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Eurotrash

Christian Kracht:  Eurotrash © Verlag Kiepenheuer & Witsch Christian Kracht:  Eurotrash,
Köln: Kiepenheuer & Witsch Verlag, 2021,
224 Seiten.

 
Der Ich-Erzähler, ein Autor namens Christian Kracht, besucht seine achtzigjährige Mutter in Zürich. Sie brechen ungeplant zusammen auf, eine Plastiktüte voller Geld in der Hand, steigen in ein Taxi, fahren damit durch die Schweiz (wobei sie u.a. im Chalet des verstorbenen Vaters sowie am Borges Grab einen Halt machen) und sind 48 Stunden später wieder zurück: Ungefähr so lässt sich die Handlung in Christian Krachts neuem Roman Eurotrash zusammenfassen. Das Buch, das schon vor seiner Publikation als die Fortsetzung von Faserland (1995), Krachts erstem Buch –und einem der meistdiskutierten deutschsprachigen literarischen Texten der 90er Jahre– angekündigt wurde, lässt bewusst von Anfang an die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischen, da sich der Erzähler schon im ersten Textabschnitt als der Autor von Faserland vorstellt. Dadurch entfaltet sich in Eurotrash unauffällig und doch deutlich erkennbar eine Reflexion, die sich wie ein unterirdischer Strom durch die Erzählung zieht, über die Art und Weise, wie reale Lebensumstände in die Literatur hineinfließen und dabei umgestaltet und verformt werden, über das komplexe Verhältnis zwischen Authentizität und Inszenierung, während man im Vordergrund den zwei Protagonisten dabei zusieht, wie sie mit ihren persönlichen und familiären Dämonen kämpfen. Die Verhüllung der Nazi-Vergangenheit, die Verleugnung der Schuld und die Selbstbeschuldigung, das Trauma des sexuellen Missbrauchs, das Verhältnis zwischen Luxus und Vergessenheit sind einige der zentralen Themen dieses Buches. Der kalte Erzählton, der die Geschehnisse realistisch registriert und zugleich Raum für reflektierende und sarkastische Abschweifungen seitens des Erzählers lässt, wird des Weiteren durch die langen Dialoge zwischen Mutter und Sohn bereichert, die so etwas wie das Rückgrat des Buches bilden und in der allgemeinen Stimmung des Verfalls und der Entfremdung kleine Inseln einer späten Wiederannäherung sind.

Von Marina Agathangelidou

Marina Agathangelidou © Marina Agathangelidou Marina Agathangelidou, geboren 1984 in Athen, lebt in Berlin. Sie studierte Theaterwissenschaft und literarisches Übersetzen in Athen und promovierte anschließend am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin. Seit 2006 ist sie als freie Übersetzerin tätig.

Verlag Kiepenheuer & Witsch (Eurotrash - Christian Kracht | Kiepenheuer & Witsch (kiwi-verlag.de)

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