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Rosinenpicker
Bizarre Lebensgeschichten

Auf nur einer Buchseite präsentiert der Comic-Künstler Simon Schwartz seine historischen Vignetten – skurril und abwechslungsreich.

Von Holger Moos

Schwartz: Vita Obscura – Life Bizarre © avant-verlag Der mehrfach prämierte Comic-Zeichner Simon Schwartz veröffentlicht regelmäßig Comics und Illustrationen in Zeitungen und Magazinen. Bereits 2012 erschien die Reihe Vita Obscura in der Wochenzeitung der Freitag: Das sind einseitige historische Vignetten, in denen Schwartz ungewöhnliche Lebensgeschichten in extrem verknappter Form darstellte. Diese Comic-Reihe kam 2014 beim avant-verlag als Buch heraus.

2019 nahm das Magazin der FAZ mit Schwartz Kontakt auf – gerade war Modeschöpfer Karl Lagerfeld gestorben, der sechs Jahre lang seine „Karlikaturen“ beigesteuert hatte. Man suchte ein*e Nachfolger*in für die Gestaltung der verwaisten Magazin-Seite, und Simon Schwartz schien der Richtige zu sein.

Nachdem Schwartz seine Comic-Reihe Vita Obscura ab September 2019 im FAZ-Magazin fortsetzte, sind nun 50 „unglaubliche Biografien“ aus aller Welt unter dem Titel Vita Obscura – Life Bizarre wieder beim avant-verlag erschienen. Schwartz kann nicht nur jede Lebensgeschichte in einem anderen Stil zeichnen, die begleitenden Texte beweisen auch sein erzählerisches Talent. Dass all dies ohne viel Rechercheaufwand nicht zu haben ist, glaubt man sofort. 

Espressokanne als Urne

Mileva Marić, eine der ersten Frauen, die ein Mathematik- und Physikstudium absolvierte, und Albert Einsteins erste Ehefrau gehört zu den bekannteren Persönlichkeiten, die Schwartz auswählte. Oder Renato Bialetti, den italienischen Erfinder der ikonischen, achteckigen Espressokanne Moka Express. Bialettis Asche wurde übrigens auf eigenen Wunsch in einer überdimensionalen Espressokanne bestattet.

Oft porträtiert Schwartz unbekannte oder vergessene Persönlichkeiten. Etwa den indischen Straßenkünstler P. K. Mahanandia, der 1977 mehr als 7000 Kilometer radelte, um in Schweden seiner großen Liebe einen Antrag zu machen. Das Paar lebt noch heute glücklich zusammen.

Ohne Happy End, aber mit Witz

Happy Ends sind in den Comics von Schwartz eher die Ausnahme. Victoria Woodhull war 1872 zwar erste US-Präsidentschaftskandidatin, gewann jedoch nicht, sondern wurde wegen ihrer (verbotenen) Kandidatur verhaftet. Ebenso erging es Liliʻuokalani, 1891 bis 1893 letzte Königin des Königreichs Hawaiʻi, die für bessere Lebensbedingungen der indigenen Landbevölkerung kämpfte. Nach einem Staatsstreich, unterstützt durch amerikanisches Militär, wurde sie zu lebenslangem Hausarrest verurteilt. Eine andere Vignette erzählt die Geschichte der amerikanischen Lehrerin Annie Taylor. Die lebte über ihre Verhältnisse und wollte 1901 zu Ruhm und vor allem zu Geld kommen, indem sie sich in einem Fass die Niagarafälle hinunterstürzte. Sie überlebte, doch der Ruhm verging schnell. Der Traum vom Reichtum erfüllte sich auch nicht, 1921 starb sie in einem Armenhaus.

Lustiger ist Schwartz' Erzählung von den Leibärzten des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. Schier unfassbar, dass dieser die diversen radikalen Behandlungsmethoden, unter anderem eine Bouillon aus Schlangenpulver, Pferdemist und Weihrauch, nicht nur ausgehalten, sondern all seine Ärzte auch noch überlebt hat!
 
Rosinenpicker © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank Simon Schwartz: Vita Obscura – Life Bizarre. 50 unglaubliche Biografien
Berlin: avant-verlag, 2022. 96 S.
ISBN: 978-3-96445-081-4

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