We...Wei...What? #4  George Floyd im chinesischen Internet

Graffiti
Graffiti Illstration (Ausschnitt): Graffiti © Goethe-Institut China

George Floyd und die globalen Antirassismus-Bewegungen haben nicht nur die Schlagzeilen in den USA und anderen westlichen Ländern dominiert – auch in China sind sie zu einem wichtigen Thema auf Weibo und Co. geworden. Ein Überblick.

Seit der 46-jährige bei seiner Verhaftung im Mai dieses Jahres ermordet wurde, kennt die ganze Welt seinen Namen.

Der Tod von George Floyd hat rund um den Globus heftige Black-Lives-Matter-Proteste ausgelöst und weltweit Bewegungen im Kampf gegen Rassismus neu angefacht. Der Vorfall führte zu Unruhen, Ausschreitungen und auch zum Sturz umstrittener Statuen in den USA und anderen Ländern.

In Solidarität mit der Black-Lives-Matter-Bewegung und dem Kampf gegen strukturellen Rassismus haben in westlichen Staaten zudem viele Organisationen und Unternehmen diverse antirassistische Erklärungen abgegeben und angekündigt ihre Geschäftspraktiken zu überdenken. Graffitiwand zu Ehren von George Floyd in Minneapolis Graffitiwand zu Ehren von George Floyd in Minneapolis | munshots via unsplash.com In China haben der Fall von George Floyd (transkribiert als 乔治·弗洛伊德 Qiáozhì Fúluòyīdé) und seine anhaltenden Folgen ebenfalls für Schlagzeilen in den Medien gesorgt und auf Social-Media-Plattformen wie Weibo zählen sie zu den Top-Themen.

In einem Jahr mit COVID19-Krise und geopolitischen Spannungen – einschließlich eskalierender Differenzen zwischen China und den USA sowie der Verabschiedung des Nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong – können viele der aktuellen Nachrichten nicht isoliert betrachtet werden.

Die Art und Weise, wie über aktuelle Meldungen in China von staatlichen Medien und Internetnutzern berichtet und diskutiert wird, steht oft im Kontext größerer Narrative über China und seine aktuellen Beziehungen innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Doch es geht nicht nur um Politik – auch der kulturelle Kontext spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, wie die Antirassismus-Bewegung nach dem Tod von George Floyd in der Volkrepublik wahrgenommen wird.

„Das ach so freie Amerika“ – Floyds Ermordung

Der Vorfall ereignete sich am 25. Mai in Minneapolis, Minnesota, als die Polizei auf den Anruf eines Ladenbesitzers reagierte, weil jemand einen gefälschten Geldschein benutzt haben soll. Floyd saß in seinem Auto, als die Polizeibeamten vor Ort eintrafen, und wurde aufgefordert auszusteigen.

Obwohl Floyd kooperativ und unbewaffnet war, zeigt das Video eines Passanten, wie er mit dem Gesicht nach unten auf den Boden geworfen wurde und ihm ein Beamter sein Knie seitlich in den Nacken drückte, während Floyd um Luft rang und immer wieder sagte: „I can't breathe.“

Während der Polizeibeamte über sieben Minuten lang auf Floyds Hals kniete, konnte man sehen, wie der 46-Jährige das Bewusstsein verlor und sein Körper erschlaffte.

Das Video von der tödlichen Festnahme verbreitete sich über Nacht in den sozialen Medien und führte bald zu Protesten in Minneapolis und anderen amerikanischen Städten. Black-Lives-Matter-Demonstration in Cincinnati Black-Lives-Matter-Demonstration in Cincinnati | Julian Wan via unsplash.com Die vier in den Tod von George Floyd involvierten Beamten wurden anschließend aus dem Polizeidienst von Minneapolis entlassen und werden nun zur Verantwortung gezogen. Die Spannungen in Minnesota erreichten einen Siedepunkt, so dass die Proteste schließlich in Unruhen und Plünderungen eskalierten, weswegen der Bürgermeister von Minneapolis Jacob Frey am 29. Mai den Ausnahmezustand ausrief.

Am selben Tag wurde der CNN-Korrespondent Omar Jimenez, ein Schwarzer Reporter, gemeinsam mit seinem Kameramann und Produzenten vor laufender Kamera in Handschellen abgeführt, als er in einer Live-Sendung über die Situation in Minneapolis berichtete. Obwohl das CNN-Team kurze Zeit später wieder freigelassen wurde, heizte der Vorfall die Debatte über Diskriminierung und Rassismus in Amerika weiter an.

Auf Weibo standen die News über den gewaltsamen Tod von George Floyd und die amerikanischen Proteste in Form von diversen Hashtags bald hoch im Kurs.

Ende Mai und Anfang Juni lauteten, neben vielen weiteren, einige der Top-Weibo-Hashtags bezüglich der Proteste: „CNN-Crew von der Polizei verhaftet“ (#CNN报道团队被警方逮捕#, 170 Millionen Aufrufe), „Minneapolis gerät in den Ausnahmezustand" (#美国明尼阿波利斯市进入紧急状态#, 370 Millionen Aufrufe), „Ausbrechende Proteste wegen des Todes eines Schwarzen, nachdem ein US-Polizist ihm den Hals abdrückte“ (#美警察压颈致黑人死亡引发抗议#, über 7 Millionen Aufrufe), „Anti-Rassismus-Demonstrationen in Amerika“ (#美国反种族歧视游行#, über 3 Millionen Aufrufe).

Der Hashtag „U.S. Riots“ (#美国暴乱#) wurde über 5,3 Milliarden Mal aufgerufen und löste in China Tausende von Reaktionen in den sozialen Medien aus.

Viele der Weibo-Antworten auf die Ermordung George Floyds und deren direkte Nachwirkungen stellten die Entwicklungen in den größeren Kontext der angespannten Beziehungen zwischen den USA und China, wobei man Amerika Verlogenheit unterstellte, wenn es China in Bezug auf Freiheit und Menschenrechte kritisiere, insbesondere im Zuge der COVID19-Krise und der Situation in Hongkong.

„Das ach so freie Amerika“, lautete ein populärer Kommentar auf Weibo („多么自由的米国“), während andere polemisierten: „Sind das die Menschenrechte, für die ihr euch einsetzt?“

Die Kommentatoren brachten ihre Abscheu über die Brutalität der Polizisten zum Ausdruck und nannten die Polizeibeamten „rücksichtslos“ und „sadistisch“, wobei einige sich – nicht ohne Sarkasmus – fragten, ob China nicht ein „Antirassismus-Gesetz“ einführen sollte – eigens für US-Beamte, die für rassistische Übergriffe verantwortlich sind.

Die Meldung von der Verhaftung des CNN-Reporters Jimenez durch die amerikanische Staatspolizei wurde bei Weibo auch über den offiziellen Account der Kommunistischen Jugendliga verbreitet, was zu viel kritischer Resonanz hinsichtlich Amerikas „Pressefreiheit“ führte.

„Ist das die sogenannte Gleichheit? Freiheit? Demokratie?“ Ein anderer User schreibt: „Das ist also die Freiheit, nach der ich mich sehne? Nennt man das Freiheit?“

Einige Weibo-Nutzer teilten Video-Zusammenstellungen, die ein übermäßig brutales und gewalttägiges Vorgehen amerikanischer Polizisten zeigen, wenn diese bei ihren Einsätzen Menschen schlagen und auf sie schießen.

Obwohl kritische Stimmen über die USA in den chinesischen Online-Diskussionen zu Floyds Ermordung dominierten, gab es auch Nutzer sozialer Medien, die vor allem den Demonstranten ihre Unterstützung aussprachen: „Ich unterstütze die Bewegung der Schwarzen Amerikaner, die für Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit und Freiheit kämpfen, voll und ganz“, so ein populärer Kommentar, der über 14.000 Likes erhielt.

Ein Blogger mit über 123.000 Followern schrieb: „Die in den USA ausbrechenden Unruhen werden sich sicherlich negativ auf die Gesellschaft auswirken. Doch aus einer anderen Perspektive betrachtet macht es mich auch neidisch, wenn Menschen die Courage haben, ihre Stimme zu erheben, den Mut zum Widerstand. Würde so etwas in China passieren, würdest du dich wehren?“

„Falscher Antirassismus“ – Von den Simpsons bis zur Darlie-Zahnpasta

Nachdem die Proteste im Zusammenhang mit George Floyd rund um den Globus eine Welle von Antirassismus-Bestrebungen ausgelöst haben, tauchen mittlerweile in den chinesischen sozialen Medien neue Hashtags auf, die für weiteren Diskussionsstoff sorgen.

Obwohl die Demonstranten, die direkt nach der Ermordung von Floyd Rassismus und Polizeibrutalität anprangerten, in den sozialen Medien Chinas oft gelobt wurden, stoßen einige der Initiativen von Unternehmen und Marken – die auf Rassismus in Medien, Mode und der Unterhaltungsbranche aufmerksam machen wollen – bei den chinesischen Internetnutzerinnen auf wenig Sympathie.

Ein Beispiel ist der auf eine aktuelle Meldung bezogene Hashtag „Im Simpsons-Comic werden nicht-weiße Figuren nicht mehr von Weißen synchronisiert“ (#动画辛普森不再用白人为非白人配音#), der zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels über 90 Millionen Klicks auf Weibo hatte. Ende Juni hatten die Produzenten von „The Simpsons“ angekündigt, dass weiße Schauspieler nicht länger die Stimmen von nicht-weißen Charakteren sprechen sollten.

„Was für ein Mist, als ob man den Stimmen anhören könnte, ob sie weiß sind oder nicht?!“, hieß es in einem typischen Kommentar, der sich in eine Reihe ähnlicher Bemerkungen einfügte: „Das ist doch Wahnsinn! Stimmen sind weder schwarz noch weiß.“

„Macht sie doch einfach alle blau“, schlugen andere vor, wobei jemand schrieb: „Sie [die Simpsons] haben alle gelbe Haut, warum benutzen sie dann nicht Schauspieler asiatischer Abstammung für ihre Stimmen? So etwas ist doch ein gefakter sogenannter Antirassismus.“

Andere argumentieren auch, dass Aktionen dieser Art lediglich „Rassenunterschiede“ hervorheben würden, anstatt Rassismus zu bekämpfen: „Je mehr das in diese Richtung geht, desto mehr wird doch die Bedeutung von Rassenunterschieden betont. Was soll das Ganze überhaupt?“

Andere Antidiskriminierungsmaßnahmen wie die von Unilever oder der Kosmetikmarke L'Oréal Paris, die in ihren Produktbeschreibungen keine Wörter wie „Weißmacher“ und „hell“ mehr verwenden, sowie die Initiativen anderer Marken, einige Hautaufhellungsprodukte ganz aus dem Sortiment zu nehmen, bekamen bei Weibo ebenfalls viel Aufmerksamkeit („L'Oréal stoppt Hautaufhellungs-Slogans“, Hashtag #欧莱雅停用美白宣传语#, 110 Millionen Aufrufe). Werbung für Hautaufheller Werbung für Hautaufheller | Screenshot „Das geht zu weit“, „Unglaublich“, „Wie unnötig“, schrieben viele Kommentatoren und fügten hinzu: „Was hat das mit Rassendiskriminierung zu tun?“ „Ist das nicht einfach eine andere Art der Diskriminierung?“

„Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass es hier die Asiaten sind, die diskriminiert werden“, meinten einige Userinnen: „Verschiedene Ethnien haben unterschiedliche Schönheitsideale, sowie verschiedene Menschen andere ästhetische Vorstellungen haben. Viele Asiaten finden helle Haut eben einfach schön“.

Ziemlich bemerkenswert ist, dass die kritische Haltung, die auf Weibo gegenüber diesen Initiativen allgegenwärtig ist, nicht nur aus den gängigen Kommentaren ersichtlich wird; auch die Nachrichtenquellen, die entsprechende Artikel veröffentlichen, verwenden von Xinhua bis Sina Top Trending in ihren Beiträgen ihrerseits Emojis in Form von nachdenklichen oder erstaunten Gesichtern, was bereits eine gewisse vorwurfsvolle Haltung gegenüber den westlichen Trends andeutet. Meldung von Xinhua über die Antirassismus-Bewegung im Ausland Meldung von Xinhua über die Antirassismus-Bewegung im Ausland | Screenshot Noch eine weitere besondere Reaktion einer Marke auf die Antirassismus-Bewegung löste eine Online-Debatte aus: Colgate kündigte eine Überprüfung seiner chinesischen Zahnpasta-Marke „Darlie“ an, früher bekannt als „Darkie“ (wörtlich: „Schwarzer Mann Zahnpasta“,  黑人牙膏), weil sie das Gesicht eines Schwarzen Mannes zeigt.

Einige der Hashtags, die bei der Diskussion dieser Meldung verwendet wurden, sind „'Black Man Toothpaste' ist das neueste Markenopfer, das vom amerikanischen Antirassismus betroffen ist“ (#黑人牙膏成美反种族歧视受影响最新品牌#) und „Colgate erwägt, den chinesischen Markennamen 'Black Man Toothpaste' zu ändern". (#高露洁考虑将中国市场黑人牙膏改名#, 110 Millionen Klicks). Die Zahnpasta Darlie ist für viele Chinesen ein fester Begriff Die Zahnpasta Darlie ist für viele Chinesen ein fester Begriff | Weibo Die Zahnpasta Darlie war ursprünglich eine rein chinesische Marke unter dem Dach des 87-jährigen Shanghaier Unternehmens Hawley & Hazel und ist bis heute vielen Chinesen ein Markenbegriff. Die Reaktionen auf diese Nachrichten zeigen, dass viele nicht verstehen, wie eine Änderung der Marke beim Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit helfen könnte.

„Ich kapiere einfach nicht, warum das Rassendiskriminierung sein soll“, kommentiert eine Person: „Worin liegt hier die Stereotypisierung [Schwarzer Männer]?“

Die Nachricht, dass Amerikas größte Bank JPMorgan Chase die Begriffe „master“, „slave“ und „blacklist“ aus ihrem Technologiematerial sowie dem Programmcode streichen wolle, stieß ebenfalls auf Kritik bei Weibo (#摩根大通停用黑名单等术语#), wobei sich einige fragten, ob die „verrückt geworden“ seien und ob dies nicht eine Art „buchstäbliche Inquisition“ sei.

In einem kürzlich auf Weibo erschienenen Blog-Artikel, in dem diese neusten Entwicklungen diskutiert wurden, schrieb der Blogger Captain Wuya (@乌鸦校尉) über die beteiligten Marken und Unternehmen, dass „sie mit ihrer Fahne der politischen Korrektheit jedem vor dem Gesicht herumwedeln“.

„Was sich hier wirklich ändern muss, ist die Übertreibung der Fakten durch die großen amerikanischen Marken“, so ein anderer populärer Kommentar.

„Übertriebene politische Korrektheit“ – die Ablehnung westlicher antirassistischer Politik

Die aktuelle Antirassismus-Bewegung in den westlichen Ländern wird im chinesischen Social-Media-Kontext deutlich anders diskutiert als in englischsprachigen sozialen Medien. Obwohl viele der jüngsten Antirassismus-Initiativen von Marken und Unternehmen auch auf Twitter oder Facebook eine Mischung aus Lob und Kritik hervorrufen, scheint auf Weibo die Meinung zu überwiegen, dass diese Bestrebungen „falsch“, „übertrieben“, „unnötig“ und „unsinnig“ seien und eher Unterschiede als Gleichheit betonen. Ein anderes immer wiederkehrendes Ressentiment ist, dass der Rassismus gegen Schwarze gegenüber dem gegen Asiatinnen priorisiert wird.

Die unterschiedlichen Ansichten chinesischer Social-Media-Nutzer darüber, was als rassistisch oder eben nicht rassistisch gilt, hat schon früher viel Aufmerksamkeit erregt. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Qiaobi-Waschmittelwerbung aus dem Jahr 2016, in der ein Schwarzer Mann gezeigt wird, der sich nach dem „Waschen“ in einen Chinesen verwandelt. Der Werbespot wurde abgesetzt, nachdem er außerhalb Chinas für Kontroversen gesorgt hatte. Szene aus dem umstrittenen Qiaobi-Werbespot Szene aus dem umstrittenen Qiaobi-Werbespot | Screenshot Ein typischer Kommentar in chinesischen sozialen Medien lautete damals: „Die westlichen Medien haben gerade ihr Konzept des 'Rassismus' genommen und es [auf diesen Werbespot] angewandt. In Wirklichkeit macht sich die große Mehrheit der Chinesen keinen Begriff von 'weiß' versus 'schwarz' oder 'asiatisch' und einer dadurch vermeintlich implizierten Minderwertigkeit.

Ähnliche Reaktionen gab es auch, als die CCTV-Neujahrsgala 2018 in den ausländischen Medien für Unverständnis sorgte, weil eine chinesische Schauspielerin mit schwarzer Haut in einem Programmpunkt zu sehen war, in dem die chinesisch-afrikanischen Beziehungen betont wurden. Zu dem umstrittenen Sketch gehörte eine chinesische Schauspielerin mit schwarzem Gesicht Zu dem umstrittenen Sketch gehörte eine chinesische Schauspielerin mit schwarzem Gesicht | CCTV Diese Haltungen und allgemeinen Kommentare scheinen darauf hinzudeuten, dass Rassismus und Diskriminierung in China einfach ein deutlich kleineres Problem sind oder eben schnell verharmlost werden. Ist dies der Fall?

Fragen von Rassismus und Diskriminierung werden in China sicherlich nicht verharmlost, wenn es um antiasiatischen Rassismus geht. In der gesamten modernen Geschichte waren Chinesinnen immer wieder Opfer von Rassismus. In den letzten Jahren gab es unzählige Beispiele für kollektive Wut und Boykottkampagnen, weil sich Chinesen diskriminiert fühlten.

Als zum Beispiel die italienische Luxusmarke Dolce & Gabbana ein Werbevideo lancierte, in dem eine chinesisch aussehende Frau ungeschickt versucht, ein großes Cannoli-Gebäck mit Stäbchen zu essen, wurde dies von vielen Netizens in den chinesischen Medien als rassistisch bezeichnet. Nachdem Screenshots eines China verunglimpfenden Online-Interviews mit dem vermeintlichen Stefano Gabbana viral gingen, avancierte die Angelegenheit im Jahr 2018 zu einem Top-Thema auf Weibo. Standbild aus dem D&G-Werbevideo, das in China als rassistisch befunden wurde und 2018 für große Kontroversen sorgte Standbild aus dem D&G-Werbevideo, das in China als rassistisch befunden wurde und 2018 für große Kontroversen sorgte | Screenshot Die COVID19-Pandemie führte in den USA und anderen Ländern tatsächlich zu einem zunehmenden Rassismus gegenüber asiatisch gelesenen Menschen. Ein Thema, das in letzter Zeit in Chinas sozialen Medien hochkocht, Empörung auslöst und Rufe nach einer Gleichbehandlung laut werden lässt.

Ist es dann vielleicht so, dass Diskriminierung und Rassismus innerhalb des chinesischen Festlands weniger ein Problem sind? Auch das ist sicherlich nicht der Fall. Neben den vielen verschiedenen Formen und Spielarten von Diskriminierung – regionale Diskriminierung ist nur eine davon – gibt es auch viele Beispiele für Anti-Schwarzen-Rassismus in China. Online-Rassismus gegen Afrikaner ist auf Weibo ein Dauerthema, seit die Plattform 2009 freigeschaltet wurde (Beispiel). Der Aushang in einem McDonald's-Restaurant in Guangzhou sorgte Anfang des Jahres international für Empörung Der Aushang in einem McDonald's-Restaurant in Guangzhou sorgte Anfang des Jahres international für Empörung | Screenshot Die Stimmen gegen die diskriminierende Behandlung von Afrikanerinnen in China sind während des Coronavirus-Ausbruchs noch einmal lauter geworden, als Hunderte von in Guangzhou ansässigen Afrikanern aus Hotels und Wohnungen vertrieben wurden, nachdem die lokalen Behörden die Kampagne gestartet hatten, sie zwangsweise auf das Coronavirus zu testen. Ein Aushang in einem McDonald's-Restaurant in Guangzhou mit der Aussage „Schwarzen ist der Zutritt verboten“ sorgte Anfang des Jahres international für Empörung.

Alles in allem ist es also weder so, dass es in China keinen Rassismus gibt, noch dass er verharmlost wird. Die Tatsache, dass die jüngsten Entwicklungen im Westen in den chinesischen sozialen Medien in einem so anderen Licht diskutiert werden, hat viel mehr damit zu tun, in welcher Form antirassistische politische Haltungen in Europa und den USA sowie deren Einfluss auf Medien, Politik und Geschäftswelt von chinesischen Netizens zurückgewiesen werden.

Das bedeutet nicht, dass der Floyd-Mord in China als weniger erschreckend angesehen wird als anderswo in der Welt. Soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit sind wiederkehrende Themen in den chinesischen sozialen Medien, und zwar solche, die viele chinesische Internetnutzerinnen stark beschäftigen, so dass diese Art von Geschichten immer Top-Themen sind.

Allerdings werden der westliche Antirassismus-Diskurs und der Fokus auf Gleichheit und Angemessenheit in Bezug auf Sprache, bildliche Darstellungen und Verhalten von chinesischen Internetnutzern häufig als übertrieben angesehen („矫枉过正”) – beziehungsweise als nicht zielführend bei der Bekämpfung sozialer Ungleichheit.

Diese Reaktionen haben viel mit den aktuellen geopolitischen Entwicklungen und der Position Chinas innerhalb der internationalen Gemeinschaft zu tun, vor allem aber mit der Tatsache, dass China in Bezug auf (Anti-Schwarzen-)Rassismus verglichen mit den USA oder anderen westlichen Ländern einen völlig anderen historischen, kulturellen und gesellschaftlichen Hintergrund hat.

In einem längeren Artikel, den der chinesische Kommentator und Akademiker Guo Songmin (郭松民) Anfang Juli über die Black-Lives-Matter-Bewegung auf Weibo postete, erklärt der prominente linke Autor, dass dies auch viel mit der Tatsache zu tun habe, dass anders als die meisten westlichen Länder „China weder eine Geschichte der Sklaverei noch eine Geschichte der Kolonialisierung Afrikas hat“ und dass China gleichzeitig auch kein Land von Einwanderern sei.

Letztendlich gibt es die Meinung, dass man die jüngsten antirassistischen Initiativen amerikanischer und europäischer Unternehmen auf ihren Heimatmärkten schon nachvollziehen kann, aber man macht gleichzeitig deutlich, dass diese ihre politische Korrektheit dem chinesischen Markt nicht aufzwingen sollten.

In einem kürzlich veröffentlichten Weibo-Blog, der Ansichten aufgreift, die von vielen Weibo-Nutzern geteilt werden, wird argumentiert, dass die Darlie-Zahnpasta in China nach wie vor „Black Man Toothpaste“ heißen müsse und dass Kosmetikmarken weiterhin ihre „Whitening“-Produkte auf dem chinesischen Markt anbieten sollten. Nach Ansicht des Autors bedeuten diese Farben, Worte und Bilder in der VR China etwas anderes als im Westen. „Wenn europäische und amerikanische Kosmetikfirmen die kulturelle und ethnische Diversität auf dieser Welt wirklich respektieren“, so schreibt er: „dann sollten sie auch die Kultur und Ästhetik der Ostasiaten respektieren.“

Inwieweit sich die antirassistische Bewegung letztendlich auf den chinesischen Markt auswirken wird und wie – oder ob überhaupt – sich die bestehenden Ansichten über Rassismus verändern werden, bleibt abzuwarten. Unterdessen gehen die hitzigen Debatten in den sozialen Medien weiter. Für viele Weibo-Kommentatoren scheint die gegenwärtige Situation allerdings klar zu sein: „Political Correctness nach amerikanischem Vorbild macht hier einfach keinen Sinn“.

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