Vendula Chalánková
Hören und Ausschneiden

Vendula Chalánková © Kiva

Vendula Chalánková (*1981) ist eine vielseitige Künstlerin, die absolute Gewöhnlichkeit mit einem Sinn für Absurdes in ungewöhnliche Artefakte einarbeitet – und seit langem schon ein großes Publikum mit ihren künstlerischen Konzepten anspricht, die Originalität, Verständlichkeit und Witz verbinden.

Interesse weckt auch ihre zwar recht wortkarge, aber dennoch in der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeit. Besonders bei Liveauftritten (vor allem Kunst ist ein Prozess bei TEDx Prague) und in Interviews liefert sie auf entwaffnende Art und Weise explizite Erklärungen ihrer selbst und entwickelt aus vermeintlich naiven, direkten Einfällen neue Ideen und inspirierende Konzepte.

Die schöpferische Arbeit dieser Absolventin der Fakultät für Bildende Kunst der Technischen Universität Brünn (Atelier Environment von Vladimír Merta und Marián Palla) und Laureatin des Preises für Begabung von J., M. und Z. Hlávka ist Bestandteil von Kunstsammlungen bekannter Institutionen wie der Nationalgalerie Prag, der Mährischen Galerie in Brno, dem Kunstmuseum in Olomouc oder dem österreichischen Museum für Angewandte Kunst in Wien. Ihre Werke werden seit 2001, als sie damit begann auszustellen, in Dutzenden gemeinschaftlichen und eigenen Ausstellungen in Tschechien und im Ausland (z.B. in Deutschland, Großbritannien und Japan) gezeigt. Unter dem Markennamen Zvrhlý vkus (Dekadenter Geschmack) kreiert sie auch Mode und Spielzeug. Begehrt sind ebenfalls ihre Kinderbücher mit von ihr eingenähten Details (für ihre Version des Märchens Rotkäppchen erhielt sie 2009 den Zlatá stuha-Preis).

Tragicomics

Comics stellen nur eine von vielen Ausdrucksformen dar, die Chalánková bedient – sie widmet sich ihnen allerdings schon seit längerem, seit 2004, und arbeitet hauptsächlich mit einer minimalistischen Technik, mit dem Ausschneiden von Buntpapier. Eigene Erlebnisse und  mitgehörte Dialoge hält sie in ihnen mit komischen, oft mit dem Gefühl der Peinlichkeit arbeitenden Miniaturen fest. Ihre Comics bestehen meist aus drei Panels und sie nutzt auch größere oder ganzseitige Formate als Comicstrips. Zum ersten Mal konnten die Leser ihnen im Heft Žít jako kaskadér (2005, Leben wie ein Stuntman) oder in der Anthologie nordböhmischer Comics Bublifuk (2007, Seifenblasen) begegnen – dabei lässt sich schwer sagen, wie die im mährischen Přerov geborene, in Troubky lebende und in Brno studierende Künstlerin damals eigentlich in diese nordböhmische Gruppe gelangt ist. Insgesamt sechzig Comics aus den Jahren 2004–2009 wurden in der Veröffentlichung Cukr & počasí (2009, Der Zucker & das Wetter) zusammengefasst, eine weitere Sammlung von Strips folgte 2015 mit dem Titel Proč nejsi jak chlapi v práci, vole? (Warum bist du nicht wie die Kerle auf Arbeit, Alter?) und dem Untertitel Tragikomiksy Venduly Chalánkové (Tragicomics von Vendula Chalánková), die letztendlich für den Comicpreis Muriel (und das überraschenderweise in der Kategorie Bestes Szenario) nominiert wurde. 2016 verarbeitete sie Ausdrücke und Äußerungen kleiner Kinder mit Zeichnungen (gesammelt von Radim Kopáč) im Buch Dnes dítě (Heute Kind).

 © Vendula Chalánková 2011 trug sie einige Comiczeichnungen vom Areal der ehemaligen Waffenfabrik Zbrojovky Brno für das Ausstellungsprojekt Brno in komiks (Brünn in Comics) bei, das in Utrecht realisiert wurde (danach wurde 2015 die Sammlung Komiks v Brně veröffentlicht). Bisher zum letzten Mal widmete sie sich der Kunstform Comic im Rahmen des Buchprojekts Objekt Julek (2018) von Drehbuchautor Ondřej Elbel, was von dem schwer erkrankten Dissidenten Julius Varga handelt, der trotz seines Handicaps die Staatssicherheit mit seinen Aktivitäten auf Trab hielt. Mit einer untypischen Zeichnung ganz ohne die Verwendung von ausgeschnittenem Buntpapier nahm sie an den Abschlussverhandlungen mit der Šumperker Stadtvertretung zum Vorschlag, einen Platz (oder zumindest eine Straße) nach Varga zu benennen, teil.