Digitales! Politik - digital, visible, millennial

Von Ann Katrin Meier

Politik - digital, visible, millennial Foto: Pixabay, CC0
Das 21. Jahrhundert ist das Zeitalter der Digitalisierung. Alles dreht sich um ihren Fortschritt – auch in der Kommunikation. Dazu gehört nicht nur die alltägliche Kommunikation, sondern auch die geschäftliche und politische. Und gerade für diesen Austausch zwischen Politik und Gesellschaft bieten digitale Kanäle viele Chancen, aber auch Risiken. Smartphones und Tablets ermöglichen es allen, sich an der politischen Diskussion zu beteiligen. Online Kommunikationswege wie Soziale Medien oder andere Plattformen bieten öffentliche Foren dafür. Politikerinnen und Politiker können Themen und Ideen zur Debatte stellen, Bürgerinnen und Bürger darauf reagieren. So könnte politische Kommunikation heute in einer idealen Welt funktionieren. Ganz so einfach ist es in der Realität aber doch nicht.
 

Welchen Einfluss haben Soziale Medien?

Im Alltag werden soziale Medien hauptsächlich für die direkte Interaktion zwischen Menschen und/oder Unternehmen genutzt. Das belegt etwa die Studie „Medien und ihr Publikum“ von ARD/ZDF (2018). Man tauscht sich mit Freundinnen und Freunden auf anderen Kontinenten aus, wendet sich als Kundin oder Kunde direkt an ein Unternehmen und als Bürgerin oder Bürger an eine politische Institution. Die Weitergabe von Informationen ist also heutzutage besser als je zuvor. Jede Person mit Smartphone und Co ist in der Lage, alles und jedes mitzuteilen. Die Millennials als eine Generation des digitalen Wandels haben genau diese Vernetzung verinnerlicht. Als Digital Natives sind sie 449 Minuten am Tag online (was etwa 7,5 Stunden am Tag entspricht). Außerdem sind 89 Prozent von ihnen in Sozialen Netzwerken unterwegs.
 

Politiker haben Mühe sich anzupassen

Der politische Diskurs aber wird noch in Medien wie Zeitungen, Fernsehen oder Radio ausgetragen. Doch in der Zukunft wird es nicht mehr so sein. Heutzutage informieren sich Wählerinnen und Wähler unter 40 Jahren fast ausschließlich über Webseiten. Für rund 80 Prozent der Befragten einer Studie der Universität Hohenheim ist das Internet „das Informationsmedium Nr. 1 für politische Themen“.
Je jünger sie sind, desto weniger bewegen sie sich also auf den Plattformen, die auch von der Politik bespielt werden. Der Altersdurchschnitt auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen ändert sich immer mehr. So ziehen sich die Millennials stetig von Facebook zurück und übrig bleibt die Generation über 40. Von den 14–29-Jährigen nutzen dagegen 62 Prozent hauptsächlich Youtube, Instagram und Snapchat. Nur 36 Prozent sind noch auf Facebook und 3 Prozent nutzen Twitter. Und genau hier ist der Haken: Im Jahr 2017 waren laut Bitkom 92 Prozent der deutschen Spitzenpolitikerinnen und -politiker auf Facebook aktiv, 61 Prozent auf Twitter, 31 Prozent auf Instagram. Sie bespielen also nicht unbedingt die Kanäle, auf denen die Millennials unterwegs sind. Und selbst wenn sie auf demselben Kanal unterwegs sind, heißt es noch nicht, dass sie auch dieselbe Sprache sprechen. Genau diese Interaktion auf Augenhöhe fehlt überwiegend noch.
 

Manchmal zählt nicht nur der gute Wille

Die deutsche Politikerin mit den meisten Followern auf Social Media war im März 2018 Angela Merkel. Der Grund dafür liegt wohl mit in ihrer politischen Prominenz als Bundeskanzlerin seit 14 Jahren. Aber fördert ihre Aktivität in den Sozialen Netzwerken diese Beliebtheit auch? Obwohl Frau Merkel in ihren Posts immer über aktuellen Themen informiert, fehlt doch das Herz in den Beiträgen. Auf Instagram ist die Bundeskanzlerin im Vergleich zu Facebook – der letzte Post ist von Juli 2018 – zwar deutlich aktiver, in den meisten Fällen mit zwei bis drei Posts pro Tag. Allerdings sind es immer Bilder, die durch einen professionellen Fotografen gemacht wurden – eher ungewöhnlich für Instagram.

Bilder der Kanzlerin zum Festakt des Jahrestages der Weimarer Republik: 
Und auch die Kommentare zu den Bildern entsprechen weniger dem Instagram-Stil. Bei jedem Bild ist natürlich ein entsprechender Text dabei. Aber der Inhalt ist viel zu lang für Instagram: „Ein wichtiger Schritt in Richtung Demokratie: Heute vor 100 Jahren trat die Nationalversammlung der Weimarer Republik zum ersten Mal zusammen. Beim Festakt in #Weimar gab es viele Begegnungen: auch mit den Menschen vor Ort.“ (06.02.19) Merkel versucht außerdem mit Fun-Facts zu überzeugen, die aber doch mehr Fact als Fun sind. Die Texte sind steif und sachlich gehalten „Ein wichtiger Partner, mit dem Deutschland grundlegende Überzeugungen wie Multilateralismus, freien Handel und Rechtsstaatlichkeit teilt ….“ (04.02.19). Aber spricht das die Millennials wirklich an? Auch die Interaktion mit den Followern auf dem Instagram-Profil der Bundeskanzlerin unterstützt diesen Eindruck. Auf Kommentare unter den Bildern kommen keinerlei Reaktionen – auf Instagram eigentlich ein No-Go. 
 

Es ist doch nicht so schwer ...

Der FDP-Politiker Christian Lindner zeigt hingegen auf, dass es besser gehen kann. Auf Instagram postet der Politiker häufig zwei bis drei Beiträge pro Tag. Aber der Teufel liegt im Detail. Die Posts sind mit Bildern versehen, die entweder von ihm selber gemacht wurden (ob Backstage oder Selfie) und dadurch viel „echter“ wirken. 
 
Und auch die Kommentare unterscheiden sich von denen der Bundeskanzlerin. Auf Instagram sind es kürzere Kommentare. Sie wirken im Kontext authentischer. Zwar beziehen sich viele Kommentare häufig auf das politische Geschehen und natürlich auf die Posts. Aber in der Sprache sind die Beiträge offener und lockerer „Heute ist Tag der #Kinderhospizarbeit. Seit vielen vielen Jahren unterstütze ich das @kinderhospizregenbogenland in #Düsseldorf.“ (10.02.19). Das macht es für die Follower leichter, sie zu verstehen. Die „Politiker-Sprache“ findet sich fast gar nicht in den Instagram-Posts von Christian Lindner. Er hält sich bis auf wenige Ausnahmen in seinen Posts an die Instagram-Regel „kurz, knackig, echt“. Und auch der Einsatz von Hashtags und Verlinkungen zu anderen Seiten sind auf dem Profil von Christian Lindner deutlich öfter zu sehen als bei der Bundeskanzlerin. Die Besonderheit liegt auch hier in der Nutzung der Hashtags. Die Einbindung findet unmittelbar im Text statt, was auf Social Media eleganter wirkt, als am Ende des Posts eine Liste von Hashtags anzufügen. Damit befindet sich Christian Lindner fast auf Augenhöhe mit den Millennials. 
 

Geben und Nehmen

Als Nutzerinnen und Nutzern auf Social Media kommt ihnen aber auch eine gewisse Holschuld zu. Es ist zwar möglich, den Politikerinnen und Politikern nur zu folgen und „mitzulesen“ was gepostet wird. Aber das sollte nicht die beste Lösung sein. Vor allem nicht für die Millennials. Allerdings sind nur 25 Prozent der 18–40-Jährigen laut Studie der Universität Hohenheim schon mal mit einem Politiker oder einer Politikerin in Kontakt getreten. Hier gibt es verschiedene Optionen, Interesse an dem Post und somit dem entsprechenden politische Thema zu bekunden: Durch die Funktion „Gefällt-mir” haben bisher 23 Prozent Interesse signalisiert, nur 10,5 Prozent haben Beiträge geteilt und nur 9,8 Prozent haben einen Kommentar hinterlassen.
 
Die Studie zeigt aber auch, dass junge Nutzerinnen und Nutzer sich mehr Interaktion wünschen (39,5 Prozent der Befragten). Aber die Eigeninitiative ist noch sehr gering. Wenn 75 Prozent sich überhaupt nicht beteiligen, wie können die Politikerinnen und Politiker sich dann richtig auf diese digitale Generation in ihrer Social-Media-Kommunikation einrichten? Es ist sehr schwer. Hinzu kommt auch, dass Politikerinnen und Politiker wie die Bundeskanzlerin oder Christian Lindner nicht mit diesen Medien aufgewachsen sind. Da Millennials viel leichter im Alltag mit Instagram und Facebook umgehen können, könnten sie auch selbst auf die Politikerinnen und Politiker in diesen Medien zugehen. Aber ohne das Interesse gezeigt wird, ist nicht zu erkennen, in welche Richtung (ob Social Media oder bestimmte Themen) mehr kommuniziert werden sollte.
 

Beide Seiten müssen sich anpassen

Diese Daten lassen erkennen, dass die politische Kommunikation auf Social Media noch lange nicht gut genug ausgebaut ist. Dies liegt nicht nur daran, dass sich politische Stellen noch nicht unbedingt an die Stile der einzelnen Kommunikationsplattformen gewöhnt haben. Nein, es liegt auch daran, dass Bürgerinnen und Bürger sich selbst zu wenig beteiligen. Obwohl sie es könnten und auch sollten. Gerade durch die Digitalisierung, wird auch die Kommunikation immer stärker über online Plattformen ausgeübt werden. Wenn Angela Merkel oder Christian Lindner sich nun mit den Millennials genau dort in Verbindung setzen wollen, haben sie noch einen langen Weg vor sich. Sie können sich noch nicht Augenhöhe mit ihnen bewegen. Auch, weil die Millennials nicht genug Eigeninitiative ergreifen.