Umwelt „Wenn es so weiter geht, ist Sansibar bald eine Insel voller Plastik“ — Interview

Müll kann katastrophale Folgen haben, wenn er nicht fachgerecht entsorgt wird. Kann Sansibar noch gerettet werden? Ein Interview mit Wiebke Preuss.

Von Malte Finn Wegner

Müll kann katastrophale Folgen haben, wenn er nicht fachgerecht entsorgt wird. So ist es auch auf Sansibar, einer Insel im Indischen Ozean, die zu Tansania gehört.  Plastik, Styropor und andere Abfälle auf den Straßen und an den Stränden prägen dort das Bild. Wiebke Preuss, die drei Monate auf Sansibar verbrachte, berichtet im Interview über den Abfall und welchen Beitrag jeder einzelne zu seiner Vermeidung leisten kann.
 

Wiebke Preuss

Wiebke Preuss (27) hat „Business und Management“ an der Hochschule Osnabrück studiert. Ihren Master absolvierte sie im selben Fach an der Stockholm School of Economics. Sie arbeitet als Beraterin für Civity Management Consultants, eine Unternehmungsberatung für Verkehr, Wasser- und Entsorgungswirtschaft, in Hamburg. Im Rahmen eines Praktikums bei der Investmentfirma MTI verbrachte Wiebke Preuss drei Monate auf Sansibar und evaluierte das Entsorgungsunternehmen Zanrec.


Was haben Sie auf Sansibar gemacht? 
Ich habe für MTI Investment gearbeitet, eine Investmentfirma, die sich für das Wachstum in Ostafrika einsetzt. Auf Sansibar hat MTI ein Unternehmen namens Zanrec gekauft, das ich beraten habe. Zanrec kümmert sich als einzige Firma privat um die Entsorgung von Abfall, weil es auf Sansibar keine öffentliche Müllabfuhr gibt, wie zum Beispiel in Deutschland. Dabei habe ich bei der Organisation geholfen und versucht, die Müllentsorgung profitabel zu gestalten. Die einzige Alternative zu Zanrec ist, Müll entweder selbst zu entsorgen oder ihn illegal beseitigen zu lassen.


Wie schlimm ist es denn mit dem Abfall auf Sansibar?
Das Problem ist ganz öffentlich zu sehen. Es gibt zwar viele Hotels, die dafür sorgen, dass ihre Strände sauber bleiben, aber man kann fast schon eine Linie erkennen, wo das Grundstück aufhört. Hinter dieser Linie liegen Verpackungen herum, auch Styropor, Plastikflaschen, Flipflops und Kleidungsstücke. Diese Dinge zersetzen sich nur nach und nach. Auf den Straßen sieht es ähnlich aus. ​Unternehmen bezahlen dafür, dass Leute mit LKWs kommen, den Abfall mitnehmen und diesen dann irgendwo entsorgen. Es gibt auf Sansibar zwar eine offizielle Müllhalde, diese ist jedoch kostenpflichtig. Deswegen lassen viele Unternehmen ihren Müll einfach illegal beseitigen. Private Haushalte außerhalb der Hauptstadt verbrennen ihre Abfälle. Dass dies sehr gesundheitsschädigend ist, ist den Menschen meist gar nicht bewusst.
 

Unternehmen bezahlen dafür, dass Leute mit LKWs kommen, den Abfall mitnehmen und diesen dann irgendwo entsorgen.

Wiebke Preuss


Was tut Zanrec dagegen?
Zanrec arbeitet mit Unternehmen wie Restaurants oder Hotels zusammen, da diese die größten Müllproduzenten sind. Zanrec holt den Abfall direkt bei den Unternehmen ab und bringt ihn zu einer Zanrec-eigenen Anlage. Dort wird der Müll nach Plastik, Glas, Papier, Kompost und weitere Kategorien sortiert. Was recycelt werden kann, wie beispielsweise Plastik, wird aufgearbeitet und weiterverkauft. Das Glas geht an lokale Künstler, die unter anderem Lampen daraus basteln. Der Biomüll wird kompostiert und Bauern zu einem angemessenen Preis angeboten. Das, was man nicht mehr verwerten kann, bringt Zanrec dann auf die offizielle Müllhalde. Dafür müssen die Hotels aber bezahlen. Darum haben wir versucht, die Preise so günstig wie möglich zu halten. Es muss jedoch auch rentabel für Zanrec sein.


Haben die Hotels denn kein Problem damit, dass ihre Grundstücke voller Abfall sind?
Die Hotels machen sich mehr Sorgen um ihren Profit. Denn dadurch, dass so viel Müll auch im Meer landet, sagen viele Touristen, dass sie nicht noch einmal nach Sansibar kommen wollen. Es gab vor ein paar Jahren eine Studie, die besagte, dass der Hauptgrund, weshalb Menschen nicht mehr nach Sansibar kommen, der Abfall ist. Das wird von Jahr zu Jahr schlimmer, da Kunststoff nicht verrottet, sondern sich nur sehr langsam zersetzt. Wenn es so weitergeht, ist Sansibar bald eine Insel voller Plastik. Man muss mit den Unternehmen zusammenarbeiten, aber auch mit den Menschen, damit sie verstehen, warum Abfall so ein Problem ist.


Stört der viele Müll die Menschen auf Sansibar nicht?
Ein wichtiger Punkt ist die Aufklärung. Den Menschen vor Ort ist gar nicht  bewusst, dass Abfall so ein großes Problem ist. Sie leben halt damit. Diesen ganzen Verpackungsmüll gibt es dort noch nicht so lange, er kam mit der Tourismuswelle. Die Menschen haben sich einfach damit arrangiert. Die Kinder spielen auch im Wasser, wenn da Styroporteile herumschwimmen. Darum arbeitet Zanrec mit Grundschulen zusammen, um Kindern beizubringen, dass es nicht gut ist, seinen Abfall zu verbrennen. Diese Bildung über die Auswirkungen fehlte bisher vollkommen.


Gibt es in dem Bereich schon Erfolge?
Einen Fortschritt kann man bei den Grundschulen sehen. Dort gibt es einen Kompost. Jedes Kind bringt von zu Hause seinen Biomüll mit und mit dem Humus wird dann der Schulgarten gepflegt. Wenn die Kinder den Müll als Problem sehen, klären sie ihre Eltern oder Geschwister auf. Das ist ja mit vielen Dingen auf der Welt so. Ich habe selbst vor Ort gesehen, dass Acht- und Neunjährige genau wissen, was Plastik, was Metall, was Glas ist und das getrennt aufbewahren. Das zeigen sie ihren Eltern.


Ist dann die nächste Generation die Hoffnung für Sansibar?
Ja. Ohne jetzt das Klischee „die Kinder sind die Zukunft“ bedienen zu wollen, ist es tatsächlich so, dass die Informationen von den Kleinen weitergegeben werden. Man braucht Institutionen, die den Kindern so etwas beibringen, aber dann würde ich sagen: ja. Besonders wird sich das bemerkbar machen, wenn die jetzige Generation alt genug ist, um eigene Entscheidungen zu treffen.
 
Foto: Maxpixel, CC0 Foto: Maxpixel, CC0

Was kann man als Privatperson gegen Abfall machen?
Auf jeden Fall das Problem ansprechen! Wenn man in einem Hotel übernachtet, kann man an der Rezeption fragen, was mit dem Müll gemacht wird. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Unternehmen mitkriegen, dass Gäste Wert darauf legen. Dann überlegen sie sich möglicherweise, den Abfall vielleicht doch ordnungsgemäß zu entsorgen.
Es gibt auch eine Urkunde und eine Plakette von Zanrec, die an die Unternehmen ausgegeben werden, mit denen sie zusammenarbeiten. Danach könnte man fragen. Es gibt auf Sansibar auch nur Zanrec für die Müllentsorgung.


Was haben Sie persönlich aus Ihrer Zeit auf Sansibar mitgenommen?
Schon vorher habe ich während meiner Masterarbeit in Kenia und Tansania gesehen, wie schlimm es dort auf den Straßen ist und dass jegliches Plastik verbrannt wird. Die Arbeit auf Sansibar hat mir dieses Problem noch deutlicher gemacht. Deshalb versuche ich selbst, so wenig Plastik wie möglich zu verwenden.


Und wie machen Sie das?
Ich habe beispielsweise einen Metallstrohhalm – mehrere sogar. Die sind wiederverwendbar und müssen nicht wie Plastik weggeschmissen werden. Außerdem kaufe ich die meisten meiner Lebensmittel in Unverpackt-Läden ein, um an der Kunststoffverpackung zu sparen. Hinzu kommt, dass ich kein Wasser mehr kaufe. Ich trinke nur noch aus der Leitung. Und wenn ich andere Getränke hole, dann nur in Glasflaschen. Essen kaufe ich entweder lose oder in Stoffbeuteln. Die gibt es mittlerweile auch in vielen Supermärkten in Deutschland.
Geschenkpapier ist unnötig. Man kann Geschenke in Zeitungspapier oder wiederverwendbaren Tüten einpacken. Ich hebe mir auch das Verpackungsmaterial auf, wenn ich etwas online bestelle, und verwende es wieder.


Haben Sie noch generellere Tipps?
Allgemein überlege ich, ob ich etwas tatsächlich brauche. Das eine ist die Sache mit den Verpackungen. Das andere ist, sich selbst bewusst zu machen, wie viel wir konsumieren und wie viel von den Dingen, die wir kaufen, nicht notwendig sind und dann nicht benutzt werden – ob sie nun im Kleiderschrank herumhängen oder als Dekoration herumstehen. Mit dem Einkommen in wohlhabenden Ländern können wir sehr, sehr viel kaufen.
Aber mit etwas Selbstreflektion kann man einiges verändern. Nicht nur hier, sondern auch auf Sansibar.