Das Elitäre in den Künsten | Bildende Kunst
Die Entwicklung der Abstrakten Malerei

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Igor Miske © Unsplash

Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts war ein erfolgreicher Künstler gleichbedeutend mit einem figurativen, in einem realistischen Stil arbeitenden Künstler. In der westlichen Welt hatten Künstler*innen in diesem Bereich keine große Auswahl, war doch das Konzept und Verständnis von Kunst institutionell tief in den Bildungseinrichtungen und Märkten jener Zeit verankert.
 

Vom 17. bis zum 20. Jahrhundert bildete Akademismus bzw. akademische Kunst die Grundlage der Kunstwelt. Sie basierte auf universell anerkannten Fertigkeiten, die sich während der Renaissance etabliert hatten. Tatsächlich war die Kultur so stark reglementiert, dass sich die Motivauswahl auf Abbildungen historischer Themen, mythologischer Erzählungen sowie auf Landschaften und Porträts beschränkte. Dies war eine künstlerische Bildsprache, die inner- und außerhalb der heiligen Hallen elitärer Kunsteinrichtungen verstanden wurde und die sich daher allgemeiner Beliebtheit erfreute.

Die Kunstwelt sah sich im 20. Jahrhundert einer ganzen Reihe bedeutender Veränderungen ausgesetzt, dazu zählte das Aufkommen der abstrakten Malerei, durch die sich die Wahrnehmung, Erforschung und Erfahrung der Kunst radikal verändern sollte. Die industrielle Revolution des 18. und 19. Jahrhunderts schuf die Grundlage für diese Entwicklung, da Mobilität, Warenproduktion und Technologie in der Zeit zwischen 1760 und 1850 rapide Fortschritte machten. Der Übergang von einer landwirtschaftlich geprägten zu einer industrialisierten Gesellschaft veranlasste Künstler*innen, ihr alltägliches Leben neu zu denken – und damit auch, welche Art von Kunst sie schaffen wollten.

Jackson Pollock, Number 17A Jackson Pollock, Number 17A | © Kent Baldner, Flickr, bearbeitet, CC-BY-NC-SA-2.0

In manchen Fällen führte diese radikale Entwicklung dazu, dass Kunst von einer breiteren Bevölkerungsschicht konsumiert und wertgeschätzt wurde. In anderen Fällen hatte sie eine zunehmende Exklusivität der bildenden Kunst zur Folge, die sich dadurch weiter denn je von der Populärkultur entfernte. Die künstlerischen Bewegungen der Romantik (frühes neunzehntes Jahrhundert) und des Impressionismus (spätes neunzehntes Jahrhundert) schufen hierfür die Basis, indem sie hergebrachte Vorstellungen über Malerei und Repräsentation aufweichten. Dadurch konnten spätere Kunstrichtungen wie Fauvismus (ca. 1905-1908), Kubismus (1907-1920er Jahre), Expressionismus (1905-1933) und Futurismus (1909-1920er Jahre) den Schritt zur puren Abstraktion vornehmen – wodurch sich die Malerei wiederum dem Konsum und Verständnis der breiten Masse zunehmend entzog.
 

Komposition 10 Komposition 10 | © Piet Mondrian, Wikipedia, bearbeitet, CC0-1.0

Wassily Kandinsky wird gemeinhin als der erste rein abstrakte Maler angesehen: in den 1910er und 1920er Jahren schuf er bahnbrechende Werke. In den darauffolgenden Jahrzehnten trieben Künstler wie Piet Mondrian, Kazimir Malevich und Joan Miró die Abstraktion in ihrem Wirkungskreis und gemeinsam mit ihren Zeitgenossen weiter voran, was zu Brüchen in der kulturellen Definition der Malerei führte. Im Jahr 1913 hatten die Amerikaner im Rahmen der Armory Show in New York City erstmals die Gelegenheit, die aktuellste abstrakte Kunst aus Europa zu sehen. Das Ergebnis war eine generelle Ablehnung abstrakter Werke, waren diese doch zu weit von den Werten und Idealen der Bevölkerung entfernt.  
 
Nach dem zweiten Weltkrieg schließlich wurden die USA zum Zentrum der Kunstwelt. Der abstrakte Expressionismus (1940er-1950er) war die dominierende Kunstbewegung und Jackson Pollock wurde als der wichtigste Künstler seiner Zeit gefeiert. Seine Drip Paintings versetzten der akademischen Kunst den Todesstoß und läuteten damit den Postmodernismus ein – und mit ihm eine Identitätskrise der Kunstwelt.

Während der abstrakte Expressionismus und der Minimalismus (1960er) die Kunst weiter von der breiten Masse entfernten, versuchte die Pop Art (1950er-1970er) den Spieß umzudrehen: sie stellte Objekte und Motive der Massenkultur innerhalb derselben elitären Strukturen zur Schau, die die Malerei zunehmend von der breiten Masse entfremdet hatten. Andy Warhols Porträts von Suppendosen stehen exemplarisch für dieses Konzept der Massenkultur, die die Welt der hohen Kunst infiltrierten. Am Ende des 20. Jahrhunderts passte sich die Kunstwelt entsprechend an. Viele dieser Narrative wurden gebrochen und ein pluralistischeres Bild von Kunst setzte sich durch, das die Grenzen zwischen „Low Art“ (Werken, die die Massen ansprechen oder einen Nutzwert haben) und „High Art“ (einem Vokabular der kulturellen Elite, der Wohlhabenden und Gebildeten) weiter verwischte. Die Geschichte der Malerei im zwanzigsten Jahrhundert kann folgendermaßen zusammengefasst werden: klassische Konnotationen wurden in Frage gestellt, neue Definitionen wurden etabliert und am Ende vermischten sich zwei Kulturen.

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