Job

Gestatten: Bestatter!

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(K)ein Job wie alle anderen

Foto: M.M. Sand, CC BY-SA 2.0
Foto: M.M. Sand, CC BY-SA 2.0

Fragt man Julian Holzhüter (16) aus Achim nach seinen Hobbys, dann antwortet er: „Das Übliche! Gitarre spielen, ins Kino gehen, Freunde treffen. Eben das, was jeder Jugendliche gern tut.“ Zusätzlich hat Julian aber noch einen Nebenjob, der ein bisschen spezieller ist: Er arbeitet bei einem Bestattungsunternehmen und will damit später auch sein Geld verdienen.

Julian, wie bist du auf die Idee gekommen, als Bestatter zu jobben?

Das war zuerst eine Mischung aus Notwendigkeit, Neugier und Mutprobe. Mir hat noch ein Praktikum im sozialen Bereich gefehlt. Das machen viele im Kindergarten, im Krankenhaus oder in einem Altenheim. So etwas hat mich aber überhaupt nicht gereizt. Also habe ich mich entschlossen, dieses Praktikum bei einem Bestattungsinstitut zu absolvieren. Interessiert hat mich das schon länger. Außerdem wollte ich meine eigenen Grenzen austesten. Ich wollte wissen, ob ich mit dieser Art von Arbeit klarkomme.

Hattest du im Umgang mit den Verstorbenen Berührungsängste?

Anfangs ja. Meine erste Tote war eine ältere Dame, das war auch das erste Mal überhaupt, dass ich eine Leiche gesehen habe. Es ist sehr ungewohnt, wenn man einen Körper vor sich hat, in dem einfach kein Leben mehr ist. Normalerweise bewegt sich ja immer irgendetwas: Der Mensch atmet, das Herz schlägt, irgendwo zuckt ein Muskel – es ist schon komisch, wenn das alles fehlt. Aber das habe ich dann relativ schnell überwunden. Ich habe mir einfach gesagt: Das ist ja immer noch ein Mensch.

Ganz ehrlich: Ist die Arbeit manchmal auch ein bisschen gruselig?

Nein! Oder ja…doch. Einmal gab es eine Situation. Während einer Nachtschicht musste ich die Sicherung wieder einlegen und hatte keine Taschenlampe dabei. Ich tastete mich also im Stockfinsteren voran und wusste genau: Unter mir, im Keller, liegen lauter tote Menschen. Das gab definitiv ein Gänsehautgefühl. Aber heute lache ich darüber.

Welche Aufgaben übernimmst du genau?

Ich helfe bei der Abholung des Verstorbenen, bei der hygienischen Versorgung und der Vorbereitung für die Bestattungsfeier. Manches übernehme ich schon selbstständig, bei Trauergesprächen habe ich bislang aber nur dabei gesessen.

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Will Bestatter werden. Der 16-jährige Julian Holzhüter, Foto: © privat

Wie ist denn der Umgang mit den Angehörigen?

Überraschend interessant. Die Gespräche sind oft auch gar nicht so traurig, wie viele denken. Manche Leute lassen das Leben des Verstorbenen noch einmal Revue passieren. Da fallen dann Sätze wie: „Mensch, der ist 90 geworden, das muss man sich mal vorstellen!“ Oder: „Weißt du noch, damals, da hat unser Vati das und das gemacht…“ Dann wird sogar gemeinsam gelacht. Es kommt aber immer auf die Umstände an. Den meisten fällt der Abschied leichter, wenn die 80-jährige Großmutter friedlich einschläft, als wenn ein Familienvater mit Mitte 40 an einer schweren Krankheit stirbt. Diese Gespräche erfordern natürlich Fingerspitzengefühl. In der Ausbildung gibt es Schulungen, später entwickelt dann jeder seinen eigenen Stil. Patentrezepte für das perfekte Trauergespräch gibt es nicht.

Dein Praktikum und auch deine Arbeit haben dich ja in deinem Berufswunsch bestätigt. Was genau magst du an deiner Tätigkeit besonders gern?

Das hängt ein bisschen mit meinem Lebensstil zusammen: Ich wollte schon immer etwas machen, was kein anderer tut. Dadurch habe ich mir bewusst einen Beruf ausgesucht, der nicht so üblich ist und den viele auch nicht unbedingt machen wollen. Davon abgesehen schätze ich an dem Beruf, dass er nie langweilig wird und dass es immer etwas Neues gibt. Für mich sind die Verstorbenen nicht nur einfach Körper, die ich entsprechend herrichten muss. Dahinter steht ja immer ein eigenes Leben, eine eigene Geschichte. Durch die Gespräche mit den Angehörigen bekommt man oft ein recht genaues Bild, wer diese Menschen waren. Das ist wie ein Puzzle, das sich nach und nach zusammensetzt und das finde ich unglaublich spannend.

Wie sieht es denn mit dem Finanziellen aus? Kann man als Bestatter gut verdienen?

Viele Leute denken, dass Bestatter echte Großverdiener sein müssen, weil Beerdigungen recht teuer sind. Eine Beerdigung kostet im Durchschnitt etwa 5000 Euro. Dabei muss man allerdings bedenken, dass darin bereits alle Kosten enthalten sind: Der Blumenschmuck, die Grabstätte, der Sarg und so weiter. Das geht also längst nicht alles an den Bestatter. Dennoch: Ja, insgesamt kann man von dem Job ganz gut leben.

Die Serie „Six feet under“ [die im Bestattermilieu spielt, Anm. d. Redaktion] hat folgenden Satz geprägt: „Gestorben wird immer.“ Das heißt, Bestatter werden immer etwas zu tun haben. Gibt es in einem so traditionellen Gewerbe auch Modernisierungen?

Auf jeden Fall. Die feierliche Atmosphäre im Beerdigungsinstitut und der Bestatter im schwarzen Anzug, das ist zum Beispiel typisch deutsch. In anderen Ländern geht das oft viel lockerer zu. Mittlerweile ist es gar nicht mehr so unüblich, dass in den Sargkatalogen schicke Models neben dem Sarg posieren. Es gibt inzwischen auch Eventbestattungen, da wird anstatt einer Trauerfeier eine Party organisiert. Doch auch wenn sich dort ein Wandel vollzieht: So etwas wie einen Bestatter wird es immer geben. Das ist eine Tätigkeit, die keine noch so moderne Maschine komplett übernehmen kann. Mit anderen Worten: Der Job hat Zukunft!

Apropos Zukunft: Wie reagieren denn andere auf deine Berufspläne?

Ganz unterschiedlich. Ein Großteil meiner Familie unterstützt mich sehr. Meine Omas dagegen sagen mir ziemlich direkt: „Du willst Bestatter werden? Du spinnst doch!“ (lacht). Befremdet sind schon einige, aber wirklich negative Reaktionen gibt es selten. Viele fragen auch interessiert nach, was genau ich da mache. Eigentlich ist es mir aber egal, was andere denken. Trotzdem würde ich an dieser Stelle gern mit einem gängigen Klischee aufräumen: Bestatter sind nicht grundsätzlich kauzige Charaktere mit einem Sinn fürs Morbide und bei der Arbeit unterhalten wir uns auch nicht bloß über das neuste Sargmodell. Wir quatschen über das Wetter, über Musik oder Fußballergebnisse, wie alle anderen auch. Und genau wie alle anderen machen wir einfach nur unseren Job.

Das Interview führte Janika Rehak

Copyright: Goethe-Institut Prag
Februar 2013

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