New York  1-800-701-BOMB

„Unabomber“ in einem blauen Herz, geschaffen von Sluto in den Straßen von Brookly, New York.
„Unabomber“ von Sluto auf den Straßen von Brookly, New York. © Sluto, Foto: Lunapark

Das Mosaik in Brooklyn ist eine faszinierende Darstellung des Unabombers, da es ihn in ein universelles Symbol der Liebe stellt: das Herz.

„Museen sind für die Kunst, was Taxidermie für die Natur ist“, kommentierte Elberto Muller in einem Interview für das philosophische Online-Magazin Gadfly. Und obgleich er dieser Maxime ein Stück weit abschwören musste, um seine Kunst in Galerien ausstellen zu können, besteht kein Zweifel daran, dass sein Werk in erster Linie in den Straßen zu Hause ist.  

Elberto Muller, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Sluto, ist ein Graffitikünstler und Schriftsteller, der Züge, Brücken und Mauern mit Mosaiksteinen aus verschiedenen Materialien verziert. Dabei greift er auf Motive aus der Pop- und Subkultur zurück und verbindet sie mit symbolträchtigen Elementen aus Legenden und Sagen, etwa vermenschlichten Tieren, Bösewichten und dem Pegasus.

Seine Vorliebe für Mosaike entstand, als er in Kiew (der heutigen Hauptstadt der Ukraine) lebte, damals eine der bedeutendsten Städte der UdSSR. Öffentliche Ausdrucksformen der Kunst entstanden dort in Form von Mosaiken, die als Propaganda für das sozialistische Regime, die russische Revolution und die Arbeiterklasse dienten.

Die Bedeutung dieser Art der künstlerischen Darstellung in der sowjetischen Kunst erklärt sich unter anderem aus ihrer öffentlichen Zugänglichkeit zu Zwecken der sozialistischen Propaganda, ihrer Langlebigkeit (verglichen mit der Wandmalerei) und nicht zuletzt durch die Tatsache, dass große Summen in ihre Finanzierung flossen. Die Mosaike des sozialistischen Realismus sind oft an öffentlichen Orten zu bewundern, etwa an Schulen, Wohnhäusern, Fabriken, U-Bahn-Stationen oder Kinos.

Anfangs widmete sich Sluto der Mosaikgestaltung von Güterzügen, die er noch heute als „leere Leinwände“ bezeichnet, und dehnte seine Tätigkeit dann auf die Straßen aus. Er kann wirklich alles mit Fliesen darstellen: von Clowns, Blumen und Kaugummiautomaten, bis hin zu brennenden Polizeiautos oder einem Terroristen der Neo-Ludditen.

Wer war der Unabomber?

Das Herz, das für diese Sonderausgabe von Artbits ausgewählt wurde, stammt aus den Straßen von Brooklyn, New York. Es handelt sich um ein Mosaik des oben genannten Künstlers, ein blaues Herz, in dem ein schwarz umrandetes Gesicht zu sehen ist: das von Theodore Kaczynski.

Der weltweit als Unabomber (Universitäts- und Flugzeugattentäter) bekannte Mann ließ alle Alarmglocken der US-amerikanischen Sicherheitsbehörden läuten, als er zwischen 1978 und 1995 insgesamt 16 Bombenanschläge per Post verübte. Mit den meisten dieser Anschläge verfolgte er eine klare Absicht: Er wollte gezielt Personen angreifen, die er für den technischen Fortschritt verantwortlich machte. Er selbst lehnte diesen strikt ab.

Der vielleicht eindrucksvollste Fall war der Mord an Thomas J. Mosser am 10. Dezember 1994. Mosser arbeitete als Führungskraft für Burson Cohn & Wolfe (BCW), eine PR- und Presseagentur in New Jersey. Nach Angaben der Zeitung The Seattle Times vermeldeten die Bundesbehörden, dass Kaczynski ihn in der Annahme getötet habe, er habe der Firma Exxon geholfen, ihr Image nach jener verheerenden Ölpest in Alaska zu bereinigen, die als Ölkatastrophe der Exxon Valdez in Erinnerung geblieben ist. 

In einem über 30.000 Wörter umfassenden Text mit dem Titel Industrial Society and Its Future („Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft“), der von der Washington Post und der New York Times veröffentlicht wurde, machte der Unabomber seine Ideen schließlich publik. Zuvor hatte er dieselben Zeitungen um eine Veröffentlichung gebeten und angeboten, dass er im Gegenzug keine weiteren Bomben verschicken würde.  Doch den Behörden genügte das nicht. Die Polizei richtete eine Hotline unter der Nummer 1-800-701-BOMB ein und bat um Hinweise, die zur Ergreifung des Attentäters führen könnten. Dafür setzte sie eine Belohnung in Höhe von einer Million Dollar aus.

Mittlerweile ist der Unabomber zu einer Art Held des Untergrundes geworden und seine Überzeugung, der rasante technologische Fortschritt habe die menschliche Freiheit untergraben, wird immer wieder aufgegriffen.

Freedom Tunnel – Der Tunnel der Freiheit

Unter dem Riverside Park im New Yorker Stadtbezirk Manhattan verläuft ein Eisenbahntunnel, durch dessen Gitter zu bestimmten Uhrzeiten das Sonnenlicht dringt. In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts diente er als Zufluchtsort für Obdachlose, doch nach der Wiederinbetriebnahme der Amtrak Empire Connection (also der Wiederaufnahme der Zugverbindung nach Pennsylvania) erfolgte eine umfangreiche Zwangsräumung.

Dieser Umstand hielt Streetart-Künstler aber nicht davon ab, die Wände des Tunnels für ihre Kunst zu nutzen, denn dabei laufen sie kaum Gefahr, von der Polizei gefasst zu werden. Mit der Zeit entwickelte sich der Tunnel zu einem Dreh- und Angelpunkt der New Yorker Graffiti-Szene. Hier sind unter anderem Arbeiten von Künstler*innen wie Sane Smith, Ghost, Twist und Dan Plasma zu finden.

Der Unabomber, Volksheld alternativer Gruppierungen, die sich mit Teds Ideen identifizieren, wurde hier von Chris „Freedom“ Pape porträtiert, jenem Graffitikünstler, der den Tunnel als Erster für die Kunst entdeckte und ihm seinen Namen lieh.

Slutos Herz ist demnach eine Hommage an Freedoms Porträt des Unabombers (er verwendet sogar denselben Blauton), womit er auch den verborgenen, illegalen und unregulierten Streetart-Graffitis Tribut zollt, die sich schwerlich vermarkten oder hinter Museums- und Galeriewänden ersticken lassen.
 

Das könnte auch von Interesse sein