Residenzprogramm Spekulatives Design 2018

Video still © Goethe-Institut Brüssel

Spekulatives und kritisches Design oder Design fiction sind die Themen eines neuen deutsch-belgischen Residenzprogramms für Studierende, junge Absolvent/innen und Kunstschaffende im Bereich Design/Kunst oder in anderen Disziplinen. Das Programm bietet je einem/r Residenten/in aus Belgien und Deutschland die Möglichkeit, sich kreativ mit neuen Technologien auseinanderzusetzen, auszutauschen und auf Wunsch gemeinsam ein Projekt zu entwickeln. Das Residenzprogramm ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Goethe-Institut Brüssel, dem KIKK Festival, dem Kreativzentrum TRAKK und dem Kulturzentrum Les Abattoirs de Bomel.

Rückblick Residenz 2018

„Wie lassen sich die Anonymität und die Ungleichgewichte, die im Netz herrschen in den realen Raum übetragen und wie gestalten wir diesen?". Dies war eine der Fragen, die beim Künstler/-innengespräch zum Ende unserer Spekulatives Design Residenz am 28.06. aufkamen. Die Künstler Luiz Zanotello und Just for the Record präsentierten ihre Projekte „Waiting for Rubedo" und „It ain't the web, it's the way we spin it" und diskutierten mit Jana Haeckel. Mehr zu ihren Arbeiten erfahren Sie in unserem Video.

  • Just for the Record © Goethe-Institut Brüssel
  • Just for the Record © Goethe-Institut Brüssel
  • Just for the Record © Goethe-Institut Brüssel
  • Luiz Zanotello © Goethe-Institut Brüssel

Interview Just for the record

Just for the Record © Just for the Record Weshalb interessieren Sie sich für Design? Was stellt Design für Sie dar? 
 
Zum Thema Design verfolgen wir einen kritischen Ansatz. Wir verstehen Design als eine Reihe von Schichten, von der wahrgenommenen Form eines Objekts, einer Schnittstelle oder einer Oberfläche bis hin zu deren inneren Mechanismen. Wir interessieren uns dafür, wie Dinge auf- und zusammengebaut sind und wie sie dargestellt werden, um neue Konfigurationen und Anwendungen zu schaffen, die auf diesem Verständnis basieren.
 
 
Welchen Inhalt hat Ihr Projekt, das Sie in Namur entwickeln wollen? 

In unserem Kollektiv untersuchen wir Tendenzen bei der Niederschrift, Aufzeichnung und Archivierung geschichtlicher Fakten und den Einfluss, den diese Tendenzen darauf haben, was oder wer wie dargestellt wird. In den letzten zwei Jahren haben wir uns mit Cyberspace-Erfahrungen, die bei kollektiv ausgerichteten Aufzeichnungen auf Online-Plattformen wie Wikipedia gemacht wurden, befasst, wobei wir einen cyberfeministischen Ansatz verfolgt haben. Darauf aufbauend erkunden wir nun neue Formate, um die Schnittpunkte zwischen den Geschlechtern und die Art und Weise, wie Geschichte niedergeschrieben, erzählt, gezeichnet oder auch herausgeschrien wird, zu beleuchten.
 
Das Projekt, das wir in Namur entwickeln werden, wird darauf abzielen, körperliche Objekte zu erschaffen, die mit digitalen, zweckgebundenen Objekten in einen Dialog treten. Wir interessieren uns für die Frage, wie unsere Beziehungen zur Technologie neu gestaltet werden und wieder konkrete Formen annehmen können. Im Französischen bestehen zwei Wörter, die das Digitale bezeichnen: numérique, das mit dem Wort „Nummer“ verwandt ist, und digital, das „den Finger betreffend“ bedeutet. Unser Ziel ist es zu erforschen, wie unsere Finger und unser Körper unseren Umgang mit Technologien und Wissensobjekten bestimmen. Wie Raum und Gegenstände die Art und Weise, wie wir auf Inhalte zugreifen und diese produzieren beeinflussen. Wie es möglich ist, viele Wahrheiten und nicht nur die eine Seite der Geschichte darzustellen, und wie verschiedene Versionen und Schichten sichtbar gemacht werden können.
 
 
Warum haben Sie sich für diese Residenz in Namur entschieden, und welche Erwartungen haben Sie? 

Die Residenz bietet uns die Zeit und den Raum, die notwendig sind, um Überlegungen über die ereignisbasierten Projekte anzustellen, die wir in den letzten Jahren durchgeführt haben, und diese Erfahrungen in körperliche Objekte umzuwandeln. Außerdem wird uns die Gelegenheit geboten, ein breites Spektrum an neuen Materialen, Techniken und Instrumenten zu erkunden, mit denen wir neue Formate entwickeln können. Unser Ziel ist es, an verschiedenen Objekten zu arbeiten, die am Ende der Residenz in eine Multimedia-Installation einfließen.

Website Just for the record

Interview Luiz Zanotello

Portrait Luiz Zanotello © privat Weshalb interessieren Sie sich für Design? Was bedeutet Design für Sie?
 
In meiner praxisorientierten Forschung, bei der ich mich mit den neuen Medien und den Schnittstellen von Kunst und Technologie befasse, verstehe ich Design oft als einen relationalen Prozess zur Gewinnung neuer Erkenntnisse sowie als Methode für eine experimentelle, materiell-diskursive Untersuchung und ein Instrument, mit dem mögliche Zukunftsszenarien geschaffen und problematisiert werden können. Mein Interesse gilt der Frage, wie Design Erzählungen verkörpert und verschiedene unvorhersehbare Möglichkeiten erzeugt, die systematisch ausgeblendet werden und gänzlich undurchsichtig bleiben. Im Mittelpunkt meiner technologieorientierten Forschung stehen die Fragen: Wie setzt man sich kritisch mit einer Realität auseinander, die zunehmend flächendeckend gestaltet und auf technologischem Wege vermittelt wird? Worin bestehen die narrativen, materiellen und grundlegenden Aspekte der neuen Technologien, die häufig unbeachtet bleiben oder missverstanden werden?
 
Welchen Inhalt hat Ihr Projekt, das Sie in Namur entwickeln wollen?
 
Das Grundkonzept besteht darin, die Eventualität eines Ereignisses - des Bruchs zwischen automatisierter Intelligenz und ihren infrastrukturellen Aspekten - abzuschätzen. Das Konzept ergibt sich aus einem aktuellen, komplexen Dilemma: Während das Front-End des technologischen Fortschritts auf die abstrakten „unheimlichen Täler“ der sogenannten künstlichen Intelligenz stößt, ist das Back-End mit immer größeren, von ihm selbst erzeugten, konkreten „unheimlichen Tälern“ auf der Erde ebenso wie in der gesellschaftlichen Sphäre konfrontiert. Ziel des Projekts ist also, den Augenblick zu erforschen, an dem die zwischen den technologischen Utopien und den konkreten materiellen Gegebenheiten herrschende Spannung eine Reibung erzeugt, die das Ganze letztlich zum Bersten bringt. In Namur werde ich Experimente durchführen, um aus nächster Nähe die Materialitäten zu erforschen, die diesem Problem zugrunde liegen. Daraus wird eine neue Arbeit hervorgehen, die Vermutungen über das Eintreten eines derartigen Ereignisses in naher Zukunft anstellen wird.
 
Warum haben Sie sich für diese Residenz in Namur entschieden, und welche Erwartungen haben Sie?
 
Vermutungen sind ein wichtiges Kernstück meiner derzeitigen praktischen und theoretischen Recherche. Die Residenz bietet mir nicht nur die notwendige Zeit und den nötigen Raum, um meine eigene Arbeit weiterzuentwickeln, sondern auch die erforderlichen finanziellen Mittel, um mich mit meinem Forschungsthema Design tiefergehend zu befassen, sodass ich am Ende meines Aufenthalts in der Residenz ein greifbares Ergebnis vorweisen kann. Der Kontakt, der freundschaftliche Umgang und die Möglichkeit, meine Arbeit den Hosting-Partnern der Residenz zu zeigen und mit ihnen darüber zu diskutieren, und das hier in Namur, einer Stadt, deren lange Geschichte durch das KIKK Festival, das Goethe-Institut und die Abattoirs de Bomel zunehmend mit der zeitgenössischen Geschichte von Medienkunst und –design verschmilzt, sind spannend und wichtig für mich, um mich weiter zu qualifizieren und als Künstler in Europa zu etablieren.

Website Luiz Zanotello
 

Residenzprogramm „Spekulatives Design“ 2018

Spekulatives und kritisches Design / Design fiction
„Kritisches Design“ ist ein von A. Dunne und F. Raby angeregter, praktischer wie theoretischer Umgang mit Gestaltung. Design wird hiernach als Medium verstanden, das Diskussionen unter Designer/innen, der ökonomischen Welt sowie der Öffentlichkeit  anregen kann und dabei auf die ethischen, sozialen und kulturelle Zusammenhänge neuer Technologien aufmerksam macht. Es ist eine kritische Annäherung an Design mit dem Ziel, sich der durch Massenproduktion bedingten Entfremdung entgegenzustellen, indem Alternativszenarien und Utopien entworfen werden. Die Aufgabe der Designer/innen ist hier nicht mehr nur Objekte für den industriellen Markt zu produzieren, sondern Erfahrungen und Ideen in Szene zu setzen und selbige zu teilen. Diese neue Herangehensweise erlaubt Spekulationen darüber, wie die Zukunft sein könnte und macht somit eine Debatte über die Formen der Zukunft, die wir uns wünschen (oder die wir ablehnen), möglich. „Design fiction“ lässt Interaktionen und Diskussionen bezüglich einer möglichen Zukunft entstehen, die andernfalls nicht oder nur in geringem Maße existieren würden. Es ermöglicht spezielle Zukunftsvisionen für die Teilnehmer „real erfahrbarer“ zu machen und erlaubt eine grundlegende Konversation über die behandelten Themen.
 
Der Fokus des Aufenthalts soll für die Künstler/innen, Designer/innen und Forscher/innen vor allem darauf liegen, sich im TRAKK-Labor neuen Technologien zu nähern und diese mit fachlicher Unterstützung auszuprobieren. Ein finales Produkt ist nicht obligatorisch. Die Resident/innen sind hierbei frei in der Umsetzung und Gestaltung ihrer Projekte. Es besteht die Möglichkeit, ein Projekt gemeinsam mit dem/der anderen Resident/in zu entwerfen. Das Projekt kann nach Rücksprache mit der Organisation außerdem auf dem KIKK-Festival im November präsentiert werden.
 
Das Stipendium beinhaltet:

  • Ein Gesamtbudget von 10.000 € (5.000 € pro Resident/in). Dies beinhaltet Materialkosten, Verpflegung und Reisekostenfür eine Periode von drei Wochen.
  • Eine eigene Wohnung (39 bis 47m²) mit Bad, Kochecke, Schlaf- und Arbeitsplatz sowie Internetanschluss.
  • Zugang zum Fab Lab TRAKK, inklusive Nutzung aller Maschinen (3D-Drucker, Schneideplotter, Fräsmaschine mit numerischer Steuerung, Laserschneidemaschine, Holzbearbeitung, andere Technik).
  • Nutzung der Ateliers im Abattoirs de Bomel (Werkstatt für Holz- und Eisenbearbeitung, Siebdruck; Unterstützung- und Einführung durch die technische Leitung).
Partner
  • Goethe-Institut, das weltweit tätige Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland
  • Les Abattoirs de Bomel, ein neues, interdisziplinäres Kulturzentrum mit Ausstellungs- und Residenzmöglichkeiten der wallonischen Hauptstadt Namur
  • KIKK Festival zu kreativer und digitaler Kultur, das erforscht, wie sich neue Technologien auf die Bereiche Kunst, Wissenschaft und Design auswirken. Zugehörig zum Festival ist das Kreativzentrum TRAKK, ein Raum gemeinsamer, multidisziplinarer Gestaltung, das sein Labor (Fab Lab: LABoratoire de FABrication) den Resident/innen zur Verfügung stellt
Adressen
Abattoirs de Bomel: Traverse des Muses 18, B-5000 Namur
Ein/e deutsche und eine belgische Resident/in  leben für drei Wochen in zwei der fünf Künstler/innen-Wohnungen des Kulturzentrums in Namur.
www.centrecultureldenamur.be/a-propos/lieux/abattoirs-de-bomel
 
Fab Lab TRAKK: 118 Avenue Reine Astrid, B-5000 Namur
Die Resident/innen werden in die Benutzung des Labors eingewiesen und während ihres Aufenthalts durchgehend betreut.
www.trakk.be/espaces/fablab/

Austausch
Das Residenz-Projekt bietet viele Möglichkeiten für Austausch auf professioneller und interkultureller Ebene. Da Unterkünfte und Ateliers sich im Kulturzentrum befinden, ist es möglich, sich mit Künstler/innen vor Ort sowie mit dem Publikum des Kulturzentrums auszutauschen.
 
Ansprechpersonen
Abattoirs de Bomel | Marylène Toussaint
E-Mail: marylenetoussaint@centrecultureldenamur.be
www.centrecultureldenamur.be/a-propos/lieux/abattoirs-de-bomel
 
Goethe-Institut Brüssel | Jana J. Haeckel | Julian Volz
E-Mail: Jana.Haeckel.extern@goethe.de
julian.volz@goethe.de
www.goethe.de/bruessel
 
TRAKK & KIKK Festival | Marie du Chastel
E-Mail: marie@kikk.be
www.kikk.be