Survival-Kit Studium  „Architekt*innen müssen Verantwortung für Gebäude übernehmen.“

Ein Student mit Brille in einem schwarzen Pullover vor einem Dschungelhintergrund
Entwurf von Raumstationen wird in den nächsten Jahrzehnten ein wichtiger Bestandteil der Architektur sein, sagt Gregor. Foto (Detail): © Axel Lippmann

Gregor studiert an der Universität Kassel und absolviert zurzeit sein Praktikum in einem Architekturbüro in München. In unserem Survival-Kit-Studium erzählt er uns davon, wie Meditation seinen Corona-Alltag rettet und welches Baumaterial momentan eine große Renaissance erlebt.
 

Informationen

Name: Gregor
Alter: 24
Studiengang: Architektur 
Universität: Universität Kassel und zurzeit im Praktikum in einem Architekturbüro in München

  
Das größte Klischee über Deinen Studiengang – und was davon gestimmt hat:
Es gibt diesen Spruch: „Zeige mir, was du trägst, und ich sage dir, was du studierst.“ Ich finde ihn sehr amüsant, gleichzeitig trifft er ziemlich oft zu. Architekturstudent*innen kleiden sich eher lässiger im Vergleich zu anderen Student*innen, und das macht sie ziemlich sympathisch, wie ich finde. Ein weiteres Klischee ist, dass das Studium extrem zeitaufwendig ist – das hat sich auf jeden Fall bestätigt. Ich musste schon mal die eine oder andere Nachtschicht absolvieren.
 
Wie sieht Dein Alltag aus?
Vor der Pandemie sah der Alltag so aus, dass man sich morgens zu den Vorlesungen mit seinen Kommiliton*innen und den Freund*innen getroffen hat. Covid hat das leider ausgehebelt. Diese wichtige Erfahrung, diese zwischenmenschliche Kommunikation, die fehlt jetzt komplett. Nun beginne ich meinen Tag mit Sport oder Meditation. Da die Vorlesungen online stattfinden, kann ich meine Zeit etwas flexibler gestalten. Durch den Online-Unterricht verschwimmt die Grenze zwischen dem, was man machen muss und dem, worauf man Lust hat. Da besteht die Gefahr, dass man sein Pensum nicht schafft. Ich bevorzuge deutlich die Präsenzveranstaltungen. Zu Hause befinde ich mich allein in einer Wohlfühl- und einer Entspannungsatmosphäre. Dabei ist das Architekturstudium doch eher für große Veranstaltungs- oder Workshopräume bekannt. Um mich herum sind dann andere Architekturstudent*innen, die Modelle bauen oder Zeichnungen anfertigen, und das inspiriert mich. Zu Hause gibt es das nicht.  
  
Auf was hättest Du nicht verzichten können?
Ich hätte in meinem ersten Semester nicht auf die Präsenzveranstaltungen oder die Gruppenarbeiten verzichten können. Im Team zu arbeiten, motiviert einen und ist eine wichtige Sache. In meinem früheren Psychologiestudium war ich viel auf mich allein angewiesen und habe vor allem Texte gelesen und geschrieben. Jetzt arbeite ich meistens in Kleingruppen. Dadurch gewinnt man so viel mehr. Gerade die ersten drei Semester im Studium sind sehr schwierig, da ist es besonders gut, andere Leute um sich zu haben und sich gegenseitig zu unterstützen. Darauf hätte ich nicht verzichten können.

Das aktuelle Thema Nachhaltigkeit hat dem Holz wieder einen richtig großen Boom beschert.

Welchen Tag an der Uni wirst Du nie vergessen?
Das war in meinem zweiten Semester bei einem digitalen und sehr experimentellen Einführungsprojekt. Hier haben wir modernste Fabrikationsmethoden, in dem Fall die Fabrikation mit einem Roboter, mit traditionellen Baustoffen - in diesem Fall Holz - verbunden. Ich fand sehr interessant, dass mit Hilfe modernster Fabrikations-, Entwurfs- und Gestaltungsmethoden traditionelle und historische Baumaterialien eine Renaissance erleben. Das aktuelle Thema Nachhaltigkeit hat dem Holz wieder einen richtig großen Boom beschert. Ich werde nie vergessen, wie dieser Roboterarm unsere einzelnen Holzelemente gegriffen und sie an einem anderen Punkt abgesetzt und miteinander verbunden hat.
 
Wenn Du Dein Studium noch einmal anfangen könntest: Was würdest Du anders machen?
Ich bin im Großen und Ganzen ziemlich zufrieden. Vielleicht würde ich etwas lockerer mit dem Studium umgehen. Besonders jetzt im Praktikum merke ich, wie wahnsinnig viel Zeit das Berufsleben kostet und dass das Studium, wie es viele Leute sagen, die beste Phase im Leben ist. Man hat so viele Möglichkeiten. Die Universitäten bieten die unterschiedlichsten Sportarten an: z. B. Kung Fu, Rudern oder Tennis. Das würde ich stärker nutzen, wenn ich neu anfangen würde. Zum Glück habe ich noch zwei, drei Jahre Uni vor mir.

Was hat Dich am meisten geärgert?
Man ärgert sich wahrscheinlich immer über einzelne Bestandteile von Kursen, weil man sich schwer tut oder man in dieser Situation nicht den Nutzen daran sieht. Aber im Nachhinein fand ich alles sinnvoll. Natürlich kann es ärgerlich sein, wenn man sehr viel Arbeit in ein Modell oder einen Entwurf gesteckt hat, und dann kommt viel Kritik von den Professor*innen daran. Denn auch wenn es teilweise konstruktive Kritik ist, ist in der Architektur vieles doch Geschmacksache.
 
Was war oft Deine Rettung?
Bei heftiger Kritik bespreche ich die Entwürfe mit meinen Freund*innen aus der Uni. Auf diese Weise erhalte ich weitere Eindrücke, Ratschläge und Tipps, die ich in den Entwurf einfließen lassen kann. Außerdem können sie mir Feedback geben und sagen, ob die Professor*innen vielleicht Recht hatten oder den Entwurf zu Unrecht kritisiert haben. Es ist nicht immer einfach, wenn man negative Kritik bekommt, gleichzeitig motiviert ein Lob natürlich sehr. Ich habe auch gemerkt, dass mir Sport und Meditation helfen, all dies gut zu bewältigen. Deshalb versuche ich vor der Arbeit zu meditieren. Wenn man sich auf die Meditation einlässt, dann kann sie ein wahnsinniges Gefühl auslösen.
 
Was hast du am letzten Tag des Monats gegessen, wann war Sparen angesagt?
Ich esse sehr gerne Spaghetti mit Ketchup, dieses Essen ist nicht nur in Zeiten des Sparens angesagt – das ist natürlich ironisch gemeint. Ich muss sagen: Beim Essen spare ich sehr ungern. Mir ist es wichtig, dass ich hochwertige Lebensmittel zu mir nehme. Ich würde dann wahrscheinlich bei anderen Sachen wie zum Beispiel Kleidung oder der Wohnung weniger Geld ausgeben. Gutes Essen ist mir sehr wichtig, und ich koche auch gerne gut.
 
Welche Frage hörst Du auf Familienfeiern jedes Mal?
Leider ist meine Familie nicht mehr so groß. Früher kamen meine Großmutter und meine Tante häufig zu Besuch. Sie haben nie gefragt: „Was machst du jetzt aus dir?“ oder „Wann bist du endlich fertig?“, sondern ich habe immer sehr unterstützende Worte gehört. Meine Familie unterstützt mich immer sehr, darüber bin ich sehr glücklich.

Auf was bist du stolz?
Das war ein Projekt an der Uni, bei dem es um die Weltraumarchitektur ging. Die meisten Menschen sind da bestimmt irritiert, weil sich kaum jemand den Entwurf von Raumstationen als Aufgabenbereich von Architekt*innen vorstellt. Aber meiner Meinung nach wird dies in den nächsten Jahrzehnten ein wichtiger Bestandteil der Architektur sein. Ich bin stolz darauf, dass wir in unserem Utopie-Entwurf entwickelt haben, wie eine Station für Weltraumtourismus oder Forschung in der Zukunft aussehen könnte. Und ich fand es schön, dass das so eine spielerische Idee war und dass wir uns nicht nur mit dem Hier und Jetzt beschäftigt haben. Für mich ist es wichtig, dass man ein bisschen träumen kann.
 
Was war der teuerste Preis für eine gute Note?
Das sind die Nachtschichten. An einem Abend haben wir im Team sogar an zwei Projekten gearbeitet. Eines war für einen Wettbewerb, bei dem wir mitmachen wollten, und das andere Projekt war die letzte Abgabe für die Uni. Ich saß erst an den Plänen des Uni-Projektes und anschließend an den Plänen für das Wettbewerbsprojekt. Das ging die ganze Nacht. Morgens um 8 Uhr habe ich die Pläne ausgedruckt, die CDs gebrannt, alles abgeheftet und zum Sekretariat gebracht. An dem Tag war ich 30 Stunden wach. Ich habe mich zwar nicht besonders fit gefühlt, aber für diese Aufgaben war das nötig und hat sich gelohnt. So etwas schweißt auch die Gruppe sehr zusammen, deswegen möchten wir, wenn wir uns wieder an der Uni treffen können, noch einmal ein gemeinsames Projekt durchführen. Ich hoffe, dass wir auch nach dem Studium in Kontakt bleiben.
 
Uni heißt auch: Lernen fürs Leben. Was hat Dir Dein Studienfach für Deinen weiteren Weg mitgegeben?
Ich habe gelernt, dass man als Architekt*in Verantwortung für die Gebäude übernehmen muss, die man baut. Ich finde es falsch, nur das zu bauen, was man möchte. Stattdessen muss man einen Mix finden aus dem, was einen architektonisch begeistert und der Verantwortung, die man für die nächsten Generationen und für den Planeten trägt. Man kann riesige Skyscraper aus Stahl und Glas bauen, und natürlich sind sie ästhetisch, aber richtig verantworten kann man das nicht. Ich glaube, die Zukunft gehört dem Baumaterial Holz, das ja nicht nur zu den traditionellsten Baumaterialien gehört, sondern sich auch besonders in den letzten Jahren zu einem der modernsten entwickelt hat. In naher Zukunft könnten schon die ersten Skyscraper aus diesem Baumaterial wie Bäume in den Himmel ragen.
 

Survival-Kit Studium

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Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen erzählen von ihren Erlebnissen an den Unis in Deutschland, ihrem Alltag – und was sie manchmal zur Verzweiflung bringt.