Tote Käfer und ausgeblichene Tetrapaks
Die traurige Wahrheit über Prager Schaufenster
Was ist ein Schaufenster und wozu ist es da? Laut Wikipedia handelt es sich bei Schaufenstern um “meist großflächige Durchsichtfenster eines Handelsbetriebs oder einer Einrichtung, hinter denen Waren von außen sichtbar zur Schau gestellt werden oder auf Dienstleistungen hingewiesen wird.” Gablers Wirtschaftslexikon meint gar, dass Schaufenster sei ein “wichtiges Werbemittel des Einzelhandels zur Warenpräsentation.”Bei einem kurzen Spaziergang durch ein beliebiges Prager Wohnviertel – also abseits von romantischen Kirchtürmen, Fußgängerzonen und Prachtalleen – wird klar: Die Einzelhändler der tschechischen Hauptstadt sind über dieses Werbemittel erhaben, ja, sie lachen ihm geradezu keck und höhnisch ins Gesicht.
So auch in meinem Stadtteil Žižkov, einem ehemaligem Arbeiterviertel, das von einfallslosen Redakteuren leider oft völlig unberechtigt als Brooklyn Prags bezeichnet wird. Anblicke wie der folgende dürften sich einem in New York aber eher nicht bieten, das würde selbst in den Ghettos den empfindlichen Amerikanern zu sehr auf den Magen schlagen:
Dieses Bild sprang mir im Sommer in Gesicht, in einem der Gemischtwarenläden in der Nachbarschaft. Wäre da lediglich der tote Käfer, dem zufällig in diesem Schaufenster das letzte Stündchen schlug, könnte ich das dem Ladenbesitzer ja gar nicht übel nehmen. Aber was da sonst noch so für Dreck auf den weißen Schaufensterlaken herumliegt!
Ich würde diese Läden, von denen es in einem 100-Meter-Radius um meine Wohnung gefühlte fünfzehn gibt, mit den so genannten „Spätis“ in Berlin vergleichen – auch spät abends haben sie noch offen und versorgen Obdachlose und Menschen, die einen alternativem Lebensstil haben, mit Alkohol und Tabak. Schlecht organisierte Berufstätige wie ich kaufen hier am frühen Abend verschiedene Lebensmittel und andere lebensnotwendige Produkte, zum Beispiel Toilettenpapier. Dem schreibt der gleiche Einzelhändler, der schon durch tote Käfer zu locken wusste, offenbar starke Werbekräfte zu:
Meist arbeiten vietnamesisch-stämmige Einzelhändler in solchen Läden. Man muss aber betonen: Es handelt sich hier nicht um ein Phänomen, das sich auf von Vietnamesen betriebene Geschäfte mit langen Öffnungszeiten beschränkt.
Auch tschechische Supermarktbesitzer mit kundenunfreundlichen Öffnungszeiten weisen in Hinsicht schrecklicher Schaufensterdekorationen beachtliche Leistungen vor. So schaudert es mir allein beim Anblick der folgenden Deko-Idee, an welcher der Zahn der Zeit ausgiebig genagt hat. So sehr, dass ich mich bislang nicht dazu durchgerungen habe, den dazugehörigen Laden überhaupt zu betreten.
Das andere Schaufenster dieses Ladens aber schlägt dem ohnehin schon nicht sehr dichtem Fass den Boden aus. Da wurden vor geschätzten zehn Jahren mal Tetrapacks von Säften mit so lebensbejahenden Namen wie „Happy Day“ und „Yippy“ mit ein paar Gläsern und anderem Klimbim attraktiv drapiert. Die Werbeartikel hat der Hersteller dieser Säfte, dem Inhaber wahrscheinlich auch noch gratis zugeschickt. Dies dürfte die Firma mittlerweile bitter bereuen.
Gefreut hingegen hat mich, dass es zu Weihnachten dann auch in den Schaufenstern der vielen Gemischtwarenhändler in meiner Nachbarschaft beschaulicher zuging. Da, wo früher tote Käfer und dreckige Säfte lagen, tummelten sich jetzt Plastikweihnachtsbäume, Lichterketten, sogar Luftballons: