Digitales! Unglücklich verwickelt im sozialen Netz

Von Șerban Busuioc

Soziale Medien Foto: Pixabay, CC0
Im Umgang mit sozialen Medien fühle mich mit meinen 25 Jahren zunehmend wie ein abgehängter Greis. Denn je älter ich werde, desto öfter erwische ich mich dabei, wie ich die verschiedenen Social Media Apps an meinem Handy angewidert schließe.

Erst neulich beispielsweise stöberte ich aus Langeweile durch Instagram und stieß auf einen Songausschnitt von 5Gang, einer in Rumänien sehr berühmten Trap-Gang. Den Beat fand ich krass, den Rap-Text überraschend schwach. Der Refrain lautete:

Gagică-ta-i la mine în DM,
îmi trimite poze fără sutien.


Zu Deutsch: Deine Freundin ist bei in meinen DMs, sie schickt mir Fotos ohne BH.

*DM steht für Direct Message, den Chat-Dienst von Instagram.
 

Das hat mich irritiert. Ging es früher in Rapsongs eher um Koks, Diamanten und Reichtum, geht es heute offenbar selbst den vermeintlich harten Jungs eher darum, wie viele Follower man bei Instagram hat und was man sich deshalb erlauben kann.

Davon abgesehen reizten und ärgerten mich der Text und das Gehabe und auf eine vertraute Art und Weise. Es war genau das Gefühl, das ich üblicherweise bekomme, wenn ich bei Instagram Reiseblogger vor atemberaubenden Aussichten zu sehen bekommen, bei YouTube krasse Aufnahmen von coolen Konzerten oder bei Snap kurze Aufnahmen von Feiern, auf denen meine Freunde letzte Nacht waren. Das Gefühl, dass das, was ich mache, nicht reicht. Doch woran könnte das liegen?
 

Immer dabei, niemals genug

Ich habe ja letzten Endes alles, was ich mir wünschen könnte, eine gute Ausbildung, Freunde, die mich liebhaben und bereit sind, mir in Schwierigkeiten beizustehen, einen guten Job, Hobbys und im Großen und Ganzen das, was der allgemeinen Auffassung nach ein gutes Leben ausmacht. Doch andere haben mehr als ich: andere haben in Harvard studiert und erfreuen sich viel engerer Freundschaften und besser bezahlter oder interessanterer Jobs.

Ich glaube, dass ich mit diesem Gefühl nicht alleine bin. Und wahrscheinlich bin ich auch nicht der Einzige, der sich nach unzähligen Stunden Instagram oder Facebook schwört, das Handy beiseite zu lassen. Weil der Druck, dem wir uns selbst damit aussetzen, besorgniserregende Tendenzen annimmt. Studien zufolge haben soziale Medien derart Einfluss auf unser Verhalten und Glücksempfinden, dass wir sogar dazu neigen, Entscheidungen zu treffen, die uns nicht glücklich machen, nur um uns gegen andere virtuell zu behaupten.
 

Absurd anmutendes Suchtverhalten

Mark Zuckerberg pries Facebook als hervorragende Möglichkeit an, Menschen aus aller Welt miteinander zu verbinden. Aber seinem eigenen Sohn hat er verboten, Facebook zu nutzen. Die Gründe liegen nahe, denn Nutzer von sozialen Medien werden abhängig gemacht. Studien zufolge verbringen wir im Schnitt täglich 116 Minuten mit sozialen Medien. Aufs ganze Leben gerechnet macht das etwa fünf Jahre und vier Monate aus. Zum Vergleich. Mit Essen und Trinken verbringen wir summiert etwa drei Jahre und fünf Monate Lebenszeit.

FOKUS Talk

Das Suchtprinzip liegt im Design der Social Media Apps, denn sie sind so gestaltet, dass der Nutzer immer auf etwas wartet, sei es ein Kommentar, ein Like oder eine Benachrichtigung zu Aktivitäten anderer. Jede dieser Benachrichtigungen liefert einen Impuls, eben noch mal reinzuschauen. Wie bei Koks-Süchtigen, die nur noch eben diese eine Line nehmen…

Ich höre immer wieder von Pärchen, die zwar Zeit miteinander verbringen, aber in Grabesstille dabei eigentlich schweigend an jeweiligen Handys daddeln und ihre Partner dabei vollkommen ignorieren. Wie Junkies, die ihr vor lauter Sucht soziales Umfeld kaum noch wahrnehmen.
 

Eine Herausforderung an unser Urteilsvermögen

Gut möglich, dass sie gerade einer dieser absurden Challenges verfolgen, bei der Leute sich bei verrückten Aktionen filmen und Freunde zur Nachahmung herausfordern. Bei der Tide Pod Challenge ging es beispielsweise darum, Waschmittelkapsel zu schlucken. Je mehr Leute dies taten, desto mehr weitere wurden herausgefordert, es ihnen gleich zu tun. Ich finde, das ist ein verdammt ungesundes Schneeballprinzip.

Zweifelsohne gibt es auch positive Challenges, bei denen man zum Spenden oder zu guten Taten aufgefordert wird. Diese bekommen im Vergleich jedoch eher wenig Aufmerksamkeit und können dementsprechend auch nicht entscheidendem Maße etwas beeinflussen. Ich finde, hier herrscht ein gefährliches Ungleichgewicht, das sich leider auch in Diskussionen bemerkbar macht. Eine Studie der Nielsen Norman Group teilt Nutzer in drei Kategorien ein, wonach 90 Prozent der Nutzer rein passiv im Netz unterwegs sind. 9 Prozent posten nur gelegentlich und lediglich 1 Prozent beteiligt sich aktiv und mit hoher Häufigkeit. Es kann also sein, dass die Äußerungen und Tätigkeiten einer kleinen, schreienden Minderheit als Mehrheit oder Mainstream wahrgenommen werden.        

Verzerren soziale Medien unsere Wahrnehmung der Realität? Ich habe das Gefühl, wir alle versuchen, uns selbst zu profilieren und gleichzeitig gefühlte Defizite zu kompensieren. Immer on hold, niemals entspannt. Reizüberflutet, süchtig, unzufrieden.

Um wieder zum eingangs erwähnten Trapsong zu kommen: Bei Trapmusik muss der Bass auch mal ab und zu schweigen, sonst rückt er in den Hintergrund und der Song hört sich hohl an. Das gleiche gilt eben auch für soziale Medien: eine kurze Pause hat noch nie geschadet.