Irena Samide empfiehlt
Annette, ein Heldinnenepos

Annette, ein Heldinnenepos von Anne Weber © Matthes & Seitz, Berlin, 2020 Welche Gattung eignet sich am besten für das Besingen von großen Taten? Das Helden-, pardon, das Heldinnenepos natürlich. Um ein Versepos in der heutigen Zeit zu schreiben, braucht man/frau Mut, schriftstellerisches Können, eine Dose poetischer Dreistigkeit sowie – eine adäquate Heldin. Anne Weber, die in Frankreich lebende deutsche Autorin, hat all das – und noch viel mehr: Für ihren unkonventionellen Text erhielt sie Ende Oktober den Deutschen Buchpreis 2020.

Die heute 96-jährige Anne Beaumanoir, die der Autorin als Modell für die Heldin Annette diente, stand immer auf der Seite der Unterdrückten – auch wenn sie im Nachhinein öfters enttäuscht war. Während sie bereits mit 17 Jahren Mitglied der kommunistischen Résistance wurde und gegen Nazis kämpfte, unterstützte sie später die algerische Unabhängigkeitsbewegung, weswegen sie die französischen Behörden 1959 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilten. Sie floh nach Tunis, arbeitete dort als Neurologin und floh nach dem Militärputsch 1965 wieder nach Europa zurück, wo sie, während sie auf eine Amnestie in Frankreich lange Jahre warten musste, ihr neues Zuhause in der Schweiz fand.

Statt dieses faszinierende Leben, das hier nur skizzenhaft umrissen werden kann, in die Form eines klassischen biografischen Romans zu kleiden, wählte Anne Weber den hohen Ton des Epos. Der beeindruckende, rasante, fließend-poetische Rhythmus in freien Versen entpuppt sich jedoch bald als moderner, lesefreundlicher Text, reich an (oft witzigen) Assoziationen, kühnen Metaphern, mythologischen Verweisen und aktuellen Bezügen. Verschiedene Rede- und Erzählformen greifen nahtlos ineinander über, was für Spannung und Dynamik sorgt. Atemberaubend im wahrsten Sinne des Wortes. Absolut empfehlenswert.
Matthes & Seitz Berlin

Anne Weber
Annette, ein Heldinnenepos
Matthes & Seitz, Berlin, 2020
ISBN: 978-3-95757-845-7
208 Seiten

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Rezensionen in den deutschen Medien:
Süddeutsche.de
Zeit.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Perlentaucher
Literaturkritik