Effektiver die Welt verbessern

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Die erste Konferenz des tschechischen Vereins für effektiven Altruismus fand im Dezember 2016 in Prag statt.

Wie kann man am effektivsten die Welt verbessern? Worauf sollte man sich konzentrieren, um nicht unnötig Zeit und Potenzial zu vergeuden? An welchen Stellen kann Geld sinnvoll eingesetzt werden? Mit Fragen dieser Art beschäftigen sich Menschen auf der ganzen Welt. Wohltätig sein und dabei maximal wirksam: Das ist auch das Ziel des Vereins für effektiven Altruismus. Dieser entstand im vergangenen Jahr in Prag als Ableger der weltweiten sozialen Bewegung Effective Altruism.

Altruisten sind Menschen, die ihr Denken und Handeln dem Wohle Anderer widmen. Die Gruppierung der effektiven Altruisten geht einen Schritt weiter – sie fordert Einzelpersonen und Organisationen dazu auf, ihre begrenzte Zeit, Energie und Mittel so sinnvoll wie möglich einzusetzen und so den größtmöglichen positiven Effekt zu erzielen. Und das auf Grundlage von Fakten und kritischer Denkweise. Was aber tun die effektiven Altruisten konkret, um die Welt zu verbessern und wie können auch alle Anderen mithelfen?

Gib so viel, wie du wirklich kannst

Die erste Konferenz des Vereins für effektiven Altruismus EAGxPrague 2016 endete mit einer Warnung des Vereinsvorsitzenden Michael Pokorný. Er ermahnte seine Zuhörer, nicht den Fehler zu begehen und gleich voller altruistischer Begeisterung Geld an die nächstbeste karitative Einrichtung zu schicken. Nicht jede gemeinnützige Organisation kann nämlich die zur Verfügung stehenden Mittel effektiv einsetzen und oft zeigen auch finanziell weniger anspruchsvolle Projekte weitreichende Wirkung. Die gemeinnützige Organisation Giving What We Can hilft bei der Bewertung der einzelnen karitativen Vereinigungen und der Auswahl der effektivsten unter ihnen. Außerdem möchte sie Menschen dazu motivieren, monatlich 10 Prozent ihres Einkommens zu spenden, und das am besten ihr ganzes Leben lang.

Auf der Homepage der Organisation kann man seine Daten in ein Formular eintragen und sich ausrechnen lassen, wie reich man im Vergleich zur restlichen Weltbevölkerung ist und was eine den eigenen Einkünften angemessene monatlichen Spende wäre. Giving What We Can analysiert dann die Möglichkeiten der wirkungsvollsten Hilfe in bestimmten Bereichen, wie etwa dem Tierschutz.

Der zielgerichtete Einsatz von finanzieller Unterstützung ist aber nicht der einzige Versuch der effektiven Altruisten zur Verbesserung der Welt beizutragen. Jeder Mensch verbringt im Laufe seines Lebens viele tausende Stunden mit Arbeiten. Genau diesen Gedanken hatten auch die Gründer des Vereins 80,000 Hours, die deshalb Beratungsmöglichkeiten für eine Karriere mit maximal positivem Effekt anbieten. „Das bedeutet dann für jeden etwas Anderes,“ erklärt Daniel Hnyk, der strategische Koordinator des Vereins für effektiven Altruismus in Tschechien. „Wenn jemand über künstliche Intelligenz an einer Eliteuniversität forscht, sollte er da auch bleiben und sich mit der Erforschung von eventuellen Risiken beschäftigen. Jemand, der im Finanzwesen arbeiten will, sollte Leiter eines Finanzierungsfonds werden und so viel spenden wie möglich.“

Beide Organisationen und auch die Bewegung Effective Altruism (EA) funktionieren auf der Grundlage von Fakten, Rationalität und Wissenschaft.


Die tschechische Zweigstelle des Altruismus

Im Laufe der Jahre sind einige Ableger der Effective Altruism-Bewegung entstanden, unter ihnen auch die in Tschechien im Sommer 2016. „Von der EA habe ich zum ersten Mal vor zwei Jahren gehört, und zwar über eine andere Gruppierung, die als Less Wrong bekannt ist und sich mit rationalem Abwägen, dem richtigen Entscheiden, Ethik und Moral beschäftigt. Den Themen der EA habe ich damals noch keine solche Wichtigkeit beigemessen. Andere aber schon, und so haben sich Michal Pokorný, Jirka Nádvorník und Radim Lacina entschlossen, auch hierzulande eine Organisation des EA zu gründen. Und da bin auch ich irgendwie dazugekommen...“, beschreibt Daniel die Entstehung des Vereins für effektiven Altruismus. Daraufhin folgte im Dezember die erste Konferenz EAGxPrague 2016 mit Vorlesungen von Fachleuten wie Aleš Flídr, dem ehemaligen Präsidenten der Harvard Effective Altruism, David Goldberg, dem Gründer von Founders Forum for Good oder Alix Zwane, der Generaldirektorin von Global Innovations Fund.

Welche weiteren Ziele verfolgen die tschechischen effektiven Altruisten? „In Hinblick auf die spezifische Situation in der Tschechischen Republik – zum Beispiel die niedrigen Löhne, die relativ gute Bildung und bezahlbare Forschung – haben wir diese Punkte auf unserer Agenda: unseren Verein langfristig erhalten und sein Fortbestehen sichern, die Bedingungen für eine potentielle Forschung schaffen, eine Sommerschule zur Sicherheit von künstlicher Intelligenz veranstalten, Empfehlungen für hiesige Spender herausgeben und dann natürlich die Ideen unserer Bewegung verbreiten. Letzteres zum Beispiel mittels der geplanten Konferenz EAGxPrague 2017“, fasst Dan zusammen.

Eine utopische Gesellschaft?

Wenn alle Menschen effektive Altruisten wären, würde wahrscheinlich jeder ein sicheres und zufriedenes Leben führen. Ist dieser Gedanke nicht utopisch? „Auch wenn wir alle zu effektiven Altruisten würden, so stünden uns immer noch viele Gefahren bevor“, macht Dan deutlich. „Die EA zum Beispiel bekommt Sorgenfalten auf der Stirn in Anbetracht der technischen Entwicklungen oder der biologischen Risiken, die einfach kommen werden, egal, welche Haltung wir dazu haben.“

Mir fällt die Frage ein, wie man damit umgehen soll, dass es sowieso nie dazu kommen wird? „Die Frage quält mich überhaupt nicht“, winkt Dan ab, „und das betrifft auch andere Fälle – ich darf nicht den Fehler begehen etwas nicht zu verbessern, nur weil es nie perfekt werden wird. Die Engländer sagen dazu: ,Don't let the perfect be the enemy of the Good.‘ – Einem einzelnen Menschen nicht helfen, nur weil man niemals allen helfen kann? Warum?“

Das Interview führte Ester Dobiášová.
Übersetzung: Hana Sedláček

Copyright: jádu | Goethe-Institut Prag
März 2017
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Effektiver Altruismus

Effective Altruism ist eine philosophische und soziale Bewegung, die sich in der ganzen Welt verbreitet hat. Sie basiert auf dem Gedanken des Philosophen Peter Singer, den er 1979 in seinem Buch Practical Ethics formulierte. Wichtige Anliegen der Bewegung sind unter Anderem die Armut in den Entwicklungsländern, das Leid der Tiere in Massenhaltung und die langfristige Zukunft der Menschheit. Diesem intellektuellen Projekt haben sich bis heute tausende Menschen aus aller Welt angeschlossen, zum Beispiel Studenten und Professoren der Universitäten Harvard, Cambridge, Oxford, Yale und Stanford oder die Gründer von PayPal, Skype und von über zwanzig weiteren Firmen und gemeinnützigen Organisationen.

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