„Eine Erinnerung in drei Akten“ Die Geister des Kolonialismus

Kolonialgeschichte – Dieser Screenshotausschnitt aus dem Film „A Memory in Three Acts“ erfasst die verlassenen Überreste des Innenraums von Vila Algarve in Maputo, Mosambik.
Screenshot aus dem Film „Uma memória em três atos“ | Foto (Detail): © Inadelso Cossa

​Filmemacher Inadelso Cossa macht sich in seinem Dokumentarfilm „Uma memória em três atos“ (2018) auf die Suche nach der Geschichte seines Landes Mosambik. Der eindringliche Film greift auf Archivmaterialien aus den Zeiten der portugiesischen Kolonialherrschaft und auf Zeugnisse von Mosambikaner*innen zurück, die den Freiheitskampf überlebten. Hier erklärt Cossa anhand von fünf Bildern, wie sein Film sich mit Bildern und Stimmen der Vergangenheit und Gegenwart auseinandersetzt – und eröffnet dabei Wege der Versöhnung.


Kolonialgeschichte – Das Bild ist ein Screenshot aus dem Film „Eine Erinnerung in drei Akten“. Es zeigt ein schwarzes und ein weißes Kind auf einem Karussell. Foto (Detail): © Inadelso Cossa Ein trügerisches Bild von Integration, nachdrückliches Zeugnis einer kolonialen Perspektive – auf dieses Super-8-Filmmaterial einer Kolonialist*innenfamilie stieß ich im mosambikanischen Nationalarchiv INAC (Instituto Nacional de Audiovisual e Cinema) in Maputo. Die beiden Kinder beschwören eine unbeschwerte koloniale Harmonie herauf, die weit von der mosambikanischen Realität der 1960er Jahre entfernt war. Durch die Einbindung dieser Aufnahme in die Eröffnungssequenz meines Films präsentiere ich das offizielle Bild, nur um seine Behauptungen zu demaskieren. Mein Film stellt ihm die Erinnerungen von Mosambikaner*innen gegenüber, die die koloniale Vergangenheit meines Landes durchlebten. Dieser Ansatz erlaubt mir, die Ebenen einer Zeit zu fassen und erzählen, die die Identität der Mosambikaner*innen bis zum heutigen Tag prägt. Die Geister des Kolonialismus verfolgen uns noch immer.
Kolonialgeschichte – Dieser Screenshot aus dem Film „Eine Erinnerung in drei Akten“ zeigt eine Zeitschrift. Foto (Detail): © Inadelso Cossa Wie soll ich Ihnen etwas über die mosambikanische Kolonialgeschichte erzählen, wenn es keine zufriedenstellenden Quellen zu geben scheint, aus denen ich schöpfen kann? Wo findet man die Vergangenheit? In Mosambik sucht man vergeblich nach offiziellen Archiven, die die Geschichte der politischen Gefangenen der Kolonialzeit dokumentieren. Wenn ich diesen Film machen wollte, musste ich sowohl Regisseur als auch Autor sein. Dieser Faden zieht sich durch den gesamten Film – durch jeden seiner drei Akte. Das Durchblättern der Seiten einer Zeitschrift aus der Kolonialzeit – die haptische Arbeit des Suchens und Recherchierens – führt diesen Faden gleich zu Beginn ein. Statt als Filmemacher zu agieren, der aus analytischer Distanz beobachtet, bin ich Mitwirkender im Dokumentarfilm – ein Mitglied einer ganzen Generation von Mosambikaner*innen, die bisher noch keinen Zugang zu der Geschichte hatten, die ich jetzt erzähle. Die schwache Beleuchtung reflektiert meine eigene Erfahrung: die Suche nach der Vergangenheit war ein sehr persönlicher und einsamer Prozess.

Kolonialgeschichte – Dieser Screenshot erfasst die verlassenen Überreste des Innenraums von Vila Algarve in Maputo, Mosambik. Foto (Detail): © Inadelso Cossa Hier folterte die portugiesische politische Polizei PIDE (Polícia Internacional e de Defesa do Estado) in den 1960er Jahren zahllose politische Gefangene wie den Dichter José Craveirinha, wie den Maler Malangatana Ngwenya. Hier, in diesem Gebäude: Vila Algarve, ein Ort der Qual und des Widerstands. In meinem Film ist der Ort eine eigenständige Figur, ein Archiv, ein stummer Zeuge für stimmlose politische Gefangene. Man kann nicht über die PIDE und politische Gefangene sprechen, ohne die Vila Algarve zu erwähnen. Leerstehend, in Trümmern, mitten im wohlhabenden Viertel der mosambikanischen Hauptstadt Maputo gelegen, symbolisiert das Gebäude heute auch die Herangehensweise der Regierung an unser historisches Gedächtnis.

Kolonialgeschichte – In diesem Screenshot sitzt Aurêlio Valente Langa in einem dunklen Raum. Sein nackter Rücken ist der Kamera zugewandt. Foto (Detail): © Inadelso Cossa Der Raum war dunkel, erlaubte gelegentlich flüchtige Blicke auf die Gesichter der PIDE-Agenten. Der politische Gefangene Aurêlio Valente Langa war nackt – dem Verhör und der Folter ausgesetzt. Eingebettet in den zweiten Akt des Films, Memories of Violence (Erinnerungen an Gewalt), erzählt Langa seine Erlebnisse in der Vila Algarve und stellt sie nach. Damals strebte die Polizei mithilfe von Gewalt nach Macht über seine Antworten. Der Film kehrt diese Dynamik um, indem er ihn seine Geschichte frei erzählen lässt.

Kolonialgeschichte – Dieser Screenshot zeigt Isabel Langa, die in einem abgedunkelten Raum sitzt und aus dem Fenster schaut. Foto (Detail): © Inadelso Cossa Isabel Langa, Tochter des ehemaligen mosambikanischen PIDE-Agenten „Chico Feio“, wurde Zeugin, wie ihre Nachbar*innen ihren Vater in der Übergangszeit – nach dem Sieg der Mosambikanischen Befreiungsfront FRELIMO im Befreiungskrieg, aber vor der Unabhängigkeit Mosambiks – 1974 enthaupteten. Isabel war 13 Jahre alt. Sie und ihre Mutter mussten fliehen und sich verstecken, um ihre Leben zu retten. Isabel leidet bis heute unter Alpträumen. Chico Feio hatte zahlreiche politische Gefangene gefoltert, von denen einige an den Folgen starben. Seiner Tochter zufolge, die ihn als liebevollen Vater kannte, wusste seine Familie nichts von seiner Rolle als PIDE-Agent. Ich entschied mich dafür, sie selbst sowie ihre Emotionen und ihr Trauma in die Geschichte meines Films einzubeziehen, weil sie die Notwendigkeit einer Aussöhnung mit der Kolonialgeschichte darlegt. Auch Isabel ist ein Opfer kolonialer Gewalt und lebt immer noch mit ihrer Erinnerung an diese Vergangenheit. 

Der Anfang des Films Eine Erinnerung in drei Akten
Film (Ausschnitt): © Inadelso Cossa