Seattle
Trimpin, Artist

Von Trimpin

Trimpin © © Trimpin Trimpin © Trimpin

Was versinnbildlicht für Sie die aktuelle Situation persönlich oder in Ihrem Land?

Künstler*innen ganz allgemein – wie ich selbst – sind innerhalb ihres eigenen Metiers allzu gut mit gelegentlichen Aufs und Abs vertraut, nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch, was die Sicherung regelmäßiger Beschäftigungschancen betrifft. Das intellektuelle bzw. künstlerische Konzept von Arbeit kennt so etwas wie „Anweisungen zur Einstellung der Arbeit“ oder „Bleibt zu Hause“-Anordnungen nicht, der Geist denkt sich ständig neue Konzepte und Ideen aus. Dennoch zeigen Situationen wie die, die wir derzeit erleben, dass alle Berufe auf irgendeine Weise betroffen sind. Zwei meiner Großprojekte, die nach einer zweijährigen Arbeits- und Vorbereitungszeit im April und Mai 2020 installiert werden sollten, mussten verschoben werden.
Hear and Now: Eine kinetische Sound-Skulptur von Trimpin (2019)
Hear and Now: Eine kinetische Sound-Skulptur von Trimpin (2019) | © Trimpin

Wie wird die Pandemie die Welt verändern? Welche langfristigen Folgen der Krise sehen Sie?

Vor vierzig Jahren entschloss ich mich zu einem Umzug in die USA. Dort wollte ich mein Leben meiner Begeisterung für die professionelle Arbeit als Künstler in den Bereichen Musik und Bildhauerei widmen und beide Disziplinen über die Klangkunst miteinander verbinden.

Nach meinem Studium der Sozialpädagogik mit dem Schwerpunkt Kunsttherapie (Musik und Theater) in Berlin passte ich in keine der „Künstlerkategorien“ des deutschen Kultursystems. Interdisziplinäre Kunstformen waren damals nicht üblich. Also gab es für mich auch keinerlei Fördermöglichkeiten. Wäre ich in Deutschland geblieben, hätte ich niemals dieselbe Anerkennung, finanzielle Unterstützung und regelmäßige öffentliche Aufträge für verschiedene Kunstprojekte erhalten.

Doch auf der anderen Seite hatte ich auch zu kämpfen, insbesondere mit den Ausgaben für meine Krankenversicherung. In den USA ist man auf sich selbst gestellt. Eine universelle Gesundheitsversorgung, wie sie in Deutschland als selbstverständlich gilt, gibt es hier nicht. Die gegenwärtige Krise in den USA zeigt aber, dass alle Menschen eine Krankenversicherung benötigen. Ich hoffe, dies wird uns eine Lehre sein und wir werden die entsprechenden Maßnahmen ergreifen, damit es in Zukunft eine erschwingliche Gesundheitsversorgung für alle gibt.

Eine der langfristigen Konsequenzen, die ich für Künstler*innen sehe, wird die fehlende Unterstützung durch jegliche Kulturinstitutionen sein. Sie werden die ersten auf der Schlachtbank sein, wenn es um den Erhalt finanzieller Unterstützung geht, weil sie in dieser Gesellschaft nicht als „systemrelevant“ gelten. Diese Krise ist nicht nur ein nationales Problem. Auch global gesehen muss jeder mit anpacken, um die Kulturinstitutionen über Wasser zu halten, darunter Unternehmen, Banken und andere Institutionen mit viel Geld.

Was macht Ihnen Hoffnung?

Ich sehe stets nach vorne und glaube, dass wir uns an die neue Norm und Situation angepasst haben und anpassen werden. Wir werden aus dieser Katastrophe lernen und am Ende besser auf die zukünftige Episode einer Pandemie vorbereitet sein. Kunst und Kultur haben Jahrhunderte von Katastrophen und wirtschaftlichen Problemen überlebt. Jeder einzelne Mensch auf diesem Planeten begreift, dass die Menschheit nicht ohne Kunst und ohne ihr Kulturerbe existieren kann. Diese beispiellose Herausforderung wird von uns allen verlangen, dass wir beitragen, was immer wir können, um die Kunst am Leben zu erhalten.

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