Kultur

Ein greifbarer Traum

Markéta Kubátová

Wenn Autoren ihre Werke selbst herausgeben

Illustration zu der Geschichte „Züge“. © Markéta Kubátová
Illustration zu der Geschichte „Züge“. © Markéta Kubátová

Der Traum aller „Schubladen“-Autoren ist es, ein eigenes Buch herauszugeben, um ihre Geschichten und Gedanken mit der Öffentlichkeit zu teilen. Heute ist das nicht mehr so ein Problem wie früher. Trotzdem ist es immer noch eine recht teure Angelegenheit. Ginge das nicht alles billiger, unabhängiger, mit eigener Kraft? Muss ein junger Schriftsteller auf seine Gelegenheit warten oder kann er selbst diese Gelegenheit herbeiführen? Einige Autoren aus Brno wollten nicht warten und nahmen die Sache in ihre eigenen Hände.

„Wenn man sich ein Buch kauft, ahnt man oft nicht, was alles passiert ist, bevor es in den Laden kam“, erklärt der 23-jährige Libor. „Wir alle haben aber die Möglichkeit, das festzustellen – wir sind nämlich an fast jedem Teil dieses Prozesses beteiligt.“ Das Projekt mit dem inoffiziellen Namen Picknick auf dem Friedhof entstand im Frühjahr 2012 aus einer Idee des Schriftstellers Libor und der Polygrafin Lucie Plavcová heraus.

„Für mich war es wichtig, die Publikation des Buches zu erleben, dafür zu werben und es zu verkaufen. Ich möchte nämlich einmal jungen Künstlern helfen, bekannter zu werden“, erklärt Lucie, was sie an der ganzen Sache reizte.

„Der Gedanke, dass ich zusammen mit anderen Leuten ein Buch herausgebe, hat mich sofort begeistert“, sagt Libor. Zu Beginn waren sie nur zu zweit, er und Lucie. Gleichzeitig machte er auch seine Freundin, die Verfasserin dieser Zeilen, mit der Sache bekannt. Auch ich bin nach anfänglicher Skepsis dazu gestoßen und konnte noch weitere Gleichgesinnte für die Sache gewinnen. Dabei war es ein großes Glück, dass zu der Zeit gerade ein Literaturwettbewerb für Mittelschüler aus der Umgebung von Brno stattfand. Dadurch schlossen sich vier weitere Enthusiasten dem Projekt an, kurz darauf gleich noch mal vier Leute.

Bis Ende des Sommers 2012 sollte jeder eine Erzählung geschrieben haben, die er veröffentlicht sehen wollte. Libor hatte die Idee, dass es in dem Buch auch Illustrationen geben sollte. Damit beauftragte er seine Freundin Markéta Kubátová. „Ihre Zeichnungen fand ich schon immer ganz großartig“, so Libor. Markéta machte sich mit Begeisterung an die Arbeit.

Greifbare Gestalt

Im Herbst stellte sich dann für alle die Frage, wie man die gesammelten Materialen aus der elektronischen Form in ein handfestes Buch überführt. Lucie, die Buchwissenschaften studiert, fasste drei Möglichkeiten ins Auge. Das Buch an ihrer

Hochschule herausgeben, einen Verlag anzusprechen, oder im Selbstverlag herauszugeben. Zwischendurch hatten sie sich bereits für die letzte Variante entschieden. Dann jedoch nahm sich Miroslav Klepáček vom Verlag Sursum des Projektes an. Das große Glück ist dabei nicht nur, dass das Buch mit ISBN-Kennzeichnung erscheinen wird, sondern vor allem, dass der Verleger die Veröffentlichung auf eigene Kosten unternimmt – für beginnende Schriftsteller ist das eine große Unterstützung.

„Ester, meine Freundin, kümmert sich um die eigentliche Herausgabe, unsere Illustratorin liefert die Zeichnungen zu den einzelnen Erzählungen, und ich bin für die Korrekturen und den Klappentext verantwortlich“, erläutert Libor die Arbeitsteilung. Alle Autoren gemeinsam beraten über die Gesamtgestalt des Buches, die Vorgehensweisen, den Titel der Publikation. „Jede Meinung ist wichtig und wir sollten uns alle einig werden, sonst wäre es nicht gerecht“, betont Libor den demokratischen Charakter des Entstehungsprozesses. Dabei arbeiten nicht nur alle an Inhalt und Form des Buches mit, sondern beteiligen sich nach der Herausgabe an der PR und kümmern sich auch um den Vertrieb des Buches.

„Das soll alles über verschieden Zeitschriften und Magazine sowie Internetseiten geschehen. Wir wollen das Buch in Antiquariaten anbieten und Autorenlesungen veranstalten“, erläutert Libor die Pläne. Alle freuen sich bereits darauf, mit ihrem eigenen Buch in der Hand vor Zuhörern zu stehen und daraus vorzulesen. In vielen Fällen wird es ihre erste Autorenlesung sein. „Weil eine der Autorinnenaus der Slowakei ist, soll das Buch auch dort erscheinen.

Was denken die Autoren über das Projekt?

Pavlína Němcová (21)

Nicht nur für die Schublade zu schreiben, sondern auch etwas zu veröffentlichen, war immer mein Traum. Das war schon bei meiner ersten Erzählung so, die ich in der zweiten Klasse geschrieben habe, und dadurch auch auf dem Computer zu schreiben gelernt habe. Ich nehme an, dass es nicht allzu viele Exemplare geben wird. Aber sobald sie erschienen sind, kaufe ich mir ein paar und schenke sie meinen Nächsten. Ich denke, das werden die anderen auch so handhaben. Es wird uns alle sehr freuen, wenn die Bücher schließlich erschienen sind und auch gekauft werden.

Anna Tišnovská (18)

Vor allem empfinde ich das als so eine erste wirkliche schriftstellerische Prüfung. Ich erwarte in erster Linie, dass es viel Arbeit geben wird – sowohl was das Schreiben der Erzählung angeht als auch die Tätigkeiten rund um die Herausgabe des Buches.

Anna Jordanová (19)

Ich freue mich darauf wie ein Kind auf Weihnachten! Ich bin furchtbar neugierig, wie das Buch aussehen wird, das gilt vor allem für die Illustrationen, denn ich habe nicht den geringsten Schimmer, was man dazu zeichnen könnte. Wir freuen uns schon alle auf den Geruch eines frisch gedruckten Buches – unseres Buches!

 

Interview mit der Illustratorin des Buches, Markéta Kubátová

Markéta, wie lange hast du für das Zeichnen einer Illustration gebraucht, wie war die Arbeit für dich?

Zu Beginn hat das ziemlich lange gedauert, aber vor allem wohl deshalb, weil ich oft die Entwürfe und den Stil der Zeichnungen geändert habe. Es dauert immer ein Weilchen, bis ich herausgefunden habe, was ich mit dem Thema anfangen werde, so war es auch bei diesen Illustrationen. Darüber hinaus war das meine erste Erfahrung, also wusste ich oft nicht, was den Autoren der Geschichten gefallen wird. Aber sobald ich meinen Stil gefunden hatte, fiel es mir relativ leicht.

Eine Bedingung war, dass sie Zeichnungen schwarzweiß sein sollten. Dennoch hast du in einigen Farbe verwendet, welche Bedeutung hat das?

Eine rein persönliche. Nach der Lektüre der Geschichte ergab immer eine Farbe irgendeinen Sinn – zur Vorstellung des Frühlings gehören nun einmal blühende Bäume, und da musste ich eben die Farbe Rosa benutzen.

Die Illustrationen im Buch „Picknick auf dem Friedhof“ sind deine erste öffentliche Präsentation. Was versprichst du dir von dem Projekt und was hat es dir bisher gebracht?

Ich habe mir damit meinen Traum erfüllt. Ich wollte schon immer irgendeine Geschichte zeichnen, und noch mehr freut es mich, wenn es jemand wertschätzt. Und vor allem dann, wenn ich mir mit dem Autor der Geschichte einig bin. Das ist nicht selbstverständlich, denn jeder hat andere Vorstellungen und Phantasien. Am liebsten wäre es mir, wenn meine Arbeit den anderen gefällt und ich in diesem Bereich weiter tätig sein könnte. Ich mag sowohl Zeichnen, also Illustrationen, als auch Malen, dessen „Zauber“ ich aber erst in der letzten Zeit entdeckt habe. Dennoch bleibt das Zeichnen für mich so oder so die angenehmere Alternative – ich mag nämlich gerne saubere Arbeit und die Möglichkeit, das möglichst realistisch darzustellen, was ich will und was ich sehe.

An den Texten des Buches (ISBN 978-80-7323-262-7) haben mitgewirkt: Ester Dobiášová (20), Libor Kamenský (24), Anna Jordanová (19), Pavlína Němcová (20), Anna Tišnovská (18) und Vincent (19), Gabriela Klusalová (21), Zuzana Vernerová (21), Michaela Tabakovičová (22) und Jan Bartoloměj (25, Pseudonym).

Polygrafie ist zusammenfassender Begriff für Verfahren und Methoden des Offset- und Buchdrucks sowie verwandter Vervielfältigungsverfahren einschließlich der buchbinderischen Verarbeitung. Quelle: wikipedia
Ester Dobiášová
Übersetzung: Ivan Dramlitsch

Copyright: Goethe-Institut Prag
Dezember 2013

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