Weit entfernt © IllustrisTNG Collaboration (Ausschnitt)

Weit entfernt in Raum und Zeit

Unser Wissen über das Universum ist in den letzten 100 Jahren unvorstellbar schnell gewachsen. Heute stehen den Wissenschaftler*innen Raumsonden und Hochleistungsteleskope zur Verfügung, die Einblicke in die Tiefen des Universums erlauben. 

Dabei werden alle Bereiche der elektromagnetischen Strahlung genutzt – von Radiowellen bis zur hochenergiereichen Gammastrahlung. Denn jeder Spektralbereich eröffnet ein eigenes Fenster zum All. Superrechner werten die riesigen Datenmengen aus. So können kosmische Phänomene aller Art in bisher nicht gekannter Genauigkeit untersucht werden. Im Jahr 2015 wurden die Untersuchungsmöglichkeiten um eine weitere, völlig neuartige Methode ergänzt: Jetzt können Wissenschaftler*innen auf der Erde auch Gravitationswellen messen – und damit astronomische Ereignisse erkunden, für die es bisher noch gar keine Messmethode gab.

Virtuelles Weltall
Für die bisher größte und detailreichste Simulation der Vorgänge bei der Entstehung des Universums, IllustrisTNG, „füttern“ die Forscher*innen den Hochleistungsrechner Hazel Hen in Stuttgart mit Daten vom Anfangszustand des Kosmos. Der Supercomputer berechnet dann die Entwicklung des Alls über mehr als 13 Milliarden Jahre. Dafür braucht es 16.000 Prozessorkerne („cores“), die mehr als ein Jahr lang rund um die Uhr arbeiten – umgerechnet auf einen einzelnen modernen PC entspricht dies einer Rechenzeit von 15.000 Jahren. In bisher einmaliger Form und Genauigkeit zeigt die Simulation den Forscher*innen großräumige Zusammenhänge im Universum, aber auch Details wie Gasflüsse in Galaxien.

Dunkle Materie und Dunkle Energie
Das Universum besteht nur zu einem sehr kleinen Teil aus Sternen, Planeten und anderen Himmelskörpern, die wir beobachten können. Der Rest – immerhin 95 Prozent – sind Dunkle Materie und Dunkle Energie.

Dunkle Materie ist nicht sichtbar, sie macht sich aber durch ihre Gravitation bemerkbar. Würde es die Dunkle Materie nicht geben, müsste sich die sichtbare Materie im All anders verhalten. Zum Beispiel müssten Galaxien wie unsere Milchstraße dann auseinanderfliegen. Dunkle Energie ist die Bezeichnung für einen Effekt, mit dem Astronom*innen die beschleunigte Ausdehnung des Universums erklären. Aufgrund der gegenseitigen Anziehung von Massen müsste sich das Universum in seiner Ausdehnung verlangsamen. Gemessen wird aber das Gegenteil: Das Universum dehnt sich immer schneller aus! Das lässt sich nur erklären, wenn das Universum zu etwa 70 Prozent aus Dunkler Energie besteht.

Die Suche nach den Geisterteilchen
Dunkle Materie, die im Weltall fünfmal häufiger vorkommt als „normale“ Materie, können wir weder sehen noch direkt messen. Forscher*innen vermuten, dass sie aus bisher unbekannten Elementarteilchen besteht, die mit der sichtbaren, „normalen“ Materie nur sehr schwach interagieren. Mit dem CRESST-Experiment suchen sie nach diesen Teilchen: Unter dem Gran Sasso, einem Bergmassiv in Italien, befindet sich ein Untergrundlabor mit hochsensiblen Detektoren – in jeder Richtung abgeschirmt von mehr als 1400 Metern Fels. Alle „normalen“ Teilchen, die aus dem Weltall auf die Erde treffen, werden von der Materie des Bergs abgefangen. Die „dunklen“ Elementarteilchen sollten den Fels dagegen nahezu ungehindert durchdringen. Die eigentlichen Messinstrumente sind ultrareine Kalziumwolframat-Kristalle, die auf fast –273 Grad Celsius gekühlt werden. Wenn ein Dunkle-Materie-Teilchen auf einen der Kristalle stößt, steigt die Temperatur um etwa ein millionstel Grad an. Diesen minimalen Unterschied messen hochempfindliche Thermometer.
  Zwei Forscher bestücken den Detektor des CRESST-Experiments im Gran-Sasso-Untergrundlabor. Zwei Forscher bestücken den Detektor des CRESST-Experiments im Gran-Sasso-Untergrundlabor. | © Astrid Eckert

Urknall
Eines der größten Rätsel der Wissenschaft ist die Frage nach dem Ursprung des Universums. Wir wissen heute, dass sich das Universum ausdehnt. Auch die Art und Weise kennen wir. Rückwärts betrachtet verdichten sich Materie und Energie unendlich. Und genau dort muss der Anfang unseres heutigen Universums liegen – rein rechnerisch vor 13,8 Milliarden Jahren. Doch dieser Urknall beschreibt keine Explosion in einem Raum. Nach der heute vorherrschenden Theorie ist er der Anfang von Raum, Zeit und Materie.

Grafik Urknall © Aber wie soll die enorme Menge an Materie und Energie, die das Weltall enthält, in einem so winzigen Punkt zusammengepresst sein? Damit der Urknall – so wie er heute beschrieben wird – funktionieren kann, muss es ganz am Anfang eine sehr kurze, extrem schnelle Ausdehnung geben: die überlichtschnelle Inflation. Mit Messmethoden, die auf elektromagnetischer Strahlung beruhen, kann dieser Bereich nahe am Urknall nicht untersucht werden – mithilfe von Gravitationswellen schon.

Urknall oder Urprall?
Beim Urknall entstehen aus dem Nichts Raum, Zeit und Materie – so die gängige Theorie. Mit den heutigen Kenntnissen lassen sich alle Vorgänge ab etwa einer milliardstel Sekunde nach dem Urknall berechnen. Der sehr kurze, aber für das Verständnis extrem wichtige Bereich direkt nach dem „Knall“ liegt noch im Dunkeln. Hier setzt die Forschung von Anna Ijjas an, einer jungen Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik. Das zyklisches Modell, an dem sie arbeitet, geht davon aus, dass ein vorheriges Universum sich langsam auf etwa 10-25 cm zusammengezogen und dann wieder ausgedehnt hat. Der Urknall wäre demnach eher ein sanfter Urprall. Ein notwendiger Teil der Urknalltheorie, den die Wissenschaft bisher nicht erklären kann, ist die Inflation – die extrem schnelle Ausdehnung ganz kurz nach dem „Knall“. Das Urprallmodell kommt ohne diese Vermutung aus.
  Was war vor dem Urknall? Vielleicht ein früheres Universum? Was war vor dem Urknall? Vielleicht ein früheres Universum? | © Anna Ijjas

Gravitationswellen
Albert Einstein hat wieder einmal recht: Am 14. September 2015 werden erstmals Gravitationswellen gemessen, 100 Jahre nachdem er sie in seiner Relativitätstheorie beschreibt. Aber was sind Gravitationswellen? Nach Einstein hinterlässt jede Masse Dellen in der vierdimensionalen Raumzeit. Bewegen sich diese Massen, entstehen Wellen. Diese Wellen breiten sich im All mit Lichtgeschwindigkeit aus und verzerren dabei den Raum.

Im All entstehen ständig Gravitationswellen. Sie können auf der Erde aber nur dann gemessen werden, wenn sehr große Massen sich sehr schnell bewegen – zum Beispiel beim Verschmelzen von zwei Schwarzen Löchern. Genau das wird im September 2015 gemessen. Dazu braucht man sehr empfindliche Messinstrumente: Die beiden riesigen Interferometer, die die Signale auffangen, stehen in den USA. Doch ein großer Teil der hochpräzisen Technik, die in diesen Messgeräten steckt, und auch viele der Auswertungsprogramme kommen aus Deutschland – vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam und Hannover.
 
© Max-Planck-Gesellschaft
Galaxien
Galaxien sind „Welteninseln“ im unendlichen Meer des Kosmos. Hier sammeln sich Sterne, Planetensysteme, Staubwolken, Gasnebel und Dunkle Materie. Zusammengehalten werden sie durch Gravitation. Galaxien haben unterschiedliche Strukturen – von einfachen Ellipsen bis hin zu hochkomplexen Spiralgalaxien mit definierten „Armen“ wie unsere Milchstraße. Mehrere Galaxien finden sich schließlich zu Gruppen und Haufen unterschiedlicher Größe zusammen. Die größten dieser Galaxienhaufen enthalten mehrere Tausend Galaxien.

Der Andromeda-Nebel ist die uns am nächsten gelegene Galaxie, die ungefähr so groß ist wie die Milchstraße. Er ist das am weitesten entfernte astronomische Objekt, das wir von der Erde aus mit bloßem Auge sehen können.
  Andromeda Galaxy Andromeda Galaxy © ESO/S. Brunier

Supernova
Manche Sterne sterben einen spektakulären Tod: Die helle Explosion eines massereichen Sterns am Ende seiner Entwicklung wird Supernova genannt. Die Bezeichnung (nova = lateinisch neu) geht zurück auf Tycho Brahe. Der dänische Astronom beobachtet im Jahr 1572 das plötzliche Auftauchen eines sehr, sehr hellen Sterns, wo vorher absolut nichts zu sehen ist.

Bei einer Supernova-Explosion wird ein großer Teil des Sterns in Energie umgesetzt und auf einmal abgestrahlt. Übrig bleibt ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch. Besonders beeindruckend ist eine Supernova, wenn ein massereicher sogenannter Riesenstern, zum Beispiel ein Roter Riese, sein Brennmaterial verbraucht hat. Durch die eigene Schwerkraft fällt er in sich zusammen und setzt dabei ungeheure Mengen an Energie frei. Die Supernova kann dann für eine Weile heller strahlen als die gesamte Galaxie, in der sie sich befindet.

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