Befreiung aus den familiären Verhältnissen beschäftigen.

Was sind die Bewertungskriterien der Beiträge? Gewinnen meistens die Studierenden an Filmhochschulen?

Ich finde es erstaunlich, dass höchstens zwei bis drei Filme von Film-Studenten kommen. Die freien Filmemacher liefern oft die besseren Projekte ab. Vielleicht ist die Herangehensweise hier anders: Der Filmstudent lernt und soll erst in Zukunft gute Filme machen und der freie Filmemacher versucht jede Möglichkeit zu nutzen. Bei der Bewertung zählt hauptsächlich die story, also der Inhalt des Films und die Darstellungsart, die bei uns sehr hohe Ansprüche erfüllen sollte. Wie finanziert sich ein freier Filmemacher?

Zum einen kann man sein Skript über eine regionale Institution fördern lassen, wenn man eine Idee für ein Drehbuch hat. Für Berlin wäre es das Medienboard Berlin Brandenburg, die Spiel- und Kurzfilme unterstützen. Sicher ist es am besten ist es sich durch den Produzenten oder Regisseur fördern zu lassen, doch die meisten arbeiten ohne irgendeine Form von Förderung. Man kann auch ohne große finanzielle Unterstützungen gute Filme machen – Kurzfilme sowieso.

Es gibt bei Interfilm neben den Spielfilmen auch eine Reihe mit Dokumentarfilmen. Woran haben die Jugendlichen größeres Interesse?

Jedes Jahr haben wir für die Dokumentarfilme zwei bis drei Programme. Wir achten auch hier darauf, dass die Filme sehr gut gemacht sind. Die Themen sollen dabei spannend und außergewöhnlich sein. Aber bestimmte Rubriken kann man nicht festmachen. Animationen sind eine sehr beliebte Darstellungsform. Erst vor kurzem wurde ein animierter Kosmonauten-Film, der einen Oskar gewonnen hat, auf einem internationalen Wettbewerb vorgestellt.

Neben den Dokumentarfilmwettbewerben gibt es auch einen politischen Wettbewerb, Konfrontationen, den Greenfilm, einen Umweltfilmwettbewerb, den deutschen Wettbewerb und den Trashfilmwettbewerb.

Was filminteressierte Leser und Leserinnen bestimmt sehr interessiert: Gibt es ein Erfolgsrezept für die Erstellung eines Kurzfilms?

Dazu kann ich nur eins sagen: Pro Jahr bekommen wir 7000 Einreichungen und nur 500 Kurzfilme laufen auf den Festivals. Ein Kriterium ist deshalb schon einmal die Spieldauer des Films, die 20 Minuten nicht übersteigen soll. Je kürzer, desto besser. Wenn wir alle Beiträge sichten dauert es nämlich schon ca. 2300 Stunden.

Oft denken unsere Bewerber es kommt auf die Herkunft des Filmemachers an oder die Aufmachung des CDs- oder Hüllendesign, aber das ist nicht richtig. Wichtig ist der Inhalt und die Präsentation. Abgesehen davon ist es besser keine Sprache zu verwenden, da ansonsten Übersetzungsarbeiten und Untertitel anfallen. Man sollte andere Kommunikationswege wie Gestik oder auditive Mittel finden, um ein bestimmtes Thema zu gestalten. Das klingt vielleicht schwierig doch es gelingt vielen Menschen immer wieder in 15 Minuten auf unterschiedliche Weise eine kleine, eigene Welt darzustellen.

Im Moment erreichen uns die ersten Filmeinreichungen für unser 32. Internationales Kurzfilmfestival Berlin im November. Bis zum Spätsommer ziehen wir die Vorhänge zu, um all die Filme in Teams anzuschauen und zu bewerten. Noch bis zum 24. Juni kann man Filme aller Genres mit einer Länge bis zu 20 Minuten einreichen.