SURVIVAL-KIT STUDIUM  „Ich bin als Studentin mit zwei Kindern ein Sonderfall“

Survival-Kit Studium Jule Foto (Ausschnitt): Unsplash © Hitoshi Suzuki / Privat

Jule, 28 Jahre alt, studiert im Master Praktische Philosophie der Wirtschaft und Umwelt an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. In unserem „Survival-Kit Studium“ erzählt sie uns, wie es ist, gleichzeitig zu studieren und zwei Kinder großzuziehen.

Das größte Klischee über deinen Studiengang – und was davon wahr ist:

Es wird oft davon gesprochen, Philosophen und Philosophinnen säßen im Elfenbeinturm. Das kann, vor allem in der Theoretischen Philosophie, auch manchmal zutreffen. Mein Studium widmet sich jedoch ausdrücklich der Praktischen Philosophie. Wir setzen uns mit ganz konkreten Themen auseinander, beispielsweise mit Klimagerechtigkeit.

Wie sieht dein normaler Tagesablauf aus?
 
Während der Vorlesungszeit stehe ich früh auf und bringe mein Kind zur Tagesmutter, bevor ich an die Uni fahre. Dort besuche ich Vorlesungen und bereite mich in der Bibliothek auf die Seminare vor. Am Nachmittag hole ich mein Kind wieder ab. Erst wenn es abends eingeschlafen ist, kann ich eventuell noch mal etwas lesen.
 
Während der vorlesungsfreien Zeit stehen wir als Familie alle zusammen auf. Wir haben mittlerweile noch ein zweites Kind bekommen. Die ältere Tochter bringen wir in den Kindergarten und während der Kleine schläft, nutzen wir Eltern die Zeit zum Arbeiten. Genauso abends, wenn beide Kinder im Bett sind. Ich arbeite gerade an meiner Masterarbeit. Einmal in der Woche habe ich Präsenzzeit bei meinem Hiwi-Job an der Uni und bearbeite dann im Büro meine Arbeitsaufträge.

Auf was hättest du verzichten können?
 
Ich bin als Studentin mit Kind, und jetzt mit zwei Kindern, ein Sonderfall. Das hat mich anfangs nervös gemacht: Schaffe ich das alles? Wie reagieren meine Mitstudierenden, Professoren und Professorinnen?

Das hat mich anfangs nervös gemacht: Schaffe ich das alles?

Außerdem war das Studienfach neu für mich – heute würde ich alles etwas entspannter angehen.
 
Welchen Tag an der Uni wirst du nie vergessen?

Als ich mit dem Studium begonnen habe, hatte ich wahnsinnigen Respekt vor den Studenten, die den Professoren und Professorinnen vor den Seminaren ausgeholfen haben und mit ihnen per Du waren. Dann kam der Tag, an dem ich zum ersten Mal meinem Prof als Hiwi, also als wissenschaftliche Hilfskraft, den Beamer vor vollem Hörsaal einstellen musste. Das hat sich ganz selbstverständlich angefühlt. Erst als ich draußen war, habe ich bemerkt, dass ich jetzt plötzlich eine von denen war, die mich früher so beeindruckt haben.
 
Wenn du dein Studium noch einmal beginnen könntest: Was würdest du anders machen?
 
Ich würde selbstbewusster an die Sache herangehen, mir mehr zutrauen. Und mehr Sekundärliteratur lesen!
 
Was hat dich regelmäßig zur Verzweiflung gebracht?
 
Ich habe immer einen sehr engen Zeitrahmen und muss viel hin- und herjonglieren. Dadurch werde ich beim Arbeiten regelmäßig in meinem Flow unterbrochen, weil ich anfangs beispielsweise zum Stillen nach Hause musste, oder meine Tochter aus der Betreuung abholen muss. Diese Sachen haben eben Priorität und können nicht warten.
 
Was war oft deine Rettung?

Der Vater meiner Kinder, der mich in den heißen Phasen so viel wie möglich unterstützt und mir den Rücken freigehalten hat. Und natürlich meine Kinder, die mir immer wieder klarmachen, dass alles halb so schlimm ist, solange es den beiden gut geht.

Was hast du am letzten Tag des Monats gegessen, wann war Sparen angesagt?
 
Gespart haben wir schon immer. Wir leben sehr bewusst und versuchen, Ressourcen zu sparen und beispielsweise alles gebraucht zu besorgen. Wir brauchen nicht viel und haben verhältnismäßig geringe Lebenshaltungskosten als Kleinfamilie. Großes Glück hatten wir auch mit unserer Wohnung: Sie ist preiswert und trotzdem sehr gemütlich.

Welche Frage hörst du auf Familienfeiern jedes Mal?
 
„Wann bist du denn endlich mal fertig damit?“

Wenn du nicht gerade an der Uni bist: Wo kann man dich finden?
 
Meistens zu Hause, denn es gibt immer etwas zu tun, sei es Bauklötze aufsammeln, Löcher in Hosen flicken, oder Fahrräder reparieren. Ich bin aber auch häufig mit meinen Kindern unterwegs auf Ausflügen und bei Freunden zu Besuch.

Was war der teuerste Preis für eine gute Note?
 
Eindeutig die große Nervosität vor Referaten. Und das, obwohl ich das eigentlich sehr gerne mache.

Uni heißt auch: Lernen fürs Leben. Was hat dir dein Studienfach für deinen weiteren Weg mitgegeben?
 
Die richtige Frage zu stellen ist manchmal viel wichtiger, als richtige Antworten zu finden.
 

„Survival-Kit Studium“

Wo in Deutschland kann man gut studieren? Wie lässt es sich als Student gut leben? Und wie übersteht man die erste Fachschaftsparty und die Fragen auf Familienfeiern?

Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen erzählen von ihren Erlebnissen an den Unis in Deutschland, ihrem Alltag – und was sie manchmal zur Verzweiflung bringt.