Einfach kompliziert Technologische Lösungen im globalen Süden

Dank aufkommender Technologien können die Länder des globalen Südens ihren Wandel und ihr Wachstum exponentiell beschleunigen. So vielfältig wie das Potenzial sind jedoch auch die Grenzen dieser Technologien. Warum das so ist, erläutert Nanjira Sambuli.
Von Nanjira Sambuli
Lokale technologische Innovationen gibt es in unterschiedlichsten Ausprägungen. Sie können als „Copy and Paste“ einer Marke und eines Konzepts in Erscheinung treten, wie ein Ride-Hailing-Dienst nach dem Vorbild des „Uber für Lebensmittellieferungen“ oder das „Silicon Valley von Ghana“. Bei solchen Nachahmungen können Lösungen, die an anderen Orten entwickelt wurden, auf lokaler Ebene mit anderen Lösungen kombiniert oder auch vollständig übernommen werden. Beispielsweise nutzen viele Unternehmen und Einzelpersonen den plattformübergreifenden sozialen Nachrichtendienst WhatsApp aus den USA inzwischen als E-Commerce-Plattform.Das Konzept für M-PESA wurde in Großbritannien entwickelt, setzte sich in Kenia durch und gehört heute zu den führenden mobilen Geldtransferdiensten in Afrika. Eine lokale Integration technologischer Innovationen erfordert nicht nur die Anpassung und Überarbeitung bestehender Lösungen, sondern auch die Entwicklung und den Einsatz neuer Lösungen, die sich am lokalen Bedarf orientieren. Genau dies tat Der Junge, der den Wind einfing für sein Dorf in Malawi. Und das ist nur eins von vielen weiteren Beispielen.
Diesen und ähnlichen Fällen liegt die Binsenweisheit zugrunde, dass es zwar überall Talente gibt, aber nicht überall Entfaltungsmöglichkeiten. Es braucht Talent, um etwas zu reproduzieren, an den Bedarf anzupassen oder völlig neu zu entwickeln. Die Herausforderung besteht darin, dieses Innovationspotenzial zu fördern. Dafür benötigen wir langfristige, flexible und kontextabhängige Maßnahmen.
An Talenten mangelt es nicht
Ein beliebtes Vorgehen in vielen Teilen des globalen Südens besteht darin, neue Institutionen zu schaffen und mit Aufgaben und Visionen zur Innovationsförderung auszustatten. Leider lassen Ideenreichtum und Organisation in diesen Institutionen häufig zu wünschen übrig, selbst wenn sie von klugen Köpfen geleitet werden. Auf institutioneller Ebene gibt es beispielweise Forschungs- und Entwicklungslabors an Universitäten. Solche Einrichtungen werden häufig in neuen Gebäuden mit schicker Ausstattung und vielem mehr untergebracht. Doch sind sie wirklich offen und zugänglich für all die Talente, die sich dort nützlich machen sollten? Oder ist das Talent, das durch diese Räume fließt, von einer besonderen Homogenität? Wenn beispielsweise ein solcher „Maker Space“ nur Universitätsstudierenden offensteht, ist davon auszugehen, dass seine Angebote nur von Begabten innerhalb einer Universität genutzt werden können. Doch was wird aus den klugen Denkern und Machern, die zwar keinen Zugang zum formalen Bildungssystem haben, deren Ideen oder Fertigkeiten aber zu einer der nächsten bahnbrechenden Entwicklungen beitragen könnten?Da überrascht es nicht, dass wir in diese überkommenen Konstellationen geraten, denn die Mittelvergabe und Förderung für Institutionen und Länder des globalen Südens ist in den meisten Fällen an Bedingungen geknüpft. Die Tatsache, dass wir es vorrangig mit vorgefertigten Entwicklungs‑, Investitions‑, Hilfs‑ oder anderen Formen von Fördermaßnahmen zu tun haben, wirkt sich nachteilig auf ihr mögliches Ergebnis aus.
„Noch immer gilt die Gestaltung des globalen Südens nach dem Vorbild des globalen Nordens vielfach als das erklärte Ziel. Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen, liegt hier der eigentliche Kern des Problems.“
Wir sind nicht arm
Mein Vorschlag, wie Institutionen und Staaten des globalen Südens technologische Innovationen vor Ort fördern und wirksam nutzen können, ist möglicherweise profan. Und es geht dabei nicht um technologische Lösungen. Er lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Ideologie. Einfach, und doch kompliziert. Nachrangige Alternativen müssen wir sowohl intellektuell als auch finanziell in unserer Planung berücksichtigen. Gegenwärtig handelt es sich dabei um „informelle“ Wirtschaftssysteme und Zusammenschlüsse, die sich aufgrund der Rigidität und offen gesagt auch der Unangemessenheit der bestehenden „formalen“ Institutionen und der vorherrschenden Ordnung gebildet haben. Wie wollen wir weiterhin eine „marginalisierte Mehrheit“ rechtfertigen, die an den Rändern des angeblichen Mainstreams existiert?„All denjenigen, die dem globalen Süden externe Unterstützung anbieten, möchte ich sagen: Zeigen Sie Demut, fragen Sie, wie eine Unterstützung aussehen könnte und nicht, wo Ihre vorgefertigten Ideen und Lösungen zum Einsatz kommen könnten.“
„Wir sind nicht arm. Wir haben lediglich systematisch Misswirtschaft mit unseren natürlichen und menschlichen Ressourcen betrieben.“
Ohne diese grundlegende Reform, die nach wie vor schwer fassbar ist, kann es auch keine technologischen Wunder geben. Bleibt zu hoffen, dass die Institutionen des globalen Südens die Zeichen der Zeit erkennen und sich entsprechend neu ausrichten. Darüber hinaus kann auch bei ihren Partnern im Norden ein Umdenken stattfinden, und sie können ihre Unterstützung neu ausrichten, damit wir die Kapazitäten für technologische Innovationen tatsächlich mit Hilfe lokaler Kompetenzen freisetzen können.
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