Warum die Ziele für nachhaltige Entwicklung jetzt wichtiger sind als je zuvor

Unterwasseraufnahmen von grünen Meeresschildkröten und Karettschildkröten, aufgenommen im Komodo-Nationalpark und auf der Insel Gili, Indonesien / Meeresschildkröten im Komodo-Nationalpark und auf Gili Island, Indonesien, | © iStock-1077092686 Aaron Bull

2020 sollte ein Meilenstein für die internationale Zusammenarbeit sein, mit großen globalen Konferenzen zu Biodiversität, Klimawandel, Gleichstellung der Geschlechter und mehr. Ein Jahr voller inspirierender Ambitionen und Aktionen fand sich aufgrund der COVID-19-Pandemie in eine andere Richtung geleitet. Von hier aus den Weg nach vorne zu finden, kann noch schwieriger sein als zuvor.

Deshalb brauchen wir die Ziele für nachhaltige Entwicklung mehr denn je. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung können uns den Weg dafür zeigen, wie wir unsere Welt nach COVID-19 besser wiederaufbauen können. Diese Krise ist kein Einzelfall. Sie ist ein Glied in einer größeren Kette von Untätigkeit im Klimaschutz, der Zerstörung von Lebensräumen, dem Zusammenbruch der öffentlichen Gesundheitssysteme und zunehmenden Einkommens- und Geschlechterunterschieden, die uns alle zurückhalten. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung dienen dazu, uns im Hinblick auf alle diese Fronten voranzutreiben.

Ist das ein Rennen, das wir gewinnen können?

Im letzten Jahrzehnt konnten wir einige bedeutende Erfolge verzeichnen. Extreme Armut und Kindersterblichkeit sinken weiter. Die Einschulungsquoten sind gestiegen und die weltweite Elektrifizierung ist auf 89 Prozent gestiegen. Viele der anderen Ziele zeigen langsame, aber stetige Wendepunkte. Jedoch gibt es keine Garantie für einen Sieg. Vor der Ziellinie im Jahr 2030 gibt es noch viel zu tun, aber die COVID-19-Krise birgt das Risiko, uns auszubremsen.

Studien zufolge waren bereits vor der Pandemie geschätzte 135 Millionen Menschen von einer kritischen Lage des Hungers und der Ernährungsunsicherheit betroffen. Die Schock-Effekte der Pandemie treiben nun weitere 130 Millionen Menschen in Richtung Hungertod. Lockdown-Maßnahmen betreffen fast 2,7 Milliarden Arbeitnehmer, fast 81 Prozent der weltweiten Belegschaft, von denen viele nicht durch Sozialschutzmaßnahmen abgedeckt sind. 91 Prozent der Schüler der Welt sind von Schulschließungen betroffen, viele davon in Entwicklungsländern, deren Bildung nicht durch Technologie gerettet werden kann. Frauen stehen als Gesundheitshelferinnen, Betreuerinnen und informelle Arbeiterinnen an vorderster Front des Kampfes gegen COVID-19. Neben der ständigen Bedrohung ihres Gesundheit und ihres Wohlbefindens sehen sie sich nun jedoch auch mit steigenden Raten häuslicher Gewalt konfrontiert.



Wasserknappheit betrifft immer noch ein Sechstel der Erdbevölkerung. Kinder in Entwicklungsländern leiden am meisten unter diesem Problem, das zu Unterernährung und Gesundheitsproblemen führt Wasserknappheit betrifft immer noch ein Sechstel der Erdbevölkerung | © iStock-490824660 borgogniels


Die Zahl der Schutzgebiete steigt und der Verlust der Waldbedeckung verlangsamt sich. Aber unerbittliche Eingriffe in Lebensräume, der Verlust der biologischen Vielfalt und der Zusammenbruch von Ökosystemen nehmen weiterhin ihren Lauf. Experten merken an, dass unter Menschen alle vier Monate eine neue Infektion auftritt und fast 75 % aller neu auftretenden Krankheiten auf Tiere zurückzuführen sind, wobei COVID-19 nur der jüngste Fall ist.

Wie wir unsere Welt besser wieder aufbauen

Wenn wir so weitermachen, werden wir viele der Ziele der Agenda 2030 nicht erreichen. Business-as-usual macht keinen Sinn. Aber es ist nicht zu spät für einen Gangwechsel.

Der Silberstreifen am Horizont ist, dass die Ziele für nachhaltige Entwicklung alle miteinander verbunden sind. Wenn wir in die richtige Antwort für ein Ziel investieren, können wir auch viele der anderen Ziele erreichen. Die Erholung von dieser globalen Pandemie und der Rezession kann, wenn sie klimasensibel und inklusiv erfolgt, eine echte Chance sein, nicht nur für die Umwelt, die öffentliche Gesundheit, die Armut und die Arbeitsplätze.


Kinder sitzen auf Treppen im Flüchtlingslager Lagadikia, etwa 40 km nördlich von Thessaloniki, während eines Besuchs des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge Filippo Grandi Kinder im Flüchtlingslager Lagadikia, etwa 40 km nördlich von Thessaloniki | © iStock-594946600 verve231


Was sollten unsere nächsten Schritte sein, um nach dieser Krise die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen?


Um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, müssen wir uns für die Natur einsetzen. Die COVID-19-Krise ist ein Weckruf der Natur. Die Gesundheit unseres Planeten und seiner Ökosysteme hängt direkt mit unserer eigenen Gesundheit und der Gesundheit unserer Volkswirtschaften zusammen. Der Schutz und die Wiederherstellung unserer Wälder, Mangroven sowie der Küsten- und Meereslebensräume hilft uns, mehrere Ziele zu erreichen, von der Bekämpfung des Klimawandels bis zur Befreiung von Millionen von Menschen aus der Armut. Während wir unsere Welt nach dieser Krise wieder wiederaufbauen, müssen diese Beziehung dringender denn je neu bewerten und dabei alles berücksichtigen, was die Natur für uns geleistet hat.

Um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, müssen wir der Wissenschaft folgen. Wir leben in Zeiten des Misstrauens gegenüber Beweisen, Fakten und der Wissenschaft. Es genügt ein Klick, um Fehlinformationen und Verschwörungstheorien zu verbreiten. Aber es ist die Arbeit von Wissenschaftlern, Akademikern und Experten, die uns aus dieser Pandemie herausführen und uns zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung bringen sollte. Es gibt keinen Ersatz für eine evidenzbasierte Politikgestaltung. Insbesondere Klimaforscher haben Alarm geschlagen und gewarnt, dass wir die globalen Temperaturen nicht innerhalb der 1,5-Grad-Grenze halten können, wenn wir unsere Emissionenin den nächsten zehn Jahren nicht jährlich um 7,6 % senken. Langsame Umweltkrisen werden bald zu größerer Ernährungsunsicherheit, extremem Wetterbedingen und Katastrophen sowie zu häufigeren Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, wie diese Pandemie, führen. Es ist Zeit für informiertes Handeln.

Um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, müssen wir auf institutioneller und individueller Ebene kluge Entscheidungen treffen. Steuerliche Konjunkturpakete müssen die Möglichkeiten nutzen, eine umweltfreundlichere Wirtschaft zu priorisieren, Subventionen für fossile Brennstoffe zu streichen und zur Schaffung umweltfreundlicher Arbeitsplätze beizutragen, die menschenwürdige, nachhaltige Beschäftigung und sozialen Schutz bieten. Auf individueller Ebene liegt es an jedem von uns, einen nachhaltigeren Lebensstil zu wählen, den Kreislauf unseres Konsums zu schließen und unseren Beitrag zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung zu leisten.


Eine Menge von Menschen mit Masken während der Hauptverkehrszeit am 18. März 2020 in Bangkok, Thailand Eine Menschenmenge mit Masken während der Hauptverkehrszeit in Bangkok, Thailand | © iStock-1215697335 Tzido


Und schließlich ist das Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung eine Frage der Solidarität. Die Ziele für nachhaltige Entwicklung erinnern uns daran, dass ohne gemeinsame Verantwortung und Zusammenarbeit nichts möglich ist. Wenn wir die Verantwortung nicht teilen, laufen wir Gefahr, unzählige Menschen zurückzulassen. Wenn wir die Ziellinie erreichen wollen, müssen wir an der Seite derer stehen, die schon jetzt viel zu verlieren haben – Frauen, Jugendliche, Niedriglohnarbeiter, informelle Arbeiter und Pflegekräfte, Menschen mit Behinderungen, Flüchtlinge, Asylsuchende und Vertriebene sowie marginalisierte Gemeinschaften.

Um all dies zu erreichen, müssen wir uns informieren und Machthaber zur Rechenschaft ziehen. Wir müssen uns engagieren und weiterbilden. Wir müssen weiterhin für die uns nachfolgenden Generationen die Räder am Laufen halten, Gespräche fortführen und uns gegenseitig dazu inspirieren, uns zu verbessern – für den Planeten, die Menschheit und unseren Wohlstand.