Kunst gegen Bares

Foto: Klaus Findl

Die offene Bühne in Köln-Ehrenfeld

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Die Moderatoren von Kunst gegen Bares Gerd Buurmann und Hildegart Scholten: „Wer ist das Kapitalistenschwein?“ Foto: Klaus Findl

Dieses Theaterkonzept ist nicht allein auf Subventionen angewiesen: Unter dem Motto „Kunst gegen Bares“ bezahlt das Publikum den Künstlern im Kölner ArTheater genau so viel, wie ihm die Vorstellung wert war.

Ein Montagabend um 20 Uhr im ArTheater in Köln-Ehrenfeld. Oben pinke Deckenleuchten, vorne eine schwarze Bühne, darauf ein Mikro. Ich wurde gerade an der Kasse gefragt, ob ich nur zusehen oder auch selbst etwas vorführen möchte. Ansonsten erscheint mir hier bisher alles wie bei einem ganz gewöhnlichen Theaterabend im kultigen Ehrenfeld, wo man junge Theater und Szenekneipen und viele internationale Restaurants und Geschäfte findet.

Aus Lautsprechern im Theatersaal klingt fröhliche französische Popmusik. Noch sind die meisten Sitzplätze leer, aber es kommen immer mehr Leute. Fast alle sehen aus wie Studenten, sie quatschen angeregt und schlürfen dabei Bionade oder Cocktails. Irgendwann ist der Saal dann doch ziemlich voll. Ein Trommelwirbel ertönt und ein glatzköpfiger Herr in schwarzem Anzug spaziert herein. Eine Dame begleitet ihn. Ihr ernster Blick passt zum Outfit aus Rock und Bluse, Hornbrille und Zöpfen. Unter dem Arm hat sie einen Weidenkorb, aus dem unzählige Sparschweine funkeln. Singend und tanzend begrüßen die beiden das Publikum. Es folgen seichte Dialoge über Lakritzbonbons.

Foto: Janna Degener
Foto: Janna Degener

Schiefe Klänge, scharfer Gesang

Und dann geht’s zur Sache: Die erste Künstlerin wird aus dem Publikum geholt. Sie ist jung, blond und ziemlich attraktiv, hat eine Gitarre dabei und stellt sich als Isabelle Holtkamp vor. Weil sie auch Klavier spielen möchte, hieven ein paar Männer aus dem Publikum das Teil noch schnell auf die Bühne. Dann der erste Patzer: Die Gitarre ist völlig verstimmt. Isabelles Gesicht bekommt einen rötlichen Schleier, aber die junge Frau bleibt ganz ruhig. Hildegart Scholten, die Moderatorin mit der Hornbrille, scheitert zur Freude des Publikums bei ihrem stümperhaften Versuch, die Gitarre zu stimmen. Ein Stimmgerät wird gereicht und Isabelle nimmt die Sache selbst in die Hand. Dann kann sie endlich loslegen. Die Gitarre klingt zwar immer noch etwas schief, aber Isabelle singt grandios. Danach gibt’s einen Riesenapplaus.


Später in der Pause erzählt Isabelle, dass dies heute ihr erster Auftritt bei einer offenen Bühne war. Sie spielt zwar seit Längerem in einer Band, hat aber erst vor einem halben Jahr angefangen, Gitarre und Klavier zu spielen und eigene Lieder zu schreiben. Sie fand die Idee super, einfach mal auf einer Bühne zu zeigen, was sie sonst in der Küche oder im Wohnzimmer macht – ohne dass das Publikum eine perfekte Show von ihr erwartet. „Meine Freunde und meine Familie finden natürlich alles toll, was ich spiele. Ich wollte einfach mal ein Feedback von Leuten bekommen, die mich noch nie gehört haben.“ Trotzdem war sie vor dem Auftritt auch ganz schön aufgeregt. „Mein bester Freund musste mich überreden, hierher zu kommen. Ich hätte mich nicht getraut. Am Anfang hat mein Herz auf der Bühne auch richtig gepocht. Aber dann waren die Lichter so hell, dass ich das Publikum gar nicht sehen konnte. Nach dem ersten Lied wurde ich dann entspannter.“ Noch während ich mit Isabelle rede, kommt eine andere Künstlerin auf sie zu: „Hey, du hast eine tolle Stimme und das waren super Songs. Mach auf jeden Fall weiter!“

Wer ist das „Kapitalistenschwein“?

Hier bei der offenen Bühne „Kunst oder Bares“ kommen aber nicht nur musikalische Einsteiger wie Isabelle zum Zug. Von Gesang bis Dichtung und von Spoken Word Performance bis Playback-Show ist heute Abend alles dabei. Schließlich endet der Abend mit dem Highlight, das die Show so besonders macht: Für jeden Künstler wird ein Sparschwein aufgestellt und das Publikum darf nach eigenem Ermessen sein Geld loswerden. Der Künstler mit den meisten Mäusen wird dann feierlich zum „Kapitalistenschwein des Abends“ erkoren. Aber auch alle anderen wie Isabelle gehen heute hoffentlich mit ein paar Euros mehr und einem guten Gefühl nach Hause.

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Gerd Buurmann möchte mit Kunst gegen Bares „das Publikum für den Wert der Kunst sensibilisieren“. Foto: Klaus Findl

Dieses ungewöhnliche Theaterkonzept ist eine Idee von Gerd Buurmann, dem glatzköpfigen im schwarzen Anzug. Schon seit über fünf Jahren möchte er mit Kunst gegen Bares „das Publikum für den Wert der Kunst sensibilisieren“ und Künstlern eine Möglichkeit bieten, „ihre Darbietungen anders bewerten zu lassen als durch reinen Applaus“. In einem Interview mit der Illustrierten Kölner erklärt Buurmann, was er sich dabei gedacht hat: „Subventionen sind Gelder von Menschen, die nicht ins Theater gehen. Wir nicht subventionierten Häuser haben hingegen nur das Geld derer, die ins Theater kommen.“ Und das kommt offenbar gut an. In Köln war der Saal fast voll – obwohl zeitgleich ein Spiel der Fußball-Europameisterschaft lief. Und auch weit über die Stadtgrenzen hinaus hat sich das Theaterkonzept bewährt: Inzwischen läuft Kunst gegen Bares auch in Halle, Hamburg, Leverkusen, Mannheim und Trier.

Janna Degener

Copyright: Goethe-Institut Prag
August 2012
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