Plötzlich gibt es Palmen, die Sänger im Radio singen auf Spanisch, die Luftfeuchtigkeit liegt bei etwa 100 Prozent. Auf Google Maps sieht Orlando aus wie der erste Sonnentag nach einem Monat Regen: überall große und kleine Pfützen, die eigentlich riesengroße Seen sind. Ein Land, das mehr Wasser ist als Land. Der Schweiß tropft an der Wimperntusche von letzter Nacht herunter, ich war zu müde, zu jung, zu dumm, zu arrogant zu glauben, mein verschmiertes Gesicht stünde über dem nächsten Tag. Ich habe die falsche Kleidung eingepackt, denke ich und packe im Kopf meinen Koffer aus, zwei Pullover, zwei Hosen, zwei Stiefel, im Hotel verbrenne ich sie alle.
Auf dem festgeklemmten Handy des Uberfahrers spricht eine hübsche Frau, wahrscheinlich telefoniert er gerade mit seiner Freundin. Sie zeigt ihm ihre Handtasche, ihren Lippenstift, Dinge abseits der Kamera. Er sagt kein Wort dazu, räuspert sich immer wieder, er ist schüchtern, denke ich, wie süß: sie spricht, er hört zu, sie findet ihn beruhigend, er sie aufregend.
Meine Haare sahen noch nie besser aus. Das ist die Punchline dieses Texts. Sobald es schwül und heiß ist, spielen sie die Hauptrolle am Broadway, großes Kostüm, endlich Showtime nach 28 Jahren deutschem Wetter. Für diese Hitze ist dieser Körper geschaffen, denke ich, an dieser Hitze geht dieser Geist zugrunde.
Die Freundin des Uberfahrers geht jetzt in die Werbepause, denn sie ist gar nicht seine Freundin, sondern Streamerin. Während er eine Hand am Lenker hat, scrollt er mit der anderen durch Reels. Würde ich genauso machen, denke ich, hätte ich einen Führerschein und müsste den ganzen Tag hitzesterbende Touristen mit wunderschönen Haaren rumkutschieren. Im Radio singt eine Männerstimme Soy Lo Peor, ich bin das Schlimmste. Als wir aus dem Auto steigen, fühlt es sich so an, als seien wir im Schwimmbad.
Die in diesem Text geäußerten Ansichten sind ausschließlich die der Autorin und spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung oder Position des Goethe-Instituts wider.