Mexiko-Stadt  Fußballfieber: „El Detonante“

Fußball in Form eines Herzens auf einer bunten Wand.
„El Detonante“ ist ein Werk des mexikanischen Künstlers Daniel Piñón, besser bekannt als ‚Seher One‘. © Arturo Zepeda

Das Herz, das der renommierte mexikanische Muralist Seher One im Süden von Mexiko-Stadt geschaffen hat, ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Fußballbegeisterung. In seinem charakteristischen Stil mit leicht psychedelischen Anklängen dokumentiert der Künstler einen der prägenden Aspekte der Stadt: die Liebe zum Spiel auf der Straße. 
 

Abends und am Wochenende werden Mexikos Straßenecken, Parks und Fußballplätze von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen geflutet, die sich in ihrer Freizeit zusammenfinden, um mit einem Ball, einer zerdrückten Plastikflasche oder gar dem dazugehörigen Deckel zu spielen. Die Tore sind nicht zwingend Netze zwischen Metallstangen: manchmal sind es Eimer, Rucksäcke oder Hauseingänge. Was zählt, ist das gemeinsame Kicken.

Ausgehend von der Idee, dass das Fußballspiel nicht nur den Profis gehört, sondern all jenen, die sich für diesen Sport begeistern, hat der Künstler David Piñón (besser bekannt als Seher One) in einem Wohnviertel im Süden von Mexiko-Stadt das Wandgemälde „El Detonante“ gestaltet, in dessen Mitte ein flammendes Fußballherz prangt.

Und mit „flammend“ ist nicht zu viel gesagt, scheint es doch so, als wäre das Fußballherz gerade mit voller Wucht ins Tor geschossen worden, um die Farben der Fußballleidenschaft zu entflammen: wilde Funken, die in alle Richtungen sprühen. Das Wandbild zeigt eine kraftvolle Kombination aus geometrischen Elementen (das Herz und die Figuren im Hintergrund, die in ihre Einzelteile zu zerfallen und aus dem Bild zu springen scheinen) und abstrakten Elementen, etwa den großen neonfarbenen Tupfern und den Pastelltönen, die beim Aufprall des Balls hochspritzen und auseinanderstieben.
 
„Der Detonante“ mit einem Herz-Ballon-Ansatz.

„Der Detonante“ mit einem Herz-Ballon-Ansatz. | © Arturo Zepeda

Sucht man in dem Wandgemälde von Seher One nach weiteren Komponenten dieser Sportart, dann findet man neben dem Ball (dem wohl offensichtlichsten Bezug) auch jenes unbeschreibliche Gefühl, das dich befällt, wenn deine Mannschaft das alles entscheidende Tor schießt und in die nächste Runde der Meisterschaft kommt. Ein Tor, das mit dem Wort „Gol!” (das Wort auf Spanisch für „Tor") kommentiert wird, dessen „o“ so ausgiebig in die Länge gezogen wird, bis man atemlos zurückbleibt, einmal kurz Atem schöpft und sich dann erneut die Lunge aus dem Leib schreit. Ein wahrer Fußballrausch.

Das 45 Meter lange und 8 Meter hohe Wandgemälde ist Teil der Kampagne „Atrévete a crear“ (etwa: „Mut zur Kreativität“), die Nike anlässlich der Copa América 2015 ins Leben rief und die in Zusammenarbeit mit Künstlern wie dem Argentinier Carlos Tévez (und der Firma Comex in Mexiko) in ganz Lateinamerika durchgeführt wurde. Im Rahmen dieser Initiative wurden in den Städten junge Fußballtalente gesucht und verschiedene urbane Künstler eingeladen, die die Leidenschaft für den Sport auf den Fußballplätzen der Stadtviertel einfangen sollten — zum Beispiel in dieser Wohnsiedlung.

Über Seher One

Über David Piñón (Seher One), einen jungen Mann, der im Bezirk Iztapalapa geboren wurde und seit einiger Zeit auch international für seine Wandmalereien bekannt ist, hat Artbits bereits zu anderen Gelegenheiten berichtet. In seinen Arbeiten tauchen für gewöhnlich Elemente der vorspanischen kulturellen Ikonografie auf, beispielsweise Totenköpfe und gefiederte Schlangen, aber auch Motive, die die mexikanische Vielfalt verkörpern sollen, etwa Ozelote, Maiskolben, Kakteen oder Adler, die er oft bruchstückhaft, entstellt und mit anderen Elementen verwoben präsentiert. Auf diese Weise kreiert er neue Bilder und dynamische Kompositionen, die Bewegung simulieren. Seher hat seine Spuren in den Straßen verschiedener mexikanischer Bundesstaaten hinterlassen, etwa in Guerrero, Tamaulipas, Baja California oder Estado de México, aber auch in anderen Ländern wie Frankreich, Marokko, Österreich und den Vereinigten Staaten.

Heute gilt der Künstler neben Dan SiIva (alias Pólvora), Edgar Flores (alias Saner), Paola Delfín und Leo Monzoy als einer der führenden Vertreter des zeitgenössischen Muralismus, wie die Wissenschaftlerin Cynthia Arvide Sousa in ihrem Buch Muros Somos: 33 murales con historia (etwa: „Wir sind Mauern: 33 Wandbilder mit Geschichte“) herausstellt.

In demselben Buch weist die Autorin und Journalistin darauf hin, dass der mexikanische Muralismus einhundert Jahre nach den Werken der ersten Generation, zu denen namhafte Vertreter wie Aurora Reyes, David Alfaro Siqueiros, Diego Rivera und José Clemente Orozco zählten, derzeit eine Renaissance erlebe. Laut der Autorin erkennen zwar einige zeitgenössische Künstler*innen den Einfluss dieser Muralisten in ihren Werken an, viele andere versuchen hingegen, sich von ihnen zu distanzieren. Sie streben nach einem neuen Ansatz, mit neuen Themen, Techniken und Emotionen, die die Besonderheiten dieses Jahrhunderts reflektieren. Seher One ist sicher einer von ihnen.

Schauen Sie sich dieses Wandbild auf Youtube an:

(Ab Minute 00:23)
 

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