© Athena-Verlag, Oberhausen, 2020
Das lyrische Ich in Arno Kleinebeckels Lyrikband Blue Hour ist oft unterwegs, auf einer Fahrt ins Unbestimmte. Jedoch fährt es nicht sinnlos umher, eher wird es durch das Fahren und das Auf-dem-Weg-Sein extrem wach und sensibel gegenüber der Wirklichkeit. Letztere erscheint auf diesen Fahrten plötzlich so leer und sinnlos, ohne Tiefe und Bedeutung. Die Existenz des Einzelnen wirkt vorbestimmt und von der Weltordnung des Konsums dominiert.
„Ich halte das Lenkrad, ein sinnloser Kreis; die/ Frontscheibe vor mir, ein gekrümmter Monitor.“
Dem Einzelnen bleibt in Kleinebeckels Sicht nicht viel Bewegungs- und Einflussraum. Er schaut durch die Scheibe und ist ein Zuschauer dessen, was vorgeht. Das Lenken scheint sinnlos, weil der Takt ehe von anderswo bestimmt wird.
Und doch, obwohl es „wenig Hoffnung auf Ankunft“ gibt, ist da Hoffnung auf ein „Zerschnitt“ in der Zeit, und eine Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung treibt ihn zu neuem Fahren und Suchen. Anerkannt zu sein von einer Frau, von einem Fremden auf der Straße, von einem Nächsten wäre ein Zeichen der Hoffnung. Das lyrische Ich sehnt sich nach dem Ewigen, nach der Zeitlosigkeit. Das Blaue des Himmels, der für uns alle gleich ist, schenkt uns den Glauben daran, dass alles doch nicht nur vergänglich und der nur konsumierende Mensch eine vorübergehende Erscheinung sein mag.
Kleinebeckels Lyrik ist, wie auch im Buch selbst angedeutet, eine Auseinandersetzung mit der vom Spätkapitalismus kolonisierten Wirklichkeit und mit dem „Moloch der Gleichgültigkeit“. Obwohl die Schlucht, durch die das Ich fährt, „aus Stein und Glas“ ist, hofft es auf Begegnungen mit wahren, möglicherweise mit mehr natürlichen Menschen. Oder auch mit einem richtigen Gepard.
Athena-Verlag
Arno Kleinebeckel
Blue Hour. Lyrics
Athena-Verlag, Oberhausen, 2020
ISBN 978-3-7455-1090-4
76 Seiten