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Die Reise unserer Gene

Bereits vor mindestens 200.000 Jahren verlassen frühe „moderne Menschen“ erstmals den afrikanischen Kontinent. Die anderen Menschenformen bleiben aber in Europa und Asien noch lange weitgehend unter sich. Die extrem erfolgreiche Ausbreitung des Homo sapiens beginnt vor ca. 60.000 Jahren. Er kann sich gut an neue Lebensräume anpassen und besiedelt Stück für Stück die ganze Welt. In einigen Regionen leben verschiedene Menschenformen lange Zeit neben- und miteinander. Mithilfe neuester Untersuchungsmethoden können Wissenschaftler*innen nachweisen, dass in heutigen Menschen genetische Spuren von Neandertalern und Denisovanern überlebt haben.

Die Menschheitsgeschichte ist ein sehr aktives Forschungsfeld. Immer wieder werden neue Fossilien und Artefakte entdeckt, moderne Forschungsmethoden ermöglichen völlig neue Einsichten in Zusammenhänge.
Auch die Analysemethoden entwickeln sich sehr schnell. Svante Pääbo, Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, gilt sogar als Begründer einer komplett neuen Forschungsrichtung – der Paläogenetik. Die Genanalyse von Knochenfunden verändert unser Bild von der Entwicklung des Menschen radikal. Hier ist der Forschungsstand des Jahres 2020 abgebildet: Welche neuen Erkenntnisse gibt es wohl mittlerweile?

Der Ursprung der Menschheit
Eine neue Art entsteht nicht an einem Tag, sondern in einem sehr langen Prozess. Das ist bei der Entstehung des Homo sapiens nicht anders. Bei Ausgrabungen im marokkanischen Jebel Irhoud werden 2017 rund 300.000 Jahre alte Knochen des frühen Homo sapiens entdeckt. Das widerspricht der lange geltenden These von der Entstehung des modernen Menschen in Ostafrika. Heute wissen wir, dass sich der „moderne Mensch“ bereits vor etwa 300.000 Jahren über den gesamten afrikanischen Kontinent ausbreitet. Das belegen auch die 260.000 Jahre alten Fossilien aus dem südafrikanischen Florisbad. Die Menschheit entsteht also durch frühe Wanderungsbewegungen und eine komplexe Evolution auf dem ganzen afrikanischen Kontinent. Durch ein soziales Netzwerk werden Gene und Kulturtechniken über große Distanzen hinweg weitergegeben.

Jebel Irhoud, Marokko © Shannon McPherron, MPI EVA Leipzig, License: CC-BY-SA 2.0


Wanderungsbewegungen des „modernen Menschen“

300.000 Jahre
Jebel-Irhoud-Höhle
2017, Marokko

Die mit 300.000 Jahren bislang ältesten Knochen und Steinwerkzeuge des Homo sapiens widerlegen die alte These der alleinigen Entwicklung des „modernen Menschen“ in Ostafrika.

190.000 - 200.000 Jahre
Omo Kibish
1967, Äthiopien

Die Knochenfunde Omo I-III sind sehr frühe Überreste des Homo sapiens. Lange gelten sie als Beweis für die Entstehung des „modernen Menschen“ in Ostafrika.

90.000 Jahre
Al-Wusta
2018, Saudi-Arabien

Ein in der Nefud-Wüste gefundener Fingerknochen ist das älteste bisher bekannte Fossil des Homo sapiens außerhalb Afrikas. Heute ist die arabische Halbinsel extrem trocken, doch damals gibt es hier grüne Landschaften, Flüsse und Seen.

70.000 - 80.000 Jahre
Denisova-Höhle
2010, Russland

Die DNA-Analyse eines winzigen Fingerknochens führt zu einer überraschenden Erkenntnis: Der Knochen gehört zu einer bisher völlig unbekannten Menschenform.

63.000 Jahre
Tam-Pa-Ling-Höhle
2009, Laos

Die hier entdeckten Knochen einer Frau sind die ältesten bekannten Fossilien des „modernen Menschen“ in Südostasien.

45.000 Jahre
Ust’Ishim
2008, Russland

Vor etwa 45.000 Jahre beginnen die Vorfahren heute lebender Europäer und Asiaten, sich getrennt voneinander zu entwickeln. Das verrät uns das Genom eines Homo sapiens, der in Ust’Ishim lebte.

42.000 Jahre
Neandertal-Höhle
1856, Deutschland

Die im Neandertal gefundenen Fossilien werden bereits im 19. Jahrhundert als Knochen einer eigenständigen Menschenform erkannt. Die später nach dem Fundort benannten Neandertaler sterben vor etwa 40.000 Jahren aus. Manche ihrer Gene haben jedoch in den „modernen Menschen“ bis heute überlebt.

42.000 Jahre
Mungo-See
1974, Australien

Lange Zeit gilt der „Mungo Man“ als ältester Nachweis einer Besiedelung Australiens. Neueste Forschungsergebnisse weisen jedoch darauf hin, dass dort bereits vor 65.000 Jahren Menschen lebten.

40.000 Jahre
Tianyuan-Höhle
2003, China

Die Genanalyse des Oberschenkelknochens eines Homo sapiens aus der Höhle bei Peking beweist: Die indigene Bevölkerung Amerikas ist mit heute lebenden Asiaten deutlich näher verwandt als mit Europäern.

Die Besiedelung Amerikas
Amerika ist die letzte große Landmasse, die der Homo sapiens besiedelt. Aber wie und wann kommen die Menschen dorthin? Die überzeugendste und allgemein anerkannte These geht von einer Besiedelung über den Landweg zwischen Sibirien und Alaska aus. Den Landweg? Heute ist die Beringstraße eine 82 Kilometer breite und bis zu 50 Meter tiefe Meerenge. Doch in der Kaltzeit vor 20.000 Jahren liegt der Meeresspiegel sehr viel niedriger und die Region ist besiedelt. Damals gibt es auch in Nordamerika viele Gletscher. Deshalb gehen Archäolog*innen lange davon aus, dass die Menschen sich erst nach dem Ende der Kaltzeit nach Süden ausbreiten können. Doch dazu passen einige Funde im Süden des Kontinents nicht. Manche Forscher*innen glauben daher, dass es schon frühere Besiedlungen gibt – vielleicht durch Menschen, die von Sibirien, dem Südpazifik oder sogar von Europa aus Amerika mit Booten erreichen.

20.000 Jahre
Serra da Capivara
1980er-Jahre, Brasilien

Ist Amerika bereits seit mehr als 20.000 Jahren besiedelt? Malereien sowie Funde von Steinwerkzeugen und Holzkohle lassen das vermuten – allerdings ist die Datierung umstritten. Für manche Forscher*innen sind sie dennoch zumindest ein Hinweis, dass Menschen schon damals mit einfachen Booten aus Westafrika über den Atlantik kommen.

13.000 Jahre
Clovis
1937, USA

Besonders verarbeitete Speerspitzen aus Feuerstein sind typisch für die Clovis-Kultur. Die Menschen, die sie herstellen, kommen über die Beringstraße aus Sibirien. Sie gelten lange als die ältesten Amerikaner.

13.000 Jahre
Hoyo-Negro-Unterwasserhöhle
2007, Mexiko

Das fast komplett erhaltene Skelett eines Mädchens und viele weitere Funde in den letzten Jahren in diesem Höhlensystem legen nahe, dass die Besiedelung Amerikas weitaus komplizierter verlaufen sein könnte als bisher gedacht.
 

Prähistorische Kunst

Lange vor unserer Zeit schaffen Menschen beeindruckende Kunstwerke, nicht nur der frühe Homo sapiens, auch die Neandertaler haben uns bedeutende Zeugnisse hinterlassen.

115.000 Jahre
Aviones-Höhle
2010, Spanien

Durchbohrte Muscheln, Farbreste und sogar komplexe Farbmischungen: Bereits vor mehr als 100.000 Jahren stellen Neandertaler in dieser Höhle symbolische Objekte her.

44.000 Jahre
Leang-Bulu’-Sipong-Höhle
2017, Indonesien
Die Abbildungen mehrerer Tiere und Tier-Mensch-Wesen gehören weltweit zu den ältesten Darstellungen dieser Art – erschaffen von „modernen Menschen“.

40.000 Jahre
Stadel-Höhle
1939, Deutschland

Der etwa 40.000 Jahre alte Löwenmensch gehört zu den ältesten figürlichen Kunstwerken der Welt. Die Skulptur ist meisterhaft aus Mammutelfenbein geschnitzt und ermöglicht einen kleinen Einblick in die spirituelle Welt des Homo sapiens.
  Loewenmensch © Museum Ulm CC BY-SA
35.000 Jahre
Chauvet-Höhle
1994, Frankreich

Die heute sehr berühmten Höhlenmalereien in Südfrankreich sind von ganz besonderer Schönheit. In der Chauvet-Höhle im Ardèche-Tal erschaffen „moderne Menschen“ über mehrere Tausend Jahre hinweg 400 Wandbilder mit rund 1000 Einzeldarstellungen.
  Chauvet-Höhle - Höhlenmalereien Chauvet´s cave horses, Thomas T. from somewhere on Earth, lizensiert unter CC BY-SA 2.0
8000 Jahre
Ha'il-Region
2017, Saudi-Arabien

Vor mindestens 15.000 Jahren beginnen Menschen, Wölfe zu zähmen und Hunde zu züchten. Über 1400 in Felsen geritzte Abbildungen zeigen, welche Rolle Hunde bei der Jagd gespielt haben könnten. Anscheinend sind einige Hunde sogar angeleint.
  Hunde © Maria Guagnin et al. / Journal of Anthropological Archaeology

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