Leben

Ferdinand Porsche spaltet seinen tschechischen Geburtsort

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Das Geburtshaus Ferdinand Porsches in Vratislavice (Maffersdorf) soll wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt werden. Foto: © Christian Rühmkorf

„In keinem anderen Auto wehen Frauenhaare so schön, wie in einem Porsche Cabrio...“ Diese Hymne ist immer noch zu lesen auf der offiziellen Webseite des Geburtsortes von Ferdinand Porsche, Vratislavice - früher Maffersdorf. Die 8500-Seelen-Gemeinde im Norden Tschechiens wird nun die Geister, die sie rief, nicht mehr los. Das berühmteste Kind dieser Gemeinde ist zum größten lokalen Zankapfel geworden.

Nervös schiebt er die Rechtsexpertise auf dem Tisch hin und her. Bürgermeister Aleš Preisler ist erst seit drei Monaten im Amt. Aber er hat Schützenhilfe. Ihm zur Seite sitzen Vize-Bürgermeister Vladimír Braun und der Linksaußen-Aktivist Pavel Hrstka. „Die Sache könnte uns als ‚Propagierung des Nationalsozialismus‘ ausgelegt werden, wir bewegen uns am Rande der Legalität“, erklärt der Bürgermeister Mitte Dezember unsicher. Damals standen sie noch, die Schilder. An jedem Ortseingang von Vratislavice hießen sie Gäste willkommen mit dem Schriftzug „Geburtsort von Ferdinand Porsche“.

Der Käfer – ein Tscheche

Pavel Hrstka übernimmt. Er hält das Buch von Guido Knopp wie einen Schutzschild vor sich: Hitlers Manager. Ferdinand Porsche sei ein SS-Oberst und NSDAP-Mitglied gewesen, er habe initiativ mit den größten Verbrechern wie Himmler und Hitler verhandelt, um sich Arbeitskräfte, Zwangsarbeiter, für seine Fabrik zu sichern. Er habe Waffen entwickelt und dafür einen SS-Totenkopf-Ring bekommen. „Erst durch unseren Protest sind diese Informationen heute in der Porsche-Ausstellung hier zu lesen“. Die damalige Stadtführung wollte den Namen Porsche für sich nutzen und hatte an das neue Kultur- und Bildungszentrum einen gläsernen „Denkmal-Trakt“ anbauen lassen. Drei Porsche-Autos und ein paar Informationen hatten darin Platz. Für die nationalsozialistische Vergangenheit Ferdinand Porsches hat es nicht gereicht. Leerstelle. Und dann noch die Willkommensschilder.

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Mittlerweile entfernt: Die Schilder, die den Besucher im Geburtsort Porsche willkommen heißen. Foto: © Christian Rühmkorf

Das war zu viel für Pavel Hrstka. 2009 setzt er eine Petition auf. 150 Unterschriften sammelt er und stellt Strafanzeige gegen die Stadtväter wegen Propagierung des Nationalsozialismus. Aber sein Ziel – die Beseitigung der Porsche-Schilder am Ortseingang – hat erst eine Chance, seit der alte Bürgermeister gestürzt und Aleš Preisler ins Amt gehoben wurde. „Die Person Ferdinand Porsches mit seiner dunklen Vergangenheit würde ich in Vratislavice diplomatisch-taktisch verschweigen“, erklärt Hrstka. Und überhaupt: Der Käfer sei eine bloße Kopie der ursprünglichen Tatra-Konstruktion. „Das sind Fakten, die nie in der Legende von Herrn Porsche vorkommen.“

Vize-Bürgermeister Braun übernimmt. Die Porsche-Zentrale Stuttgart habe keinen Heller in Vratislavice investiert. „Aber wir sollen immer für alles dankbar sein? Wir Tschechen sollten endlich einmal stolz auf uns sein“. Braun redet sich in Rage. „Früher mussten wir die Sowjet-Fahne heraushängen, heute die der Europäischen Union. Warum?“

Für Porsche Durchfahrt verboten

Die Affäre um Ferdinand Porsche, mit dem sich nicht nur die Gemeinde selbst, sondern auch Tourismus-Veranstalter und Schulen in der Umgebung brüsten, hat viel Staub aufgewirbelt. Auch das Tschechische Fernsehen war zu Gast im kleinen Porsche-Ort. Hier steht noch sein bescheidenes Geburtshaus, an dem seit über zehn Jahren eine Gedenktafel angebracht ist. Die meisten Vratislavicer, die daran vorbeikommen, haben kein Verständnis für den Streit. „Ausgezeichneter Konstrukteur, ich bin froh, dass er hier geboren wurde“, strahlt ein älterer Mann in abgetragener Kleidung. Er sei Christ, und wenn Porsche was verbrochen habe, dann vergebe er ihm. Die Schilder müssten bleiben. „Ich bin stolz auf Porsche“, sagt auch der Eisenwarenhändler aus dem Nachbarhaus. Das Porsche-Geburtshaus hat kürzlich der zum Volkswagenkonzern gehörende Autohersteller Škoda gekauft. Es soll in den ursprünglichen Zustand versetzt werden.

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In der Porsche-Ausstellung wird auch über Porsches Verbindungen zum Nazi-Regime informiert. Foto: © Christian Rühmkorf

Milan Bumba hat auf Photoshop gezaubert. „Für Porsche Durchfahrt verboten“ steht jetzt auf dem Willkommensschild von Vratislavice, das er aus Protest auf die Webseite seines Porsche Classic Clubs gestellt hat. „Eines der Schilder an den Ortseingängen ist schon weg. Hat sich schnell jemand unter den Nagel gerissen“, lacht Bumba amüsiert. Die würden bald hoch gehandelt. „Aber ich war das nicht!“ Busfahrer Bumba sammelt seit 30 Jahren Volkswagen und Porsche. Über 20 Exponate präsentiert er in seinem privaten Museum in Vratislavice. Seit 1985 veranstaltet er jedes Jahr zum Geburtstag von Ferdinand Porsche ein Treffen von über 150 Autos. Im Kommunismus wurde Bumba dafür zum Verhör vorgeladen.

„Diese luftgekühlten Wagen sind die Liebe meines Lebens“, sagt Bumba und versteht die kleine Welt seiner Heimatgemeinde nicht mehr. In seinem Offenen Brief an den Bürgermeister ist von internationaler Schande die Rede, vom Rückfall in den Kommunismus. Gut, Porsche habe damals einen SS-Orden bekommen. Im Kommunismus wiederum seien die Leute zu Helden der Arbeit gekürt worden, vergleicht Bumba. „Das gleiche Lied. Ich behaupte, wenn er Hitlers Hand ausgeschlagen hätte, dann wäre auch er im Knast oder im KZ gelandet.“

Porsche ist schneller

Im Internet macht schon seit einiger Zeit eine zweite Petition die Runde – für Ferdinand Porsche, für die Willkommensschilder. Aufgesetzt hat sie Aleš Reiner, ein 26-jähriger Programmierer aus dem benachbarten Liberec. Er ist ein Militaria-Fan – ein seltsam beliebtes Hobby in Tschechien - aber sein Auto braucht er nur, um von A nach B zu kommen, Ferdinand Porsche selbst hat ihn nie interessiert. „An dieser Sache ärgert mich einfach die Scheinheiligkeit. Die ist unter den Tschechen weit verbreitet. Das ist doch keine Verherrlichung, kein goldenes Denkmal, das ist ein einfaches Schild, dass dieser Mensch hier geboren wurde.“

Aber der Protest hat nichts genützt: Noch vor Weihnachten ließ der Gemeinderat die Porsche-Schilder abflexen. Schon Tage zuvor war die Stuttgarter Porsche-Zentrale hellhörig geworden und hatte ihre drei Auto-Leihgaben aus dem Denkmal-Trakt abgezogen. Porsche ist eben schneller. Aber Aleš Reiners Petition läuft weiter und hat schon über 1650 Unterschriften. Und auch Milan Bumba plant für September 2014 das größte Protest-Treffen von Porsche-Fans. „Ich rechne mit 300 Autos, die nach Vratislavice kommen“, reibt sich Bumba die Hände. Die Publicity hilft seinem Porsche-Club. „Das wird unser motorisierter Protest zur Unterstützung von Ferdinand Porsche.“

Christian Rühmkorf

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
April 2014

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