Netzwerk Klima – ein Projekt zum Thema Nachhaltigkeit

Eine Gruppe Jugendlicher steht mit Netzen voll Müll jubelnd am Strand.
Netzwerk Klima Müllsammelaktion | © Goethe-Institut Thailand

Wie arbeitet man mit Jugendlichen aus sechs Ländern zum Thema Nachhaltigkeit und lernt ganz nebenbei noch Deutsch? Das Goethe-Institut in Thailand hat mit dem Regionalprojekt „Netzwerk Klima“ 24 Jugendlichen und sechs Begleitlehrkräften eine vielseitige und erlebnisreiche Veranstaltung ermöglicht.

Vom Präsenz- zum Online-Live-Unterricht

Die Covid-19-Pandemie hatte weitreichende, oft negative Auswirkungen auch auf den Fremdsprachenunterricht, da sich etablierte Unterrichtszenarien nicht mehr wie gewohnt durchführen ließen. Resultat jener plötzlichen „Digitalisierung mit der Brechstange“ war häufig ein Fremdsprachenunterricht, der in didaktisch überholte Unterrichtsformen (frontal, lehrerzentriert, muttersprachlich, etc.) zurückfiel und mühsam, über die Jahre erarbeitete didaktisch-methodische Prinzipien binnen kürzester Zeit zunichtemachte.

Folge hieraus war nicht nur ein quantitativer Rückgang abgelegter Fit-Prüfungen mit schlechteren Resultaten auf niedrigeren Niveaustufen, sondern ebenso ein Rückgang der Motivation jugendlicher Deutschlehrer*innen, welcher insgesamt als größere Bedrohung für die erfolgreiche Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache in Thailand empfunden wurde.

Wie Bolte-Costabiei und Häring in 123 Unterrichtstechniken darlegen, ist es selbstredend möglich auch digital einen lernerzentrierten, kommunikativen und handlungsorientierten Unterricht durchzuführen, jedoch ist es zum einen der Plötzlichkeit des digitalen Umbruchs und zum anderen der oft unzureichenden Kenntnis digitaler Lehr- und Lernplattformen geschuldet, dass dies bislang nur selten der Fall ist.

Vom präsentischen zum hybriden Projekt

Die Idee für das Regionalprojekt Netzwerk Klima wurde bereits vor der Pandemie erarbeitet, ihr liegt der sogenannte fächerübergreifende (FüDaF-)Unterricht als pädagogisches Konzept zugrunde, wobei der fremdsprachige Deutschunterricht Aspekte des Fachunterrichts einbezieht.

Ursprünglich als reiner Präsenzunterricht entwickelt, wurde das Projekt so postpandemisch zum hybriden Projekt erweitert, mit zwei digitalen Treffen vor und zwei digitalen Treffen nach dem Camp. Gleichermaßen trug diese Entscheidung dem komparativen, interdisziplinären, aber auch multiperspektivischen Charakter des Projekts Rechnung.

Schüler*innen sollten künftig in der Lage sein, Problemstellungen zum Thema „Umweltschutz & Nachhaltigkeit“ kritisch zu hinterfragen, zu vergleichen und sich mit alternativen Lösungen aus unterschiedlichen Perspektiven anzunähern. Dies alles mit so vielen Deutschanteilen als möglich, da die Förderung der deutschen Sprache eines der wichtigsten Ziele der Spracharbeit des Goethe-Instituts ist.

Netzwerk Klima – digital: vor dem Camp

Das Regionalprojekt Netzwerk Klima stand je vier jugendlichen Deutschlerner*innen der Länder Malaysia, Myanmar, Indonesien, Philippinen, Thailand und Vietnam offen, die über Deutschkenntnisse von mindestens A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) verfügten, Interesse an den Themen „Umweltschutz & Nachhaltigkeit“ zeigten und sich bereit erklärten, nicht nur am präsentischen Camp teilzunehmen, sondern die gesamte Phase (auch digital) zu begleiten und im Anschluss daran, gemeinsam mit anderen Schüler*innen ihres Heimatlandes, ein ähnliches Nachhaltigkeitsprojekt umzusetzen.

So dienten die ersten beiden, digitalen Treffen nicht nur dem Kennenlernen der Schüler*innen und des Organisations-Teams, sondern auch dazu, mehr über Aufgaben und Programm zu erfahren und Deutschkenntnisse anzuwenden. Erfahrungsgemäß ist gerade letzter Aspekt auf niedrigen Niveaustufen mit Schüler*innen aus unterschiedlichen Ländern der Region Südostasien nicht immer einfach, da Deutsch als zweite, gelegentlich sogar nur als dritte Fremdsprache unterrichtet wird.

Im ersten Schritt galt es daher, Hemmungen bei jugendlichen Deutschlerner*innen abzubauen und gleichzeitig deren Selbstvertrauen zu stärken. Sie stellten sich auf Deutsch vor und erzählten in wenigen Worten über sich selbst und ihren Alltag. Bei diesen Treffen wurden drei Sprachen verwendet (Deutsch, Englisch, Muttersprache), denn auch dies ist ein wichtiges Signal für Jugendliche: „Traue dich Deutsch zu sprechen. Fehlen dir die Worte, ist Englisch kein Tabu.“

Das Organisationsteam sprach somit niedrigschwelliges Deutsch, die Teilnehmer*innen antworten auf Deutsch oder Englisch, in manchen Breakout-Räumen wurde zu Beginn muttersprachlich kommuniziert, da die Jugendlichen, obschon aus denselben Ländern, von verschiedenen Schulen kamen und sich im Vorfeld zunächst selbst kennenlernen mussten.

Hierbei sind digitale Treffen sogar vorteilhaft, da sich Teilnehmer*innen in einer für sie gewohnten Umgebung befinden und technische Möglichkeiten (wie die Einrichtung von sog. Breakout-Rooms) private Atmosphären schaffen können.

Netzwerk Klima – präsentisch: das Sprachcamp

Beim Camp, das vom 30. Juli bis 6. August 2022 in Khao Lak (Thailand) stattfand, standen drei Aspekte im Fokus:
  1. Deutsch lernen/anwenden/verbessern
  2. Fachkenntnisse zu den Themen „Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsziele“ erwerben
  3. Projekte zu „Umweltschutz & Nachhaltigkeit“ in den Herkunftsländern realisieren
Während der gemeinsamen Woche haben die Teilnehmenden des Netzwerk Klima vor allem auf Deutsch über Themen wie Umweltschutz, Konsum und nachhaltige Entwicklung diskutiert, vieles gelernt und eigene Projekte erarbeitet. Dabei eigneten sich die beteiligten Schüler*innen induktiv Diskursstrategien an, die sie zur Formulierung fachlicher Problemlösungen benötigten. Wo sie mit Deutsch nicht weiterkamen, wichen sie auf Englisch aus, um Barrieren für die inhaltliche Arbeit so klein wie möglich zu halten.
  • Fünf Personen halten ein A1-Blatt mit einer Grafik hoch und erklären sie. Foto (Ausschnitt): Goethe-Institut Thailand

    Während des Jugendcamps erarbeiteten die Teams konkrete Projekte.

  • Menschen heben Müll vom Strand auf und sammeln ihn in großen Körben. Foto (Ausschnitt): Goethe-Institut Thailand

    Müllsammelaktion am Strand

  • Fünf Personen halten kleine Blumentöpfchen in die Kamera und lachen. Foto (Ausschnitt): Goethe-Institut Thailand

    Blumentöpfe aus recyceltem Plastik

Hierfür wurde im Vorfeld eine bewusste Entscheidung getroffen: projektbasierter, handlungsorientierter Deutschunterricht zu den Themen „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“ am Vormittag; die Vermittlung von fachlichem Wissen, das Erlernen praktischer Fertigkeiten und Kompetenzen sowie Unterstützung bei der Erarbeitung und Umsetzung eigener Projektideen in der zweiten Tageshälfte.

Da die Deutschkenntnisse der Jugendlichen in der Region Südostasien nur in seltenen Fällen das Sprachniveau A2 übersteigen, galt es ein Konzept zu definieren, wie auf diesem Niveau Fertigkeiten vermittelt werden konnten. Hierfür entwickelte Rainer E. Wicke, der den Verfassern dieses Textes aus verschiedenen Projekten bestens bekannt ist, Aufgaben und Übungen auf der vorgenannten Niveaustufe inklusive eines Lehrerkommentars. An erster Stelle stand dabei kommunikativer und handlungsorientierter fächerübergreifender DaF-Unterricht, der sich inhaltlich den Themen „Umweltschutz & Nachhaltigkeit“ widmete.

Dieser Unterricht hatte einen Umfang von vier Unterrichtseinheiten täglich, wurde von Lehrkräften des Goethe-Instituts Thailand durchgeführt und nahm thematisch stets Aspekte des projektbasierten Unterrichts am Nachmittag vorweg, um den Jugendlichen das Agieren in deutscher Fachsprache zu erleichtern.

Nach dem Mittagessen vermittelte der Projektpartner Traidhos Three-Generation sowohl fachliches Wissen als auch Können und erarbeitete gemeinsam mit den Jugendlichen Strategien, wie sie dieses sinnvoll und zielgerichtet in ihren Projekten einsetzen konnten.

Netzwerk Klima – digital: nach dem Camp

Während des Camps wurden die Jugendlichen zu Umweltbotschafter*innen ausgebildet und der Netzwerk Klima Umweltclub ins Leben gerufen. (Gründungs-)Mitglieder dieses Umweltclubs waren alle an der Veranstaltung teilnehmenden Schüler*innen, deren Begleitlehrkräfte, aber auch anderen Schüler*innen, die nicht am Camp in Khao Lak teilnehmen konnten, stand eine aktive Teilnahme offen.

Der Umweltclub hatte drei Projektphasen:
  1. Umweltprobleme im Heimatland recherchieren und benennen (vor dem Camp)
  2. Ein Projekt zum Thema „Umweltschutz & Nachhaltigkeit“ erarbeiten (während des Camps)
  3. Ein Projekt zum Thema „Umweltschutz & Nachhaltigkeit“ umsetzen (nach dem Camp)
Erfahrungsgemäß lassen Spannung und Interesse im Nachgang an ein präsentisches Begegnungsprojekt oft nach, weshalb ein wichtiger Aspekt bereits im Vorfeld als Bewerbungsvoraussetzung definiert wurde: „Bereitschaft, mit anderen Schüler*innen des Heimatlands nach dem Camp ein Projekt zum Thema ‚Umweltschutz & Nachhaltigkeit‘ umzusetzen und gemeinsam mit anderen den Umweltclub ins Leben zu rufen.“

Die digitalen Treffen nach dem Camp galten daher sowohl dem gemeinsamen Austausch als auch der Präsentation dieser Projekte. Während der Projektphase standen den Jugendlichen weiterhin ihre Betreuer*innen, die sie bereits aus den digitalen Treffen vor dem Camp kannten, zur Seite, unterstützen sie bei der Umsetzung und stellten sicher, dass Aufgaben erledigt und Termine eingehalten wurden.

Netzwerk Klima – ein Versuch

Im November 2020 gab es bereits eine ähnliche Veranstaltung in Khao Lak: ein Camp zum Thema „Umweltschutz & Nachhaltigkeit“. Dieses analoge Projekt richtete sich (pandemiebedingt) lediglich an thailändische Schüler*innen, hatte aber einen ähnlichen Anspruch: Deutsch lernen, anwenden und verbessern in der einen Tageshälfte, projektbasierte Workshops in der anderen Tageshälfte. Die Integration digitaler Elemente, jugendlicher Teilnehmer*innen aus sechs Ländern sowie eine ausgedehnte Projektphase im Nachgang waren in 2022 neu.

Veranstaltungen wie Netzwerk Klima sollten daher als Vorbild für andere Lehrkräfte dienen und ermutigen, FüDaF-Elemente im Rahmen des Unterrichts mutig einzusetzen, auch bei analogen Zusammentreffen digitale Elemente zu integrieren und Jugendlichen Freiräume bei der Erarbeitung und Umsetzung eigener Projektideen einzuräumen.

Fazit

Das Projekt hat gezeigt, dass ein Seminar zur Nachhaltigkeit und zum Umweltschutz im Blended Learning Verfahren nicht nur an einer Schule, sondern sogar regionenübergreifend gestaltet werden kann. Partnerschaftliches, handlungs- und projektorientiertes Lernen berücksichtigt die Lebenswelt der Schüler*innen, indem ihnen Umweltprobleme verdeutlicht werden, mit denen sie tagtäglich konfrontiert werden. Die Tatsache, dass Schüler*innen aus unterschiedlichen Ländern in Südostasien partnerschaftlich zusammenarbeiteten und lernten, hat die Schüler*innen dazu motiviert, sich auch Sprachkenntnisse im Sinne des FüDaF aneignen.
 

Zum Weiterlesen

  • Janschitz, G., Zehetner, E. & Fernandez, K.: Digitalisierung mit der Brechstange, Zeitschrift für Bildungsforschung 12, 387-406 (2022)
  • Bolte-Costabiei C., Häring S.: 123 Unterrichtstechniken, Goethe-Institut Thailand 2021

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