Umwelt "Man muss den Weg der Utopie beschreiten"

Interview mit Ulrike Koch, Fachgebietsleiterin beim Unabhängigen Institut für Umweltfragen e.V. in Berlin

Von Aida Ivan

Ulrike Koch arbeitet seit 2008 beim Unabhängigen Institut für Umweltfragen e.V. in Berlin und ist als Leiterin des Fachgebiets „Klimaschutz & Transformative Bildung“ tätig. Zusammen mit Dr. Dino Laufer hat Ulrike Koch ein dreisprachiges Lernpaket zum Thema Plastik für die Deutsche Welle erstellt, das hier zu finden ist. Über dieses Projekt und das globale Plastikproblem sprach Koch mit Aida Ivan.

Frau Koch, Sie haben zusammen mit Dr. Dino Laufer ein Lernpaket für Jugendliche zum Thema Plastikmüll und die Folgen für die Umwelt für die Deutsche Welle (DW) erstellt. Wie wichtig ist die Plastikmüllreduktion und was war der Ausgangspunkt für diese Initiative?
Wir haben einen fünfjährigen Vertrag mit der Deutschen Welle (DW) für das Format Global Ideas. Es hat 2017 begonnen und es geht jetzt bis 2022. Wir werden für dieses Format zehn verschiedene Lernpakete machen. Eins davon war Plastik und das war das Allererste, was wir ausgewählt haben. Es ist ein sogenanntes IKI-Projekt (Internationale Klimaschutzinitiative). Aus dem Material von DW - Reportagen, Artikel, Filme, Clips, Podcasts - suchen wir uns spannende Formate aus und didaktisieren das. Unsere interessante Aufgabe ist, das nicht aus deutscher oder mitteleuropäischer Sicht zu betrachten. Wir versuchen, uns diesen Themen global zu nähern, damit Jugendliche aus der ganzen Welt Lernpakete nutzen können - deswegen in drei verschiedenen Sprachen.

Wenn wir auf das Thema Plastik kommen, gibt es sehr umstrittene Verbote, beispielsweise jetzt in Deutschland mit dem Trinkhalm. Aber das Bewusstsein muss erst mal da sein, deswegen ist es ganz wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich glaube, es ist für jeden möglich, den Plastikmüll zu reduzieren. Es ist ein niedrigschwelliges Angebot, wenn wir sagen „überdenkt euer Nachhaltigkeitsverhalten, überdenkt euer Verhalten mit der Umwelt“.

Im Moment ist Plastik das Thema, das höchste Priorität hat?
Höchste würde ich nicht sagen, es ist aber ein Thema, was sich gut eingrenzen lässt. Man kann Bilder finden, die berühren, und man kann sehr gut Wege aufzeigen, und positive Beispiele finden. Es gibt Müllsammler in Asien an den Stränden, die die Strände beräumen und sagen, sie machen das so lange, bis kein Müll mehr in die Meere geworfen wird.

Was ist das Konzept des Pakets?
Wir möchten eine gemeinsame Ebene an Wissensstand übermitteln. Wie kann ich das Thema entschließen, sodass eine Arbeitsgruppe gut arbeiten kann, dass es einen gemeinsamen Wissensstand gibt?

Das Ziel ist also Bewusstsein zu schaffen.

Ja, und zu sehen, was in den einzelnen Ländern vor Ort möglich ist zu den speziellen Gegebenheiten.

Plastik beherrscht unseren Alltag. Was können einzelne Individuen machen, um einen plastikfreien Lebensstil aufzubauen?

Plastikfrei ist, glaube ich, sehr schwer, es gibt viele Experimente. Das hat auch eine Kollegin von der DW tatsächlich mit ihrer Familie probiert, vier Wochen lang. Plastikfrei zu leben ist zumindest in Mitteleuropa extrem schwer. Aber es gibt diese Bewegung der Unverpackt-Läden und die Zero-Waste-Bewegung.

Wo ist das?

Wir haben bei der Erstellung ganz viel darüber diskutiert, ob man so was als Verordnung, als staatliche Gesetze als Staat bestimmen kann. Es gibt so was in Ruanda, hier ist es verboten, Plastik ins Land einzuführen. Es ist irre zu sehen, dass es ein Staat schafft, kein Plastik mehr auf der Straße, in Verkaufsläden, im Flughafen zu haben. Man hat andere Möglichkeiten gefunden: Da werden mehr Papiertüten produziert, aber es ist wirklich etwas anderes als Plastik, was 400 Jahre nicht verrottet.

Also möglich ist es.

Es ist auf jeden Fall möglich und es hat mit Disziplin oder mit einem Querdenken zu tun, wie kann man Dinge anders produzieren? Wie kann man Dinge verpacken? Es gibt in der Kosmetikbranche ganz viel Möglichkeiten, auch in der Ernährungsindustrie: Wie verpacke ich eine Gurke zum Beispiel? Oder welche Produkte kaufe ich? Das hat natürlich immer auch was mit Konsumenten zu tun: Zu welchen Produkten greife ich, kaufe ich mir Säfte in Verpackung oder in Flaschen, die ich zurückgeben kann? Benutze ich ein Papierhefter oder einen Plastikhefter?

Welche sind die Regionen, wo man am meisten Plastik benutzt?

Asien hat ein riesiges Problem, weil sie wirklich aus hygienischen Gründen jedes einzelne Produkt in eine Plastiktüte setzen. Mitteleuropäer sind kein Stück besser. Die Amerikaner haben auch ein großes Problem. Plastik ist tatsächlich ein globales Problem. Man findet es überall, in jeder Region, in jedem abgelegenen Dorf, im Meer.

Kann jeder etwas in seinem Umfeld machen?

Es ist gefährlich, das nur auf eine individuelle Ebene zu bringen. Das hat auch mit staatlicher Verantwortung, mit Produktion zu tun. Es ist natürlich das Wirtschaftssystem, was dahinter steht, und es hängt mit etlichen Ressourcen zusammen. Also die individuelle Ebene ist wichtig, aber es muss unbedingt ein Umdenken auch in der Wirtschaft, in der Produktion, in der Handelsketten passieren.

Muss sich die Wirtschaft ändern?

Definitiv. Ich kann natürlich als einzelner Bürger, als einzelnes Individuum mein Verhalten ändern, aber es muss sich im Globalen etwas verändern. Unsere Aufgabe als Bildungspartner ist zu sagen - wir appellieren an Schüler und Schülerinnen, an Lehrkräfte, daran mitzuarbeiten, damit bei den folgenden Generationen das Bewusstsein da ist. Es muss dringend auch von staatlicher Seite etwas gemacht werden.

Gibt es Initiativen?

Aus unserer Sicht zu langsam.

Tüten werden aus Algen hergestellt. Inwieweit ist diese Alternative realistisch und inwieweit kann man das einsetzen?

Ich finde, es ist ähnlich wie bei der Energiewende, dass wir uns weltweit bewusst werden, dass wir diesen Weg beschreiten müssen. Ich glaube, dass es Möglichkeiten gibt, aber man darf auch nicht sagen, „ich persönlich lebe jetzt plastikfrei und das schaffen alle Menschen und dann kriegen wir eine plastikfreie Welt in zehn Jahren hin“. Ich glaube, es ist eine Utopie, aber man muss den Weg der Utopie beschreiten und das als gemeinsamen Weg verstehen -  wir können nicht morgen alles abstellen. Dieser Weg ist steinig und trotzdem gibt es keinen anderen Weg als Alternativen zu suchen, nach Alternativen zu forschen.

Sie haben gesagt, Sie haben die Zusammenarbeit mit der DW 2017 angefangen und seitdem haben Sie drei Lernpakete erstellt. Was für andere Themen gibt es? Arbeiten Sie schon an weiteren Lernpaketen?

Im Moment planen wir weitere. Ein Thema, das schon mit in der Überlegung war, war das Paket zum Thema Wasser. Weitere Themen sind Ernährung und Landwirtschaft, dann möchten wir uns unbedingt gemeinsam mit Global Ideas mit dem Thema Klimaflucht - also Klimawandel als Fluchtursache - beschäftigen.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Koch!

Foto: www.ufu.de