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Ale Cohen und Dublab
Der Sound von Los Angeles

Im Studio von Dublab in Los Angeles (vorne Stefan Kloo, hinten Sascha Ehlert und Ale Cohen)
Im Studio von Dublab in Los Angeles (vorne Stefan Kloo, hinten Sascha Ehlert und Ale Cohen) | Foto: Stefan Kloo

Seit Jahren sagt unser Kollege Stefan Kloo aus Los Angeles, dass wir unbedingt ein Porträt des wunderbaren extraordinären Radiosenders Dublab machen sollen. Hier ist es! Sascha Ehlert hat Ale Cohen im Dublab-Studio in Los Angeles besucht. Ale ist seit Jahrzehnten mit Dublab verbunden. Und Stefan Kloo hat Fotos gemacht.
 

Von Sascha Ehlert

Sascha Ehlert: Ich möchte gerne mit dir zusammen Dublab, die Geschichte und die Gegenwart eures Senders zusammenzufassen – weil ich das Gefühl habe, dass noch nicht genug Leute von eurer Unternehmung wissen …

Ale Cohen: Stimmt, Dublab hat es – ob das schlecht oder gut ist, sei dahingestellt – stets geschafft, ganz knapp unter der Oberfläche zu schwimmen. Und ich mag das, das hat etwas Gutes.

Unter welchen Umständen wurde Dublab eigentlich gestartet?

Dublab begann 1999 – und um zu verstehen, warum das Projekt entstanden ist, musst du zunächst wissen, wie die US-amerikanische Medienlandschaft Ende der Neunzigerjahre aufgebaut war. Zu dieser Zeit hatte die FCC (Federal Communications Commission, eine dem US-Handelsministerium unterstellte Behörde, die für die Kommunikationswege Rundfunk, Satellit und Kabel zuständig ist, Anm. d. Red.) tausenden Community-Radio-Stationen ihre Lizenzen entzogen, und sie durften nicht mehr senden. Das heißt: Es gab nun ein großes Loch in der Medienwelt, und es war plötzlich beinahe unmöglich, etwas über Radiowellen zu senden – außer für große Unternehmen. Es war in Vergessenheit geraten, dass diese Radiofrequenzen eigentlich uns, der Bevölkerung, gehören, weil sie beinahe komplett von den großen kommerziellen Radiostationen okkupiert waren.

Dublab entstand also aus der Notwendigkeit, einen Ort zu finden, mit dem es möglich wäre, der eigenen Community und DJs eine Stimme zu geben. Dafür gab es lange die College Radios, von denen aber viele in dieser Zeit ihre Lizenz verloren hatten. Dublab entstand aus dem Gedanken heraus, so ein Graswurzel-orientiertes Community-Radio ins Internet zu bringen. Ebenfalls in den späten Neunzigerjahren hatte man entdeckt, dass man über das Internet Sound tatsächlich live abspielen kann – eine Idee, die heute so etabliert ist, dass die Menschen darüber gar nicht mehr nachdenken. Aber damals erschien einem diese Möglichkeit, live zu streamen, schlicht als etwas Großartiges. Und daraus wurde dann Dublab.

Wenn du dir die DNA des Senders anschaust, dann basiert die immer noch auf diesen Ideen aus den Neunzigerjahren und der Kultur von Nonprofit-College-Radiostationen, die lange einen großen Einfluss auf die Subkultur gehabt hatten. Wir waren und sind bis heute sehr beeinflusst von solchen Radiostationen wie KPFK, WFMU oder KXP, die vor Jahrzehnten die Art und Weise erdacht haben, wie man ein Community-Radio aufbaut und leitet. Unsere Gründer hatten zuvor auch für College-Radiostationen gearbeitet. Von diesem Ausgangspunkt aus sind wir gewissermaßen gemeinsam mit dem Internet gewachsen. Genauso wie sich das Internet weiterentwickelte, so morphte Dublab auch immer wieder, indem wir experimentierten und schauten, was funktioniert.

Ich weiß, dass viele andere Online-Radiostationen von uns gelernt haben oder unterbewusst von Dublab beeinflusst worden sind – mittlerweile existiert die dritte Generation digitaler Radiosender – und diese Stationen, die um 2022 herum gegründet wurden, wissen möglicherweise gar nicht mehr, dass Dublab einer der Vorreiter für das war, was sie heute machen. Und ich finde das großartig.
 

  • Dublab-T-Shirt in LA Foto: Stefan Kloo
    Dublab-T-Shirt in LA
  • Ale Cohen (links) und Sascha Ehlert (rechts) im Dublab-Studio in LA Foto: Stefan Kloo
    Ale Cohen (links) und Sascha Ehlert (rechts) im Dublab-Studio in LA
  • Sticker im Studio von Dublab in Los Angeles Foto: Stefan Kloo
    Sticker im Studio von Dublab in Los Angeles
  • Ale Cohen Foto: Stefan Kloo
    Ale Cohen
  • Dublab-Maskottchen Foto: Stefan Kloo
    Dublab-Maskottchen
  • Der Eingang zum Dublab-Studio in University Park in Los Angeles Foto: Stefan Kloo
    Der Eingang zum Dublab-Studio in University Park in Los Angeles
  • Eingang des Dublab-Studios im historischen Gebäude des „Department of Water and Power of the City of Los Angeles” Foto: Stefan Kloo
    Eingang des Dublab-Studios im historischen Gebäude des „Department of Water and Power of the City of Los Angeles”
  • Dublab Stickers Foto: Stefan Kloo
    Dublab Stickers
  • Ale und Sascha im Gespräch Foto: Stefan Kloo
    Ale und Sascha im Gespräch
  • Radio Forever – im Dublab-Studio Foto: Stefan Kloo
    Radio Forever – im Dublab-Studio


Hast du denn selbst auch bei einem College Radio gearbeitet, bevor du zu Dublab kamst?

Ich war eigentlich von Anfang an bei Dublab. Zu Beginn nicht als Gründer, aber als einer der artists, die das erste Netzwerk des Senders bildeten. Ich hing in den frühen Tagen immer im ersten Dublab-Studio rum. Meine damalige Band spielte irgendwann ein Konzert für Dublab. Dann fing ich an, als DJ für den Sender aktiv zu werden und so weiter. Ich selbst war nicht auf einem College, habe allerdings häufig DJ-Sets bei College Radios gespielt.

Was für Musik hast du damals gemacht?

Das war elektronische Musik, die auf Plug Research (ehemaliges Label von unter anderem Flying Lotus, Exile, Bilal und mehr) erschienen ist. Ich habe aber auch mit kleinen britischen und deutschen Labels zusammengearbeitet.

Was hat dich zu dieser Zeit besonders an Dublab angezogen?

Ich habe von Dublab durch DJ Hoseh erfahren, der bis heute bei Dublab ist. Als ich dann das erste Mal ins Studio kam, hatte ich direkt das Gefühl, meinen Platz gefunden zu haben. Ich hatte meinen „Tribe“ gefunden. Die Stimmung war sehr entspannt, alle machten ihr Ding, und ich hatte sofort das Gefühl, ich könnte ein Teil davon sein. Es waren nie persönliche Ambitionen oder so, sondern einfach das Gefühl, nette Menschen getroffen zu haben, mit denen ich gern mehr Zeit verbringen würde. Und dieses Gefühl habe ich heute immer noch.

Wo befand sich das Dublab-Headquarter damals?

Der Ort, an dem wir uns gerade befinden, ist unser viertes Zuhause in der Geschichte des Senders. Ganz am Anfang waren wir bei den Paramount Studios auf der Melrose Avenue in einem Ladengeschäft. Nach ein paar Monaten zogen wir dann zum ersten Mal um, allerdings innerhalb des Gebäudes – nur eine Etage höher. Dort blieben wir ungefähr drei Jahre, bevor wir dann nach Silver Lake zogen, was dann 18 Jahre lang unser Zuhause blieb. Als dann allerdings während der Pandemie ein neuer Besitzer ins Spiel kam, zogen wir hierher nach University City, wo wir uns nun seit Anfang 2022 befinden.

Wir glauben daran, dass wir gemeinsame Orte brauchen.

Ich hab das eben auch deshalb gefragt, weil Dublab zwar ein digitales Projekt ist, mich aber auch interessieren würde, inwieweit der physische Space, an dem der Sender gemacht wird und die Veränderungen, die Los Angeles in den letzten 25 Jahren durchgemacht hat, den Inhalt eures Senders beeinflussen?

Nun ja, natürlich ist das Los Angeles der späten Neunzigerjahre nicht das Los Angeles von 2023. Als Dublab anfing, war es zudem noch unvorstellbar, Radiosendungen ohne ein professionelles Radiostudio zu erstellen. Du brauchst außerdem, so dachte man damals, einen physischen Ort, an dem Menschen zusammenkommen und ihre Ideen austauschen – und von dort aus sendest du dann in die Welt hinaus. Außerdem waren die Mieten in Los Angeles zu dieser Zeit sehr niedrig, unser erstes Büro war sehr günstig. Und das blieb auch alles so, bis Technologie immer günstiger wurde, Smartphones und Social Media fortgeschrittene Technik in immer kleinere Formen gossen, die Streaming-Plattformen entstanden – und diese Überzeugung, dass du einen physischen Ort brauchst, um Radiosendungen zu erstellen, erodierte langsam aber sicher.

Es wurde immer mehr in Frage gestellt, ob du dieses Zusammenkommen von Menschen brauchst. Gerade, weil parallel dazu die Mieten immer weiter stiegen, dachten die Leute immer häufiger: Hm, vielleicht brauchen wir gar nicht am selben Ort sein, um Dinge zu kreieren. Wir sind ja heute viel flexibler. Wir brauchen kein Studio mehr, wir können einfach mit dem Telefon oder dem Laptop etwas aufnehmen. Damit geht eine Entwicklung einher, dass immer mehr öffentliche Orte verschwinden – aus verschiedenen Gründen. Aber: Wir glauben nicht, dass das so sein sollte. Wir glauben daran, dass wir weiterhin gemeinsame Orte brauchen, Plätze, an denen eine Community aus artists zusammenkommen kann, um gemeinsam Content zu erstellen, der nicht im eigenen Schlafzimmer gemacht wird.

Ich denke, Orte wie ein Radiostudio bieten einer Gesellschaft etwas, das du nicht mit deinen Fingern auf dem Screen erreichen kannst. Wir würden so weit gehen zu sagen, dass unser Programm, die Musik, die du online anhören kannst, nur zur Hälfte unsere Mission und Aufgabe als Dublab ausmacht. Dieser Ort, an dem wir beide uns gerade treffen, und was hier passiert, ist die andere Hälfte. Vielleicht rennt hier eine DJ in eine andere, weil sie beide am selben Tag eine Show aufzunehmen haben, und aus dieser Zufallsbegegnung wird dann eine produktive Arbeitsbeziehung.

Wenn du einfach dein Ding machst, wird es am Ende funktionieren.

Sind der Glaube an den gesellschaftlichen Nutzen dessen, was ihr tut, und der Wunsch, Offline-Begegnungsorte aufrecht zu erhalten denn auch die Hauptgründe dafür, dass du nun schon seit über zwei Jahrzehnten Teil von Dublab bist?

Am Ende schon, denke ich. Manchmal ist es natürlich entmutigend zu sehen, wie irgend jemand irgendwelchen Unfug auf den Social-Media-Kanälen redet und damit 25 Millionen Menschen erreicht, während wir eine stille Stimme sind, unzählige Stunden in unsere Radio-Dokumentationen investieren und damit vielleicht 30.000 Menschen erreichen. Natürlich denkst du da manchmal: Oh my god, Ich könnte mir auch einfach vor einer Kamera meine Hose runterziehen und würde sehr viel mehr Leute erreichen, aber am Ende kann ich das meist sehr gut ignorieren – das sind dann doch nur Hintergrundgeräusche.

Ich glaube: Wenn du einfach dein Ding machst, du dafür die richtigen Systeme etablieren kannst und Jahr für Jahr konsistent bleibst, wird es am Ende schon funktionieren. Ich glaube, qualitativer Content ist langlebiger.

Gab es für dich einen entscheidenden Moment, in dem du realisiert hast, dass Dublab mehr als eine Unternehmung auf Zeit ist? Als dir klar wurde, dass es vorstellbar ist, dass du die Hälfte deines Lebens damit verbringst? Und: Hinterfragst du deine Entscheidung für dieses Leben heute immer noch?

Oh, das tue ich jeden Tag. Finanziell war Dublab immer irgendwie stabil. Vor der Pandemie war ich dennoch persönlich an einem Ort, an dem ich alles sehr hinterfragt habe. Dublab befand sich in einer Art Leerlauf, wir hatten zwar immer gerade genug Geld, um den nächsten Monat die Rechnungen zu bezahlen, ohne allerdings die Gewissheit zu haben, dass es den Monat darauf noch immer gut gehen würde – und davon war ich einfach müde. Aber über die letzten Jahre wurden wir dann zum Glück immer stabiler, weil wir irgendwie an einen Ort kamen, an dem es einfacher wurde, vorauszuplanen. Dadurch wiederum ist bei mir dieser Reflex, mich ständig zu hinterfragen, stärker in den Hintergrund getreten. Nichtsdestotrotz: Ich denke, dass es gut ist, sich niemals zu „sicher“ zu fühlen, damit der Geist der ganzen Angelegenheit lebendig bleibt.
 

Hinweis der Redaktion

Dublab bietet Raum für vielfältige Stile, Epochen, Genres und Musikkulturen, die hier problemlos co-existieren können, DJs werden ermutigt, aufzulegen wofür sie sich leidenschaftlich interessieren, wodurch jede Sendung einzigartig wird. Dublabs facettenreiches Programm und das Leitmotiv „Dublab pflegt und unterstützt lokale kulturelle Ökosysteme weltweit. Durch kommunal gestaltetes Radio fördert Dublab Neugier, Experimentierfreude, Inklusivität und Verbundenheit“ wurden auf der ganzen Welt gehört und fanden Anklang bei Gleichgesinnten weit über Los Angeles hinaus. Nach der Gründung der Schwesterstationen Dublab Japan im Jahr 2012 und Dublab Spain im Jahr 2014 überzeugte ein Besuch von Ale in Deutschland den bereits erfahrenen Online-Radiomacher Joscha Creutzfeldt, Mitstreiter zu mobilisieren und 2015 den deutschen Ableger von Dublab zu gründen. Dublab.de sendet seitdem online aus Köln in die Welt und verbreitet den Geist und die Werte, die Dublab über die Jahre kultiviert hat. Tut euch selbst einen Gefallen und hört mal rein: dublab.de. Gefällt, ja? Gern geschehen!

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