WorldPride in D.C.  It's More Than Pride

World Pride DC Bus Goethe-Institut

Auf den weltweit stattfindenden Pride-Paraden feiern queere Menschen vielfältige geschlechtliche Identitäten und sexuelle Orientierungen und fordern gleiche Rechte für alle – dieses Jahr besonders groß in Washington, D.C. Doch woher kommt diese Tradition?

Der Beginn einer Bewegung

Im Stonewall Inn, einer Bar in Lower Manhattan, erblickte im Hochsommer des Jahres 1969 die moderne LGBTQIA+ Bewegung das Licht der Welt. Unterdrückt durch diskriminierende Gesetze und verfolgt von staatlicher Gewalt blieb der queeren Community oft nur der Rückzug in private und teilweise illegale Räume. Razzien der Polizei waren keine Seltenheit. Doch die Brutalität, mit der sie im Stonewall Inn in der Christopher Street in New York City vorgingen, veranlasste die Gäste der queeren Bar zur Gegenwehr. Tagelang dauerten die Straßengefechte an und sendeten ein Signal des Widerstandes an Gleichgesinnte in den USA und darüber hinaus – bis in die Gegenwart.
Stonewall Inn nach dem Orlando Night Club Shooting mit Trauerkerzen und Blumen, 2016

Das Stonewall Inn ist bis heute ein Erinnerungsort, an dem Mitglieder und Verbündete der Community ihre Trauer ausdrücken. Hier zu sehen ist die Anteilnahme nach einem Attentat in einen Club in Florida, der vor allem von Schwulen besucht wurde. | Rhododendrites, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Ein Sicherer Ort

Für viele Menschen sind Pride-Paraden ein Safe Space. Umgeben von Gleichgesinnten und frei von Anfeindungen können Queers feiern: “Pride ist die Gelegenheit, zu feiern und wirklich stolz darauf zu sein, wer man ist und wer wir sind, ohne Entschuldigungen”, meinen Roman und Richard Baran aus New York, die seit 2012 verheiratet sind. Für viele ist es jedoch mehr als das – immer wieder liest man auf Schildern oder Regenbogenflaggen den Satz ‘Stonewall was a Riot’ (Stonewall war ein Aufstand). Er erinnert daran, dass gleiche Rechte und die Anerkennung ihrer Identitäten gegen massive Widerstände erkämpft werden mussten.
"Stonewall was a Riot" auf einer Regenbogenflagge beim Christopher Street Day in Berlin 2018

"Stonewall was a Riot" auf einer Regenbogenflagge beim Christopher Street Day in Berlin 2018 | Sven Volkens, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Kämpfe der Vergangenheit?

Für viele jüngere Mitglieder der queeren Community wird vor allem die gleichgeschlechtliche Ehe ein Meilenstein gewesen sein. In den letzten 25 Jahren ermöglichten die USA, Kanada und viele Länder in Europa, genauso wie Mexiko, Argentinien und weitere Nationen die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare. Früher dominierten andere Themen: Die AIDS-Epidemie in den 80er Jahren, der hunderttausende zum Opfer gefallen sind, die Pathologisierung Homosexueller – die WHO betrachtete bis 1990 die gleichgeschlechtliche sexuelle Orientierung als psychische Krankheit – sowie ihre Dämonisierung und Kriminalisierung. In Deutschland wurde erst 1994 nach der Wiedervereinigung der Paragraph 175 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. In Westdeutschland war sogar noch lange die Gesetzesfassung aus dem Nationalsozialismus zur Anwendung gekommen. Der rosa Winkel, mit dem in Konzentrationslagern Homosexuelle markiert wurden, ist heute ein Symbol der Gegenwehr für die LGBTQIA+-Bewegung.
1996: Ausstellung des AIDS quilt in Washington, D.C., mit dem U.S. Capitol im Hintergrund

1996: Ausstellung des AIDS Quilt in Washington, D.C., mit dem U.S. Capitol im Hintergrund. Als eines der größten gemeinsame Kunstwerke der Welt erinnert es an die Namen derer, die an AIDS getorben sind. | Highsmith, Carol M., Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C.; LC-HS503- 2457

Viele dieser Entwicklungen haben Teile der Welt noch nicht erreicht. In 66 Nationen ist Homosexualität illegal, teilweise wird sogar die Todesstrafe angewendet. Auch die rechtliche Situation für Transpersonen ist in vielen Ländern kritisch, ihre Transition wird erschwert oder sogar verboten. Vor allem für die diesjährige WorldPride in D.C. und ihre internationalen Gäste sind diese Fragen von großer Bedeutung. Neben Sportveranstaltungen, Festivals und natürlich der großen Parade werden eine Human Rights Conference abgehalten, ökumenische Gottesdienste und Veranstaltungen für die Anerkennung von Black, LatinX und gehörlosen Menschen organisiert. Pride versteht sich als politisch, global, und intersektional.

Rolle Rückwärts

Doch auch in Ländern wie den USA oder Deutschland ist die Situation nicht mehr die, die sie noch vor wenigen Monaten war. Die Veranstalter des Berliner Christopher Street Days, eines der größten Pride-Events Europas, verlieren Sponsoren und können daher keine Delegation nach Washington schicken. Mit Blick auf die Politik der derzeitigen Regierung in den USA berichtet der Vorstand des CSD in Berlin:
Die zunehmende Bedrohung queerer Menschen in den USA beobachten wir mit großer Sorge.
Vorstand des Berliner Christopher Street Days
Queere Menschen sind dort wiederholt das Ziel von Diskriminierung geworden. Die Behandlung von HIV-Patient*innen im In- und Ausland wird hinterfragt, mit Auszeichnungen gewürdigte Soldat*innen aus dem Militär entlassen. Erst vor 15 Jahren hatten die USA Homosexualität im Militär legalisiert. Mitglieder der queeren Community fürchten um Repressionen und rücken zusammen. “Während die politische Stimmung finsterer wird, unfreundlicher gegenüber der LGBT+ Community, ist es wichtig, dass wir Stellung beziehen und unseren rechtmäßigen Platz in der Gesellschaft beanspruchen”, schieben Richard und Roman Baran ihre Furcht beiseite.
"Gay Vietnam Veteran" Grabstein auf dem Congressional Cemetery in D.C.

"Gay Vietnam Veteran" Grabstein auf dem Congressional Cemetery in D.C. Der Soldat Leonard Matlovich wurde trotz seiner militärischen Auszeichnungen aus der Air Force entlassen - wegen seiner Homosexualität. | Ryanhgwu at English Wikipedia, Public domain, via Wikimedia Commons

Tradition der Demonstration

Ähnlich wie Stonewall ist auch der Marsch auf Washington ein Symbol geworden. Die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung hatte 1964 den Grundstein dafür gelegt, Ungleichheiten anzuprangern und politische Forderungen auf die Straßen und in das Herz der US-amerikanischen Demokratie zu tragen. 1979 reisten Menschen aus verschiedensten Ländern nach Washington, D.C., um Gleichberechtigung für die queere Community zu fordern. Wie die World Pride in diesem Jahr war es auch damals Protest und Fest in einem:
Wir spüren unsere Wut und unseren Schmerz, aber auch Jubel und Glückseligkeit – und eine innere Ruhe. Wir marschieren. Wir lachen. Wir küssen und wir umarmen uns. Wir werden wiederkommen.
Alan Young beim National March on Washington for Lesbian and Gay Rights, 1979