Die Enkel des Duce

CasaPound Italia

Foto (Ausschnitt): Cassatonante, CC BY-SA 3.0
CasaPound-Anhänger, Foto (Ausschnitt): Cassatonante, CC BY-SA 3.0

CasaPound Italia ist Teil der neofaschistischen Bewegung in Italien. „Wir bauen die Welt, die wir wollen!“, schreien die Militanten auf der Internetseite der Gruppe, inspiriert von den Worten eines Dichters und bereit, in Aktion zu treten. Ein Blick auf die Bewegung, die sich einerseits am Faschismus inspiriert, aber andererseits das Etikett des „Rechtsextremismus“ zurückweist.

Das neofaschistische Ambiente in Italien ist wesentlich vielschichtiger als man denkt. Die neueste Ausgeburt ist CasaPound, eine der „innovativen“ Varianten. Der Name der Gruppe bezieht sich auf den amerikanischen Dichter Ezra Pound, der während des Zweiten Weltkrieges offen den Faschismus und nach Kriegsende die Sozialrepublik [Die Italienische Sozialrepublik war in den Jahren 1943 bis 1945 ein faschistischer Staat in Norditalien unter der militärischen Protektion des Deutschen Reichs. Anm. d. Red.] unterstützte.

„CasaPound Italia wurde 2007 in Rom gegründet, nach der Besetzung des Sozialzentrums CasaPound und den Wohnungsbesetzungen“, erklärt Cristiano Coccanari, Mitglied von CasaPound Italia und Verantwortlicher für das Webradio der Bewegung Radio Bandiera Nera [„Radio Schwarze Fahne“; italienische Faschisten werden auch Schwarzhemden genannt; Anm. d. Red.]. „Wir sind ein Sozialverband, der über das Volontariat seine sozialen Ansichten verbreitet.“ Im Verlauf der Zeit wurde der Verband immer stärker strukturiert und hat heute Niederlassungen in ganz Italien. Die Angelpunkte: Kampf gegen Wucherei, soziale Darlehen und Einsatz gegen Lebensverteuerung. Das Motto: Handeln!

Foto (Ausschnitt): NAC, CC BY-SA 4.0
Als Zeichen wählte CasaPound eine stilisierte Schildkröte, da diese ihr Haus immer bei sich trage und die oktogonale Form an die römische Geschichte erinnere. Foto (Ausschnitt): NAC, CC BY-SA 4.0

Die Verbindung zwischen CasaPound und dem italienischen Faschismus liegt auf der Hand: „Was wir am Faschismus lieben, sind die Aufmerksamkeit für die Gerechtigkeit sowie die großen Errungenschaften auf sozialer und administrativer Ebene im Interesse der nationalen Gemeinschaft“, fährt Cristiano Coccanari fort. „Die Arbeit, die geleistet wurde, um zu gewährleisten, dass Italien von den Alpen bis nach Sizilien eine echte Gemeinschaft und nicht nur eine geografische Erscheinung ist.“ Damit ist jeder Zweifel ausgeschlossen. Und es ist einer der Gründe, aus dem CasaPound in linksorientierten Kreisen so viel Protest auslöst.

Bekannt geworden ist auch eine parlamentarische Befragung durch Senator Salvatore Tomaselli (Partito Democratico / Demokratische Partei) im Februar 2010, in der er zu wissen wünscht, wie die Regierung die Initiativen und Programme dieser Organisation interpretiert, zumal es in der Verfassung heißt: „Die Reorganisation der aufgelösten faschistischen Partei ist in jeglicher Form verboten.“

Rechts und links sei überholt

CasaPound streitet jedoch ab, eine Partei bilden zu wollen. [Dennoch trat CasaPound zu den Parlamentswahlen 2013 mit einer eigenen Liste an, erhielt jedoch weniger als 0,2 Prozent der Stimmen, Nachtrag d. Red.] Die Verbandsmitglieder verkünden, keine „Rechtsextremisten“ zu sein: „Die Etikettierung mit ‚rechts‘ oder auch ‚links‘ ist überholt und sollte mit der Geschichte archiviert werden. Die Probleme und Herausforderungen, die das dritte Jahrtausend stellt, haben nichts mit ‚rechts‘ oder ‚links‘ zu tun, ebenso wenig wie die Lösungen.“ Wenn das Gespräch auf die Souveränität des Staates kommt, verstrickt sich die Argumentation jedoch in Widersprüchen: „Die Idee der nationalen Rückeroberung setzt die volle Wiederherstellung der Souveränität der nationalen Gesellschaft voraus, vertreten durch einen Staat, den wir als ethisch, organisch sowie als spirituellen Ausdruck und Bezugspunkt der Gemeinschaft selbst sehen.“

Foto (Ausschnitt): Rete degli Studenti Medi Massa, CC BY-SA 2.0
Demontration gegen CasaPound, Foto (Ausschnitt): Rete degli Studenti Medi Massa, CC BY-SA 2.0

CasaPound vertritt die Ansicht, Immigration sei eine Auswirkung der Globalisierung, die die Ärmsten zur Flucht in das „vermeintliche Eldorado Europa“ treibt. Cristiano Coccanari erklärt dieses Detail genauer: „Das Ergebnis ist ein dramatischer Krieg zwischen Armen, der aufgrund der ungehinderten Ausbeutung der ‚neuen Sklaven‘ die Arbeitslosigkeit italienischer Bürger steigert.“ Und er schließt: „Wir fordern, dass der Immigrantenstrom gestoppt wird, die Toleranzgrenze ist längst überschritten.“

Autarkes Europa, nationale Rückeroberung, Schluss mit multinationalen und multiethnischen Gesellschaften, Recht auf Wohnung und Bildung, Energiesouveränität und… die italienische Verfassung neu schreiben. Dies sind einige Punkte des Programms von CasaPound, das Professor Stefano Bartolini in seinem Artikel „Die Enkel des Duce zwischen Erbe, Neuem, Weiterbestehendem und Entwicklungen zu Beginn des neuen Jahrtausends“ als „linken Faschismus“ definiert. Laut Bartolini handelt es sich hierbei um eine Rückkehr zu den Ursprüngen, einen Versuch, die Fassade zu erneuern: „Die Neofaschisten des 21. Jahrhunderts passen die Kommunikationsformen an, ändern ihre Symbole, erfinden neue Namen, aber bleiben doch, was sie immer waren. Und sie geben noch nicht einmal die gewaltsamsten Praktiken auf.“

Neofaschismus: Nicht präsentable Ideen werden verschleiert

Trotz allem erhebt CasaPound den Anspruch, „etwas anderes zu sein, als manch einer gern behauptet“. Die verschiedenen antifaschistischen Gruppen denken da ganz anders, klagen die Aggressionen dieser „faschistischen Organisation“ an und fordern in mehreren Städten die Schließung der Niederlassungen von CasaPound.

Foto (Ausschnitt): regan76, CC BY 2.0
Das Keltenkreuz ist ein in der rechtsextremen Szene weit verbreitetes Symbol. Foto (Ausschnitt): regan76, CC BY 2.0

Im Wechselspiel zwischen Polemiken und Aggressionen zieht CasaPound viele Jugendliche an, aber auch Leute weit über die Dreißig. Dies nicht zuletzt dank der Bedeutung, die der Kommunikation beigemessen wird, und der konkreten Aktionen, die sich nicht selten an denen der No-Global-Bewegung inspirieren. Aber Bartolini warnt: „In der Öffentlichkeit haben die Neofaschisten viele ihrer nicht präsentablen Ideen verschleiert. Und wenn es sich als notwendig erweist, klammern sie auch ihre unmittelbar nostalgisch wirkenden Symbole aus. Unter diesen Umständen ist es nicht auszuschließen, dass es ihnen gelingt, sich neuen Raum zu schaffen und neue Sprungbretter für ihre Attacke zu finden.“

Mit anderen Worten, den Erben von Pound ist es gelungen, sozialen Raum zu erobern, der von der Politik – vor allem von den Linksströmungen – vergessen wurde, indem sie sich mit konkreten Aktivitäten an sozial schwächere Schichten und Ausgeschlossene gewendet haben. Sie sind weiterhin eine Minderheit, wenn auch keine schweigende.

In Zusammenarbeit mit cafebabel.com, dem ersten mehrsprachigen Online-Europamagazin

Roberto Lapia
Übersetzung aus dem Italienischen: Jeannette Corell-Giuliano

cafebabel.it
März 2010 (aktualisiert November 2013)

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