Wir fördern einen kritischen Diskurs über die Auswirkungen des Kolonialismus und die Vorstellung von einer postkolonialen Welt. In dieser Rubrik finden Sie Beiträge über Dekolonisierung, kulturelles Erbe, Identität, Erinnerung und die Restitution von Raubkunst.
Perspektiven für ein Zusammenleben in Vielfalt aufzuzeigen – diesen Anspruch haben sich die Macher*innen des interdisziplinären fluctoplasma-Festivals, das im vergangenen Oktober in Hamburg zum dritten Mal stattfand, selbst auf die Fahnen geschrieben. Im Gespräch berichten die Projektleiterin Nina Reiprich und der künstlerische Leiter Dan Thy Nguyen von den Lehren, die sie aus ihrer Arbeit ziehen, ihrem Verhältnis zum Optimismus und dem status quo der politischen Bildung in Deutschland.
Wie haben afrikanische Nationen zur Demokratisierung des internationalen Sports beigetragen und im Ringen um Freiheit und Gleichberechtigung gegen Ausgrenzung gekämpft? Der kenianische Autor Oyunga Pala zeichnet die Einführung und Entwicklung des Sports als Katalysator für die Demokratie in Afrika nach.
„A Gathering In A Better World“ möchte ein weltweites Netzwerk für Künstler*innen mit Behinderungen im Tanz schaffen, für die es nach wie vor kaum Strukturen oder Angebote gibt. Ein Interview mit Calvin Ratladi über die Kuration der Johannesburger Ausgabe des Projekts.
Der Versuch, in den USA eine allgemeine Bezeichnung zu finden für Menschen aus Lateinamerika, wird sowohl von staatlichen Institutionen als auch Bürgerinitiativen kontrovers aufgenommen. Dennoch eröffnet er eine wichtige Debatte über Identität und Sichtbarkeit ganzer Bevölkerungsgruppen.
Für den brasilianischen Dramatiker, Schauspieler und Regisseur Aldri Anunciação gibt es eine thematische Basis aller Schwarzen Kulturen weltweit. Dies zeige sich beispielsweise in der Literatur, im Theater und im Film.
Seit die Corona-Pandemie die Entwicklung digitaler Austauschformate beschleunigte, telefoniert unsere Autorin jeden Sonntag mit ihrem Vater. In Zeiten, in denen die alte Normalität aus den Angeln gehoben wurde, ist plötzlich Raum für dichte Erinnerungen.
Junge Rapper*innen indigener Herkunft fassen Fuß in der Musikszene Brasiliens und schaffen sich eine Fan-Basis. Sie betonen die eigene Herkunft und prangern Gewalt auch in ihren eigenen Gemeinschaften an.
Die Elfenbeinküste ist berühmt für ihren Kakao, der seit der Kolonialzeit zu niedrigsten Preisen verkauft wird. Der Anbau und die Verarbeitung von Bio-Kakao könnte Bauern dabei den Weg aus der Armut und Abhängigkeit zeigen, wie die Genossenschaft im Dorf M’Brimbo und die Initiative des ivorischen Schokoladenherstellers Axel Emmanuel Gbaou beweisen.
Brot ist ein zentraler Bestandteil der meisten tunesischen Gerichte und noch immer ein starkes kulturelles, spirituelles und politisches Symbol des Landes. Dennoch ist der Fortbestand dieses beliebten Nahrungsmittels gefährdet. Die tunesische Regierung schafft es nicht, Nahrungsmittelsouveränität zur politischen Priorität zu machen, und drängt damit die Brotindustrie an den Rand des Ruins, konstatiert die tunesische Autorin Yasmin Houamed.
Dank des gemeinsamen Engagements von Kulturaktivist*innen, Wissenschaftler*innen und politischen Führungskräften konnte eine visionäre Idee zur Modernisierung der musealen Praxis in Afrika in die Tat umgesetzt werden. Ruby Ofori zum Start des ersten digitalen Museums in Afrika.
Weltweit gibt es Tausende von Sprachen. Doch viele von ihnen sind vom Aussterben bedroht, weil die Zahl ihrer aktiven Sprecher*innen rückläufig ist. Welchen Anteil haben Faktoren wie Kolonialismus noch heute an der Bedrohung von Sprachen in Afrika und aller Welt?
Wie kann der kulturellen Andersheit afrikanischer Kunst- und Kulturpraktiken Raum zur Entfaltung gegeben werden, ohne sie gleichzeitig westlich zu überfremden? Die Philosophin Michaela Ott plädiert für eine Kooperation zwischen Gleichrangigen, sodass neue ästhetische Teilhabeweisen entstehen.
Die sambische Autorin Natasha Omokhodion spricht über ihr Heimatland und die Vielfalt seines Erbes, seiner Bewegungen und seiner Meinungen. Und dass wir unser Schicksal und unsere Zukunft selbst in der Hand haben.
Von einem atmosphärischen Kolonialismus ist inzwischen die Rede, wenn sich das rücksichtslose Verhalten der Industrieländer im globalen Norden negativ auf die Lebensbedingungen auch im globalen Süden auswirkt. Elisabeth Wellershaus fragt sich, ob diese „Durststecke“ bald ein Ende haben wird.
Verstehen Europäer*innen die Komplexität oder ethnische Zusammensetzung des afrikanischen Kontinents wirklich? Der Tanzanthropologe Adebayo Adeniyi hinterfragt die eurozentrische Darstellung der Geschichte des Tanzes und erhebt Einspruch gegen den Begriff „afrikanischer Tanz“ .
In der Tierwelt gibt es keine guten oder schlechten Eltern und doch hat sich in der deutschen Sprache der Begriff der „Rabenmutter“ festgesetzt, der Frauen als schlechte Mütter brandmarkt. Elisabeth Wellershaus durchleuchtet Sprachbilder, in denen Eltern symbolisch für ein eurozentrisches Denken stehen.
Erst kürzlich sorgte die Aussage des argentinischen Präsidenten Alberto Fernández auf nationaler und internationaler Ebene für Entrüstung, die Argentinier seien alle mit Schiffen aus Europa angereist, während die Mexikaner von den Indianern abstammten und die Brasilianer aus dem Dschungel kämen. Damit wiederholte er ein altes Klischee, wie Ezequiel Adamovsky erläutert.
In allen Kunstformen – ob Musik, Theater, Literatur, bildende Kunst, Film oder Fotografie – lässt sich eine Ästhetik des Dekolonialen finden, die Grit Köppen auch als Ästhetik des Aufruhrs bezeichnet. Und das trifft nicht nur auf Kunstproduktionen des 20. Jahrhunderts zu, wie die Autorin anhand von Beispielen zeigt.
Inwieweit kann Kunst den politischen Diskurs in der Gesellschaft verändern oder beeinflussen? Die südafrikanische Künstlerin und Kuratorin Molemo Moiloa berichtet, wie Künstler*innen in Afrika in Vergangenheit und Gegenwart schädliche Machtbeziehungen hinterfrag(t)en.
Dank eines gesteigerten postkolonialen Bewusstseins muss sich die westliche Philosophie heute der Frage stellen, inwieweit sie epistemologisch zu einer Unterdrückung des globalen Südens und zu einer Diskriminierung oder sogar Versklavung seiner Bevölkerung beigetragen hat.
Das Foto einer Schwarzen Frau an der Küchenwand der weißen brasilianischen Großmutter der Autorin Alma Kaiser wirft viele Fragen auf. Ihre Großmutter nennt die Frau ihre „mãe preta“. Doch wer war sie wirklich?
Was hat die heutige Polizeiarbeit mit Praktiken zu tun, die in den Kolonialstaaten eingesetzt wurden? Tanzil Chowdhury erklärt den „kolonialen Bumerang“ – ein Konzept, das beschreibt, wie beispielsweise in den Kolonien angewendete Formen von Gewalt in die kolonisierenden Gesellschaften zurücktransportiert wurden.
Schifffahrt auf den Weltmeeren hat eine lange Tradition in Hamburg. In keiner deutschen Stadt sind deshalb so viele Orte und Straßen nach kolonialen Akteuren benannt. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
In diesem Essay untersucht Idalia Sautto die Bedeutung von Denkmälern im Laufe der mexikanischen Geschichte und warum wir sie brauchen, um weiterzuleben. Sie sollten als Teil der Gemeinschaft akzeptiert werden und nicht als Zeugnisse vergangener Zeiten erhalten bleiben, die keine Bezüge zur Gegenwart haben.
Mexiko-Stadt fügt sich in sein Schicksal: Es akzeptiert die unweigerlichen Veränderungen und damit auch eine Ruine, die unter neuem Namen wieder aufgebaut wird. In persönlich-essayistischem Ton beschreibt Idalia Sautto die allmähliche Verwandlung der Kirche von San Hipólito und sinnt darüber nach, wie an einem einzelnen Ort verschiedene Seiten der Geschichte aufeinanderprallen können.
„Wir dürfen vor der Vergangenheit nicht die Augen verschließen“, fordert die in Simbabwe geborene und in Südafrika aufgewachsene Schriftstellerin Panashe Chigumadzi in ihrem Essay über den Umgang der Deutschen mit deren Geschichte.
Ohne die Nachkommen miteinzubeziehen, handelten die deutsche und die namibische Regierung ein Aussöhnungsabkommen zum Völkermord an den Ovaherero und Nama aus, den deutsche Kolonialtruppen Anfang des 20. Jahrhunderts verübten. Ngondi Kamatuka analysiert die Versäumnisse des Abkommens.
Im Juni 2021 gaben die deutsche und die namibische Regierung ihre Erklärung zur Aufarbeitung der Kolonialverbrechen im heutigen Namibia bekannt. Dort ist jedoch nur die Rede von Völkermord „aus heutiger Perspektive“. Versucht die Bundesregierung, sich durch eine spezifische Auslegung des Rechts aus der Verantwortung zu stehlen, fragen Karina Theurer und Sarah Imani.
Zwischen 1904 und 1908 ermordeten die Kolonialtruppen des Deutschen Reichs Zehntausende Ovaherero und Nama im heutigen Namibia. Der Politologe und Afrikanist Henning Melber spricht im Interview über Versäumnisse bei den Verhandlungen und die Vergangenheitsbewältigung der Kolonialmächte.
Der Generalintendant des Humboldt Forums in Berlin Hartmut Dorgerloh war zu Gast bei der Ausstellungseröffnung „L’inarchiviabile“ im Kunstraum Goethe in Rom. Dort sprach er über das Humboldt Forum, die Aufarbeitung des Kolonialismus in Europa, die Restitution von Raubgut und den dringend nötigen Perspektivenwechsel in der Kultur.
Denkmäler im öffentlichen Raum in Brasilien befördern hartnäckig das Bild eines durch weiße Siedler geprägten patriarchalen, rassistischen Landes, in dem Frauen und indigene Bevölkerungsgruppen nicht vorkommen, konstatiert Ana Paula Orlandi.
Der brasilianische Anthropologe Luiz Mott ist eine Symbolfigur der Geschichte des Kampfes um die Bürger*innenrechte der queeren Bevölkerung in Lateinamerika. In seinen Forschungen stellt er fest, dass die Verfolgung aus sexuellen Motiven mit dem Beginn der Kolonisierung des Kontinents zusammenfällt.
Das Humboldt Forum definiert sich selbst als einen „Ort, der Unterschiede verbindet“ und sich in seiner Programmarbeit intensiv mit den Themen des Kolonialismus auseinandersetzen will. Der Historiker und Genozid‑Experte Jürgen Zimmerer bezieht Stellung zu Europas wahrscheinlich umstrittenstem Museum.
Sie könnte überall passieren. Im postkolonialen Nairobi erhält sie aber ihre ganz eigene Würze: eine Geschichte über Verrat, Rache und eine Frau in der Identitätskrise.
Gewalt gegen die schwarze Bevölkerung gehört in den Großstädten des heutigen Brasiliens zum Alltag. Die Brutalität verschont nicht einmal Kinder und Jugendliche. Eine Kurzgeschichte von Cidinha da Silva.
Schwerste Menschenrechtsverletzungen sind in Kolumbien auch nach der Unabhängigkeit furchtbare Realität. Über den „Streifen“ jedoch schweigt die Öffentlichkeit.
Ein Mann nimmt sich eine zweite Frau und schiebt seine erste an die Peripherie. Eine Geschichte über Aberglaube, Rache, Fetische und Flüche im postkolonialen Nigeria.
Die Verflechtungen der vorkolonialen, kolonialen und postkolonialen Geschichte Afrikas erhellt ein neues Sachbuch über den Schwarzen Kontinent. Dessen Verfasser Helmut Bley plädiert dafür, Afrika in seiner Vielfalt zu betrachten.
Deutschland wird immer wieder als Modellbeispiel für eine erfolgreiche Vergangenheitsaufarbeitung gesehen. Doch anstatt nur das heutige Ergebnis zu betrachten, ist es viel lehrreicher, den langwierigen Prozess zu verstehen, der zur aktuellen Situation geführt hat, schreibt Jenny Wüstenberg.
Heinrich Barths Entdeckungen waren ein Schlag ins Gesicht zeitgenössischer europäischer Vorstellungen, das vorkoloniale Afrika sei ein Kontinent ohne Staat, Schrift und Geschichte, schreibt Achim von Oppen.
Fünf Jahrhunderte lang haben fünf Verben die Entwicklung des Kapitalismus und die Kolonialität der Macht in der Welt definiert. Und ein sechstes ist auf dem Weg, wie Rodrigo Montoya Rojas erklärt.
Wie prägen Denkmäler die Erinnerungskultur? Wie können sie zu Orten der Teilhabe werden? Das Projekt „Gestaltung der Vergangenheit“ des Goethe-Instituts, des Monument Lab und der Bundeszentrale für politische Bildung bringt Initiativen aus Nordamerika und Deutschland zusammen.
Deutschland und die Deutschen haben während des Nationalsozialismus bis dahin ungesehenes Leid über die Welt gebracht. Der Umgang mit dieser rassistischen Vergangenheit gilt als beispielhaft für eine gelungene Aufarbeitung. Doch entspricht das wirklich der Realität? Sozialwissenschaftlerin Anna Delius über den Umgang mit Nationalsozialismus und Holocaust in den beiden deutschen Gesellschaften nach 1945.
Die Bezeichnung „Subsahara-Afrika“ für den gesamten afrikanischen Kontinent, mit Ausnahme des vorwiegend arabisch geprägten Nordens, entbehrt Herbert Ekwe-Ekwe zufolge nicht nur jeglicher geografischen Grundlage, sie hat zudem auch den Beigeschmack einer stereotypen rassistischen Zuordnung.
In Spanien gibt es immer mehr Kunst- und Forschungsprojekte, die gegen den kolonialen Gedächtnisverlust ankämpfen. Sie werden jedoch kaum wahrgenommen und der fehlende politische Wille zur Aufarbeitung ist eine nur schwer zu durchbrechende Mauer.
Achille Mbembe ist Antisemitismus vorgeworfen worden. Die anschließende Debatte wirft grundlegende Fragen über die Erinnerungskultur und Meinungsfreiheit auf. Ein Artikel von Michael Rothberg.
Wenn sie erzählt, dass sie die skandinavische Kolonialgeschichte erforscht, erntet sie oft Unverständnis: Lill-Ann Körber von der Aarhus Universität in Dänemark über verdrängte Tatsachen.
Iltisstrasse, Berlin-Dahlem: Wer denkt da nicht an das kleine einheimische Raubtier aus der Familie der Marder, das hier bei der Benennung Pate gestanden haben mag? Doch das war keineswegs der Fall – der Straßenname erinnert bis heute an ein Kapitel deutscher Kolonialgeschichte.
Was gilt als musikalisches Erbe? Wie kann es hörbar gemacht werden? Das Ausstellungsprojekt „Mirath:Music“ lädt Musikschaffende aus Westasien, Nordost- und Nordafrika ein, die Traditionen ihrer Region zu erkunden. Die libanesische Autorin Rayya Badran wirft einen genaueren Blick auf die Musikgeschichte der Region sowie auf die produzierten Musikstücke, die von vergangenen Kämpfen zeugen.
Im September 2021 entschied die Stadtverwaltung von Mexiko-Stadt, ein Kolumbus-Denkmal gegen die Statue einer Indigenen Frau auszutauschen, um dadurch die Vergangenheit des Landes weiter zu dekolonisieren. Der Archäologe Daniel Salinas erklärt, warum der Einsatz von historischen Artefakten aus präkolumbianischen Zeiten nicht ausreicht, um eine Dekolonisation des mexikanischen Staats sicherzustellen.
Die ersten Rückgaben menschlicher Überreste aus ethnologischen Sammlungen in deutschen Museen zeigen eine große Veränderungsbereitschaft mit Blick auf menschliche Überreste aus kolonialen Kontexten, erläutet Provenienzforscher Ilja Labischinski.
In Museen befinden sich zahlreiche Objekte, die während der Kolonialzeit geraubt wurden. Viele lagern in Archiven, einige könnten für die Herkunftsgesellschaften traumatisierend oder erniedrigend sein. Wie können Museen ihre Arbeit dekolonisieren? Léontine Meijer-van Mensch spricht über mögliche Lösungsansätze.
Eine Auseinandersetzung zwischen Brasilien und Deutschland um ein seltenes Dinosaurier-Fossil schürt Diskussionen um kolonialistische Praktiken in der Wissenschaft. Derweil ruht die wissenschaftliche Forschung über das Tier, berichtet Juliana Vaz.
Der Kampf der mexikanischen Regierung um nationale Kulturgüter zeigt Wirkung: Mehr als 5.000 Altertümer konnten in den vergangenen Jahren aus dem Ausland wiederbeschafft werden. Viele davon sind jetzt erstmals öffentlich in Mexiko‑Stadt zu sehen – wenngleich die Ausstellung nicht ohne Kontroversen zustande kam, wie Daniel Salinas Córdova berichtet.
Die deutsche Regierung hat ihre „grundsätzliche Bereitschaft zu substanziellen Rückgaben von Benin‑Bronzen“ zum Ausdruck gebracht, aber der Weg zur Restitution ist kein leichter. Oluwatoyin Zainab Sogbesan über Besitzrechtsfragen und die Bedeutung der Benin-Bronzen für die nigerianische Identität.
Benin-Bronzen werden in Museen in aller Welt ausgestellt, doch die größte Sammlung befindet sich im British Museum. Barnaby Phillips prüft, welchen Einfluss die Regierung auf die Möglichkeiten der Rückgabe britischer Museen hat.
Im Zuge der Debatte um die Restitution von Kunstwerken afrikanischen Ursprungs durch europäische Museen an ihre rechtmäßigen Eigentümer regt Christian Greco, Direktor des Ägyptischen Museums in Turin, dazu an, das Thema aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Die Restitution materieller Objekte an ihre Herkunftsländer ist unter europäischen Ländern und ihren ehemaligen Kolonien ein sensibles Thema. Im Fall von Dänemark und Grönland wurden bereits Tausende von Objekten zurückgegeben. Und trotzdem: Impliziert Restitution wirklich nichts als die physische Rückgabe eines Objekts, fragt Magdalena Zolkos.
Freda Nkirote vom British Institute in Eastern Africa wirft einen kritischen Blick auf das mühsame Hin und Her der Restitution von Kulturobjekten aus Afrika und fordert einen Paradigmenwechsel in der Debatte.
Die Forderungen nach der Rückgabe illegal erworbener Objekte aus kolonialen Kontexten an die Herkunftsgesellschaften werden immer lauter. George Gachara schlägt Alternativen zu den scheinbar endlosen Verhandlungen vor.
Die Diskrepanz zwischen der Debatte über Restitution und der tatsächlichen Umsetzung der verabschiedeten Beschlüsse - aus Sicht von Flower Manase, Kuratorin am tansanischen Nationalmuseum.
Es gibt zurzeit rege Debatten über die Rückgabe von Kulturobjekten aus kolonialen Kontexten an die Urhebergesellschaften. Dabei entstehen sowohl plausible Lösungsansätze als auch neue, noch komplexere Fragen, so Uta Werlich, Direktorin des Museums Fünf Kontinente in Müchen.
Die renommierte Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy ist Expertin für gewaltsame Aneignung von Kulturgütern durch Kriege und Kolonialismus, ein Forschungsgebiet, das in Europa alle betrifft. Dieser historische Moment ist eine Chance für Museen und ihre Besucher*innen.
„Invisible Inventories“, eine vom Goethe-Institut koordinierte Ausstellungsreihe, basiert auf einem Forschungsprojekt zur Erfassung kenianischer Kulturgüter in Museen der westlichen Welt. George Juma Ondeng’ vom kenianischen Nationalmuseum spricht über fundierte Provenienzforschung und die emotionsgeladene Restitutionsdebatte.
Die Ausstellungsserie „Invisible Inventories“ zeigt die Ergebnisse eines internationalen Forschungsprojekts zur Erfassung kenianischer Kunstobjekte in Museen in Europa und Nordamerika. Kurz vor der digitalen Ausstellungseröffnung sprechen Clara Himmelheber vom Rautenstrauch-Joest-Museum und Frauke Gathof vom Weltkulturen Museum über die Arbeit an der Etablierung einer gleichberechtigten Beziehung.
Welche Rolle spielt Konservierung im postkolonialen Museum? Bietet sie Raum für kulturellen Dialog oder schreibt sie koloniale Gewalt fort? Gedanken von Noémie Etienne zu Spuren, Fäden und Zerbrechlichkeit.
Wichtige Positionen in brasilianischen Kunstinstitutionen sind oft nach einem festen Schema besetzt: männlich, Oberschicht, weiß. Das wirkt sich auf die Sammlungen und Programme aus, afrobrasilianische und indigene Positionen sind unterrepräsentiert. Doch eine Öffnung zu mehr Diversität zeichnet sich ab, konstatiert Anna Azevedo.
Das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste unterstützt dabei, die Herkunft und den Verbleib von unrechtmäßig entwendeten Kunstwerken zu ermitteln. Im Mittelpunkt stehen im Nationalsozialismus geraubte Objekte aus jüdischem Besitz, aber zunehmend auch Sammlungsbestände aus der Kolonialzeit, erläutert die Leiterin des neuen Fachbereichs Dr. Larissa Förster.
Mehr als 200 Objekte aus Kamerun haben zwischen 1893 und 1896 ihren Weg in die Ausstellungsräume und das Magazin des einstigen Völkerkundemuseums in München gefunden. Wo kommen sie her, was ist oder war ihr Zweck? Diesen Fragen widmet sich ein Forschungsprojekt im Museum Fünf Kontinente München.
Während der Kolonialzeit des Deutschen Kaiserreichs gelangten durch Max von Stetten mehr als 200 Objekte aus Kamerun nach München. Welche Lücken diese Abwesenheit in dem Herkunftsland hinterlassen haben, wird im Rahmen eines Forschungsprojekts untersucht.
In Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen und Herkunftsgemeinschaften in Kamerun erforscht das Museum Fünf Kontinente in München seine kolonialzeitliche Sammlung.
Gemeinsam mit den Herkunftsgesellschaften erforschen zurzeit mehrere ethnologische Museen in Deutschland ihre kolonialzeitlichen Sammlungen. In München vertritt Germanist Albert Gouaffo die Interessen Kameruns.
Die Rückgabe von menschlichen Überresten und Kulturgütern aus westlichen Museen an die Herkunftsgemeinschaften kann nicht getrennt behandelt werden, sagt Geschichtsprofessor Ciraj Rassool. Mit „Latitude“ sprach er über eine neue Ethik für Museen.
Wo ist der (de-)koloniale Film? Was sagen Aufbewahrung und Zugang über globale Strukturen aus? Eine interaktive Karte zu (de-)kolonialen Archiven, die kollektive Mitwirkung braucht, um ein Werkzeug der internationalen Vernetzung und Bildungsarbeit zu werden.
Wie viele Schwarze Autorinnen haben Sie schon gelesen? Diese Frage ist eher als Einladung der Mulheres Negras na Biblioteca zu verstehen. Die „Schwarzen Frauen in der Bibliothek“ um Carine Souza verbreiten Literatur brasilianischer Schriftstellerinnen, die historisch nicht sichtbar sind.
Was wir für die Weltgeschichte halten, ist immer noch von weißen Männern dominiert. Diese Dominanz baut nicht nur auf der Auswahl stilisierter, angeblich epochemachender Figuren auf, sondern auch auf den Perspektiven und Identitäten jener, die sie erzählen. Ein Gespräch mit der Autorin Sharon Dodua Otoo.
Bei Übersetzungen sind historische, geografische, politische und soziale Kontexte zu bedenken. Die Literaturwissenschaftlerinnen und Herausgeberinnen der Plattform poco.lit., Lucy Gasser und Anna von Rath, beschäftigen sich mit den Sprachen Deutsch und Englisch und thematisieren zehn schwierig zu übersetzende Begriffe in Bezug auf Race.
Black, Indigenous and People of Colour (BIPoC)-Kinder und ihre Gesellschaften werden systematisch als lächerlich, komisch, barbarisch, naiv oder unmoralisch dargestellt, der Natur näher als der Kultur, als Wesen, die auf weißes Wissen und weißes Wohlwollen angewiesen sind, schreibt Maisha M. Auma.
Das in Angola seit der Kolonialzeit gesprochene Portugiesisch ist bis heute stark von schwarzafrikanischen Einflüssen geprägt, die Teil der Erfahrungen der Bantu sind und nur in den Nationalsprachen Angolas existieren. José Luís Mendonça über „Portungolano“ und dessen Widerhall auf die portugiesische Sprache.
Warum gibt es zwei Begriffe für Menschen, die ihr Heimatland verlassen, um woanders zu leben und zu arbeiten? Die Konnotationen der Begriffe „Expat“ und „Immigrant*in“ verraten die kolonialen Machtstrukturen, die die heutige Migration prägen.
In Algerien gibt es eine offizielle Sprache: Arabisch. Doch Französisch ist aus dem Alltag nicht wegzudenken und auch Tamazight, eine Berbersprache, wird in der Verfassung als Landes- und Amtssprache bezeichnet. Der Journalist Nourredine Bessadi wirft einen Blick auf die emotional geführte Diskussion um Algeriens offizielle Sprachen.
Schwarz zu sein sollte heute im multikulturellen Deutschland eigentlich zur Normalität gehören. Und doch kämpfen viele Menschen noch immer mit Alltagsdiskriminierung und teils sogar mit offen ausgetragenem Rassismus. Diese Geschichten finden immer mehr Einzug in die deutsche Literatur.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Migrationsbewegung von Peruaner*innen nach Deutschland und den postkolonialen Strukturen in Peru? Die Autorin und Künstlerin Helga Elsner Torres fragt sich, was ihren deutschen Urgroßvater Otto Elsner dazu bewogen hat, in den 1920er Jahren nach Peru auszuwandern, und begibt sich auf eine sehr persönliche Entdeckungsreise.
Die in sechs Jahren Arbeit entstandene „Enciclopédia Negra“ versucht mit individuellen und kollektiven Einträgen Lebensgeschichten von mehr als 550 Schwarzen Persönlichkeiten in Brasilien aus dem 16. bis 21. Jahrhundert sichtbar zu machen.
Die Lehrer*innen-Ausbildung in der Kunstvermittlung an deutschen Hochschulen steckt in einem Dilemma: Der Unterricht ist selten divers und kaum von außereuropäischen Perspektiven geprägt. Ein Interview mit dem Leiter des Projekts „Exploring Visual Cultures“ Prof. Dr. Ernst Wagner von der Akademie der Bildenden Künste München.
Die Geschichte Perus ist geprägt vom Diskurs der Mestifizierung und von gelebtem Rassismus, konstatiert der peruanische Essayist und Literaturkritiker Marcel Velázquez Castro.
Es war eine Premiere, Afroamerikaner*innen in einer der angesehensten Zeitschriften der USA zu zeigen – zu einer Zeit, als dort noch die Rassentrennung existierte. Geliefert hatte die Illustrationen Miguel Covarrubias.
Filmemacher Inadelso Cossa erklärt, wie sein Dokumentarfilm „Uma memória em três atos“ (Eine Erinnerung in drei Akten) sich mit Bildern und Stimmen der Vergangenheit und Gegenwart auseinandersetzt – und eröffnet dabei Wege der Versöhnung.
Wie stark indigene Völker die heutigen Essgewohnheiten Brasiliens geprägt haben, wird vollkommen negiert, beklagt der Soziologe Carlos Alberto Dória, einer der bedeutendsten Kenner der brasilianischen Kochkunst.
Im Kampf gegen den finsteren, den Geschichtsbüchern entsprungenen Spuk ringt Brasilien ums Überleben. Sterben wird es aber nicht, meint Cláudio do Couto und begibt sich auf die Suche nach der brasilianischen Identität.
Schwarze deutsche Literatur hat eine lange Geschichte und große Bandbreite – sie reicht von Poesie und Autobiografien bis hin zu akademischen und aktivistischen Schriften. Doch bis heute sind schwarze deutsche Autor*innen, vor allem in der Belletristik, weniger sichtbar, schreibt Philipp Khabo Koepsell.
Von Filmschaffenden zumeist als mythischer und exotischer Raum dargestellt, zeigt sich Amazonien inzwischen auf der Leinwand auch als ein Ort pluraler indigener Identitäten und als kulturell vielfältige Region – insbesondere in lokalen Produktionen. Ein Bericht von Camila Gonzatto.
Die wechselseitige Beziehung zwischen Landschaft und Identität erfordert eine kritische Neubetrachtung des überkommenen Landschaftsgenres in Kunst und Fotografie. Die namibische Künstlerin Nicola Brandt fordert einen verständnisvollen Landschaftsbegriff.
Sind Schwarze Menschen in Brasilien tatsächlich frei? Historikerin Luciana Brito wirft einen Blick auf die Folgen der Sklaverei, die bis heute Spuren in der brasilianischen Gesellschaft hinterlassen haben. Es zeigt sich: Der Kampf um Freiheit für alle ist noch nicht vorbei.
Inmitten der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine treten wie selten zuvor rassistische Relativierungen und Stereotypisierungen offen zutage. Ein Grund dafür ist eine fehlende Diversität in der Medienlandschaft, sagt die Journalistin Sham Jaff.
Wie frei sind wir, zu reisen, wohin wir wollen? Diese Frage stellt sich die nigerianische Autorin Chika Unigwe und muss der bitteren Wahrheit ins Gesicht sehen, dass Reisefreiheit nicht für alle gilt. Sie hängt davon ab, welchen Pass man hat.
Mit der Sendung „Die beste Instanz“ reagierte Enissa Amani auf die umstrittene Sendung „Die letzte Instanz“ des WDR und schaffte damit einen Raum für eine Diskussion über Rassismus mit den Menschen, die es täglich betrifft. Was es noch braucht, um die Medienlandschaft in Deutschland diverser zu gestalten, beantwortet sie uns in dem Interview.
Indem sie vorhandene Erzählräume betreten und neue schaffen, schreiben Afrikaner*innen die Darstellungen in den Geschichtsbüchern um, die sie seit vielen Generationen in den Schulen vorfinden – und werden so von Objekten zu Subjekten ihrer Erzählungen. Nobantu Modise, Gründerin der Onlineplattform „Afrophilia“, spricht über ihre Mission, durch digitales Geschichtenerzählen die Handlungsmacht zurückzugewinnen.
Das Panafrikanische Freihandelsabkommens AfCFTA soll insbesondere den Kreativen des Kontinents zugutekommen. Adwoa Ankoma, Beraterin für Recht und Public Policy, erläutert die Chancen eines eigenen Binnenmarktes für Afrika.
Die Berichterstattung über den globalen Süden wird regelmäßig für Einstellungen kritisiert, die eher in die Kolonialzeit als in die heutige Welt passen. Begriffe wie „Dritte Welt“ oder „Entwicklungsland“ deuten auf Vorurteile hin. Patrick Gathara stellt diese Praktiken in einer Reihe von Cartoons vor.
Die außerhalb der westlichen Achse betriebene Philosophie bleibt oft unsichtbar, sofern sie nicht ohnehin als exotisch betrachtet oder gering geschätzt wird. Die vom Brasilianer Wanderson Flor geschaffene Website „Filosofia Africana“ versucht dies zu ändern.
Immer noch gibt es in der Sprache Begriffe, die aus tief verwurzelten rassistisch-kolonialen und diskriminierenden Strukturen unserer Gesellschaft stammen. Wie können verletzbare Minderheiten eine Stimme bekommen? Der Journalist und Buchautor Mohamed Amjahid setzt sich aus einer Alltagsperspektive mit der Dekolonisierung der deutschen Sprache auseinander.
Es gibt in der Enzyklopädie „Wikipedia“ mehr Inhalte über Frankreich als über alle afrikanischen Staaten zusammen. Die Initiative WikiAfrica Education möchte dem entgegenwirken. Adama Sanneh, Mitbegründer und CEO der Moleskine Foundation, die diese Initiative organisiert, spricht darüber, wie wichtig es ist, Onlinedatenbanken und den globalen Diskurs um afrikanische Sprachen und Geschichte zu ergänzen.
Hinter dem Begriff Humanismus steckt mehr als nur Menschlichkeit. Denn, wie Philosophin Michaela Ott schreibt, definierte Kolonialismus lange Zeit, wer als Person betrachtet wurde und wer nicht, und was für einen veränderten, inklusiveren Begriff spricht.
Zu wenig Journalist*innen mit Migrationshintergrund oder aus benachteiligten sozialen Gruppen: Wie schafft man es, die gesellschaftliche Vielfalt auch personell in den Redaktionen abzubilden?
Die international renommierte Ethnologin Carola Lentz ist seit Mitte November 2020 Präsidentin des Goethe-Instituts. Sie spricht mit „Zeitgeister“ über ihre Auseinandersetzung mit zentralen Themen des globalen Diskurses und die Rolle der Bildungs- und Kulturarbeit in einer globalisierten Welt.
In vielen afrikanischen Staaten sind die Umbrüche und die Krisenanfälligkeit häufig auch auf das koloniale Erbe zurückzuführen. Richard Ali benennt in seiner kritischen Analyse der Lage in Nigeria weitere Ursachen und liefert Lösungsansätze.
Inwieweit stellt die externe Abhängigkeit von den ehemaligen imperialen Mächten eine Herausforderung für die Demokratie dar? Nicolás Lynch Gamero beleuchtet die Situation in Lateinamerika.
Dank aufkommender Technologien können die Länder des globalen Südens ihren Wandel und ihr Wachstum exponentiell beschleunigen. So vielfältig wie das Potenzial sind jedoch auch die Grenzen dieser Technologien. Warum das so ist, erläutert Nanjira Sambuli.
Der westliche Imperialismus unterteilt die Welt bis heute in den globalen Norden und globalen Süden. Der Äquator als Breitengrad 0° benötigt dringend eine kritische Neubewertung, fordert die kenianische Performancewissenschaftlerin Mshaï Mwangola.
Das Internet ist geprägt von Machtstrukturen. Der digitale Kolonialismus zeigt, wie sich etablierte Hierarchien auch im weltweiten Netz verfestigen. Doch bei Aktivist*innen und Künstler*innen wächst der Widerstand, stellt Ina Holev fest.
Der zunehmenden „Einigelung“ setzt der postkoloniale Theoretiker Achille Mbembe eine Ethik „des Weges, der Zirkulation und der Verwandlung“ entgegen und bringt frischen Wind in den immer penetranteren Muff der nationalen Räume.
Der kamerunische Philosoph Achille Mbembe spricht über Ausländerfeindlichkeit, Nationalismus, die Position des Fremden, die Gefahr einer „Einheitskultur“ sowie über Artikulationsräume für Differenz.
„Nicht alles Gute muss unbedingt aus dem Westen kommen“: Die Künstlerin Ndidi Dike über die Chancen, die der afrikanische Kontinent bietet – und warum wir uns stärker mit Produktionsbedingungen auseinandersetzen sollten.