Ausstellung Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert

Hannah Arendt Foto: Fred Stein/Corbis © www.philosophersmag.com

Fr, 03.04.2020 –
Fr, 10.04.2020

Ein virtueller Rundgang durch die Ausstellung von Radio Berlin Brandenburg (rbb)

Die Publizistin Hannah Arendt (1906-1975) ist eine der wichtigsten politischen Denkerinnen des 20. Jahrhunderts. 1933 emigrierte sie aus Deutschland und fand schließlich in New York eine neue Heimat. Nach dem Krieg lösten ihre Artikel über den Eichmann-Prozess, die unter dem Titel "Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht über die Banalität des Bösen" erschienen, Kontroversen aus. Sie äußerte sich immer wieder zu aktuellen Ereignissen wie der ungarischen Revolution 1956, der Studentenbewegung 1968 und zu Themen wie Migration oder Rassismus.

Sie ist auch 44 Jahre nach ihrem Tod (im Dezember 1975) weiter aktuell und populär. Das legendäre Gespräch von Günter Gaus mit Hannah Arendt (von 1964) auf youtube ist rund eine Million mal abgerufen worden.

In Kooperation mit dem Deutschen Historischen Museum (DHM) eröffnet rbb Kultur Ihnen Einblicke in die Ausstellung "Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert". Sie können einen virtuellen Rundgang durch die Ausstellung machen. Zu den einzelnen Stationen der Ausstellung bietet der rbb Kultur Hörcollagen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten.
Die einzelnen Kapitel sind
Hannah Arendts Beschäftigung mit Rahel Varnhagen Der wachsende Antisemitismus in Deutschland führte bei Hannah Arendt Ende der 1920er Jahre zu einer Hinwendung von der Philosophie zur Politik. Sie beschloss, eine Biografie über Rahel Varnhagen, die jüdische Salondame der Goethe-Zeit, zu schreiben.

Allgemein galt das Leben der Rahel Varnhagen als Beispiel einer geglückten Emanzipation. Arendt war jedoch anderer Meinung. Hören Sie dazu die Hörcollage: "Hannah Arendt im Austausch mit Walter Benjamin und Käte Hamburger über das Varnhagen-Buch"
1941 gelang Hannah Arendt die Flucht nach New York. Hier schrieb sie zu aktuellen Fragen des Zionismus. In der deutsch-jüdischen Emigrantenzeitschrift Aufbau forderte sie die Gründung einer jüdischen Armee, die mit den Alliierten gegen Hitler kämpfen sollte.
Zionismus Nach dem Krieg wurde Arendts Verhältnis zum Zionismus distanzierter. Hören sie dazu die Hörcollage: "Hannah Arendt im Austausch mit Clement Greenberg und Gershom Scholem über ihren Artikel 'Zionism Reconsidered' ('Der Zionismus aus heutiger Sicht')".
Totale Herrschaft – Modell des Krematoriums II Auschwitz-Birkenau Im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau wurden zwischen 1940 und 1945 die europäischen Juden, Polen, Sinti und Roma ermordet, ein großer Teil von ihnen durch das Gift Zyklon B. Der polnische Bildhauer Mieczysław Stobierski stellte 1994/95 dieses Modell für das Deutsche Historische Museum her. 
Hannah Arendts Studie »Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft« erschien 1951. Darin bezeichnete sie die Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten als die konsequenteste Einrichtung totaler Herrschaft. Wie in einem Laboratorium sei hier getestet worden, ob Menschen total beherrschbar seien.
"Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen" 1961 nahm Hannah Arendt als Reporterin am Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem teil. Eichmann war für die Deportationen von Millionen von Juden zuständig. Arendts Bericht erschien 1963. Ihre Beschreibung Eichmanns als banal und ihre Einlassungen zu den von den Nationalsozialisten eingesetzten Judenräten lösten eine große Debatte aus. Hören Sie die Hörcollage dazu: "Eichmann-Kontroverse".
Jewish Cultural Reconstruction (JCR) 1949 wurde Hannah Arendt in New York Geschäftsführerin der Jewish Cultural Reconstruction.
 Aufgabe der Organisation war es, von den Nationalsozialisten geraubtes Kulturgut aufzufinden und in die USA und nach Israel zu überführen.
Hannah Arendts Antrag auf Wiedergutmachung Hannah Arendt führte 1966 eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Dabei ging es um den Anspruch auf eine entgangene Beamtenpension. Aufgrund ihrer Flucht aus Deutschland 1933 hatte Arendt ihre Studie über Rahel Varnhagen nicht mit einem Habilitationsverfahren abschließen können. Das Gericht entschied, die Studie als Habilitation anzuerkennen. 
Amerikanische Staatsbürgerin 1951 erhielt Arendt die amerikanische Staatsbürgerschaft. Für sie waren die USA das politisch freieste Land der Welt. Sie lehrte an verschiedenen Universitäten, z.B. der University of Chicago und der Wesleyan University.
Überlegungen zu Little Rock Mitte der 1950er Jahre hob der Oberste Gerichtshof der USA die Rassentrennung an öffentlichen Schulen auf. Als darauf schwarze Schülerinnen und Schüler von Weißen am Besuch der Schule gehindert wurden, entsandte die Regierung Bundestruppen zu deren Schutz.
Die meisten Intellektuellen begrüßten den Einsatz. Nicht so Hannah Arendt. In ihrem Artikel "Überlegungen zu Little Rock" kritisierte sie das Vorgehen des Staates. Hören Sie die Hörcollage dazu: „"Debatte um Arendts Artikel 'Reflections on Little Rock‘“.
Die Ungarische Revolution 1956 Hannah Arendt über die Ungarische Revolution" 1956: "Wenn es je so etwas gegeben hat wie Rosa Luxemburgs 'spontane Revolution', diesen plötzlichen Aufstand eines ganzen Volkes für die Freiheit und nichts sonst, dann ist es uns vergönnt gewesen, wenigstens Zeuge gewesen zu sein."
Die internationale Studentenbewegung Hannah Arendt begrüßte die Studentenproteste der 1960er Jahre in den USA als neu entdeckte Lust an der Politik. Auch für den "Pariser Mai" bekundete sie Sympathie, besonders für einen der Protagonisten: Daniel Cohn-Bendit, mit dessen Eltern sie im Pariser Exil befreundet war.
Die deutsche Studentenbewegung beurteilte Arendt kritischer. Sie erschien ihr dogmatisch und theorielastig. Hören sie dazu die Hörcollage: "Interview von Adelbert Reif mit Hannah Arendt über die Studentenproteste".
Freundschaften Mit ihren intensiven Freundschaften spannte Arendt ein Netz über die Abgründe von Flucht und Vertreibung. Dazu gehörten u.a. Karl Jaspers, Mary McCarthy, Martin Heidegger, Heinrich Blücher, Walter Benjamin, Anne Weil, Hans Jonas, Günther Anders, Edna Brocke, Lotte Köhler und Wystan H. Auden.

 

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