Rassismus in Deutschland  Ich bin kein Virus

Rassismus © Ehimetalor Akhere Unuabona

Unser Projekt www.ichbinkeinvirus.org wurde im Rahmen des Hackathons #wirvsvirus der deutschen Bundesregierung ins Leben gerufen, der vom 20. bis 22. März 2020 stattfand. Über 25 000 Menschen haben in Deutschland an mehr als 1500 Lösungen mit Bezug zur Corona-Krise gearbeitet. www.ichbinkeinvirus.org war das einzige Projekt, was sich mit Rassismus im Rahmen von Corona befasst hat.

Trigger-Warnung: Der nachfolgende Erfahrungsbericht kann dich an bereits erlebte, verletzende und belastende Situationen erinnern.
Bereits Wochen vorher haben ostasiatische / ostasiatisch gelesene Personen unter den Hashtags #jenesuispanvirus, #iamnotavirus, #ichbinkeinvirus ihre rassistischen Erfahrungen im Rahmen von Corona geteilt. Menschen wurden angefeindet, angespuckt, Restaurants beschmiert. Vor allem für Betroffene, die aus unterschiedlichen Gründen sich nicht öffentlich über ihre traumatischen Erlebnisse äußern möchten oder aufgrund schlechter Deutschkenntnisse nicht für eine Berichterstattung in Frage kommen, ist www.ichbinkeinvirus.org konzipiert worden. Betroffene können ihre rassistischen Erfahrungen anonym veröffentlichen und gleichzeitig nach empowernden Akteur*innen und Hilfsangeboten Ausschau halten.

Die eigentliche Vision

Alle Projekte im Rahmen von #wirvsvirus waren dafür angelegt, sie Open Source zur Verfügung zu stellen. Unsere Vision war es, die Plattform allen Ländern zur Verfügung stellen zu können, da der Corona-Rassismus sich in unterschiedlichen Regionen andere Sündenböcke aussucht. Leider wurde das Projekt im Rahmen des Hackathons zweifach abgelehnt. Bereits während des Hackathons wurde eine Jury kritisiert, die mit über 40 Mitglieder*innen zu 100% aus weißen Personen bestand und von Mentor*innen die Sinnhaftigkeit des Projekts angezweifelt wurde: Man wisse nicht, ob es noch Corona-spezifischen Rassismus gäbe oder das Projekt in das Programm passe.

Struktureller Rassismus

Der Hackathon #wirvsvirus ist ein Paradebeispiel dafür, dass ein blinder Fleck für mangelnde Diversität und strukturellen Rassismus existiert. Wenn nur weiße Menschen in Organisationsteams, Führungspositionen und Entscheidungsträger*innen sind, ist das System strukturell und inhärent rassistisch. Das bedeutet, dass marginalisierte Menschen strukturellen Mächten ausgesetzt sind. Sie werden in Bereichen wie Politik, Bildung, Arbeit und im Wohnungsmarkt benachteiligt. In einer weißen Mehrheitsgesellschaft in Deutschland werden wir alle in ein rassistisches System hineingeboren, das heißt auch wir Asiatisch-Deutsche produzieren und reproduzieren Rassismus. Umso mehr müssen wir Verantwortung übernehmen, aktiv sowohl auf persönlicher Ebene unsere eigenen internalisierten Rassismen entlernen, als auch auf struktureller Ebene den Status Quo herausfordern und bekämpfen. Jüngste Beispiele für institutionellen Rassismus zeigen die Ablehnung der Racial-Profiling-Studie innerhalb der Polizei von Innenminister Seehofer, obwohl schon 2016 Amnesty International Versäumnisse der Polizei aufgezeigt hatten. Ein anderer Vorfall mit einem koreanischen Pärchen hier in Berlin zeigt, dass es institutionell noch keine Veränderungen gibt – Polizist*innen als Sicherheitsbehörde, als Werkzeug unserer Demokratie – werden nicht genug rassismuskritisch geschult oder zur Verantwortung gezogen. People of Color und Schwarze Betroffene werden zu Täter*innen.
 
In und um den Diskurs Rassismus steckt Deutschland noch in den Kinderschuhen, denn um unsere bestehenden rassistischen Systeme hier zu durchbrechen, braucht es jede*n Einzelne*n von uns, sich regelmäßig mit dem Thema zu befassen und neue Strukturen zu gründen und aufzubauen.

Appell an alle Mitbürger*innen “Your personal is political”

Wir fordern, dass Rassismus in allen Formen und auf allen Ebenen ernst genommen wird, sowohl von weißen Deutschen als auch von Menschen mit Migrationsgeschichte. Wir fordern, dass mehr Menschen global aktiv werden, sich politisch und persönlich engagieren; die Strukturen und Gruppen in denen wir leben, arbeiten und aufwachsen hinterfragen und neu entwerfen, um wirklich inklusive, gerechtere Welten und Lebensrealitäten zu erschaffen. Wir fordern, dass Rassismus gegen Asiatische Deutsche ernst genommen wird und unsere Bedürfnisse gehört werden.
 
Hier sprechen wir nie für alle Asiatisch-Deutschen Gruppen noch Menschen und sind uns der Intersektionen und Multi-Perspektiven bewusst. Trotzdem organisieren wir uns nicht in einem Vakuum, sondern sprechen uns solidarisch mit anderen BIPOC* Organisationen und Vereinigungen aus, unterstützen daher auch beispielsweise Schülerpaten Deutschland e.v., Biwoc* Rising, Damn*, BAFNET, korientation, Each One Teach One, Sankofa e.V., Center for Intersectional Justice, Wayv Run Kollektiv, Rice and Shine, DIASPOR.ASIA Podcast, Halbe Katoffl Podcast und viele mehr.

Literaturempfehlungen + Organisationen zum Folgen und Empowern

Toni Morrison – The Source of Self Regard, Playing in the Dark
Audre Lorde – Your Silence Will Not Protect You
Yuri Kochiyama + Angela Davis – Mountains That Take Wing
Angela Davis – Woman Race Class 
Tupoka Ogette – Exit Racism
Adrienne Maree Brown – Emergent Strategy
Keeanga-Yamahtta Taylor – How We Get Free (Black Feminism and the Combahee River Collective)
Noah Sow – Deutschland Schwarz Weiß
James Baldwin – Native Son

https://schuelerpaten-deutschland.de/ 
https://biwoc-rising.org/
https://damn-tv.tumblr.com/
http://www.berlinasianfilm.net/
https://www.korientation.de/ 
https://www.eoto-archiv.de/
https://www.intersectionaljustice.org/
https://riceandshine.podigee.io/
https://diasporasia.podigee.io/
https://halbekatoffl.de/
 

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