Rosinenpicker | Literatur  Glück und Unglück von Trotteln

Hier hat vielleicht alles begonnen: Kiezkneipe „Henkel-Stuben“, Blücherstraße, Berlin-Kreuzberg
Hier hat vielleicht alles begonnen: Kiezkneipe „Henkel-Stuben“, Blücherstraße, Berlin-Kreuzberg © mauritius images / Schoening / imageBROKER

Wo liegen die Gemeinsamkeiten von Trotteln und Troddeln? In einem schrägen Hybrid zwischen Witzebuch und Comicband gehen Robert Seethaler und der Comiczeichner Marcus Weimer dieser und anderen sinnlosen Fragen nach. Vor allem beweisen sie, dass Fragen wichtiger sind als Antworten.

Der österreichische Schriftsteller Robert Seethaler und Marcus Weimer, eine Hälfte des Comic-Duos Rattelschneck, haben mit Trotteln ein Nonsens-Buch ersten Ranges geschrieben und gezeichnet. Schon beim Titel und dem dazugehörigen Cover beginnen die Missverständnisse. Denn mit den Trotteln sind keine Trottel, also keine Dorf-, Voll-, Halb- oder Obertrottel, gemeint. Abgebildet sind stattdessen zwei Troddeln, auch  Quasten genannt, also Bündel von Fäden oder Kordeln, häufig mit einem Knoten oder einer Zierperle am oberen Ende. In früheren Zeiten wurden Vorhänge von einer Kordel mit zwei Troddeln zusammengehalten. Auf dem Buchcover laufen die Kordeln der beiden Troddeln in zwei menschlichen Gesichtern zusammen – die etwas trottelig dreinschauen.

Seethaler / Rattelschneck: Trotteln (Buchcover) © Ullstein



Begonnen hat alles in einer Kreuzberger Kneipe. Seethaler und Weimer saßen beieinander, redeten, tranken ein paar Bierchen und begannen, in ein Skizzenbuch zu zeichnen. Als Weimer am Folgetag Seethalers Zeichnungen in seinem Skizzenbuch wiederentdeckt, schreibt er ihm eine E-Mail. Dieser etwa ein halbes Jahr währende E-Mail-Austausch ist die Basis des Buchs und gibt ihm eine tagebuchartige Form, in dem sich Wortspielereien, witzige Zeichnungen und gelegentliche fotografische Schnappschüsse abwechseln.

Lektorat zwecklos

In dem Absurditäten-Kabinett treten auf: Tarzan, der Jane mit Liane betrügt, Schweinchen Dick, das den Pornostar Hähnchen Cock kennenlernt und natürlich immer wieder Troddeln. Die führen abwegige Gespräche, wünschen sich den Vorhang aus der Reinigung zurück oder stehen vor unlösbaren Aufgaben. In einem Cartoon gehen zwei unterschiedlich große, mönchsähnlich gekleidete Gestalten an einem Café vorbei, ein Cafébesucher kommentiert: „Ovid und Long Ovid, einer unangenehmer als der andere.“

Auch Seethaler, der gerne mal als literarischer Star bezeichnet wird, ist als Superheld karikiert: mit blauem Kostüm und rotem Cape. Ein andere Superheld heißt Tranquilizer. Dessen Superkraft besteht darin, dass er so langweilig ist. Alle seine Gegner schlafen sofort ein.

Ab und an versucht ein Lektor mit seinen Kommentaren in das Buch einzugreifen, doch diese werden entweder abgebügelt oder einfach ignoriert.

Bestimmt lässt sich Trotteln als Blödsinn oder Eskapismus abtun. Doch viel angemessenere wäre es, erst gar nicht nach einem tieferen Sinn zu suchen, sondern sich auf die Kalauer, Assoziationen und Ungereimtheiten einzulassen und das Ganze als großen Spaß zu verstehen. Es steht jedem frei, ein Trottel zu sein, der über diesen wunderbaren Unsinn lacht, oder ein Trottel, dem das zu blöd ist.  
Robert Seethaler, Rattelschneck: Trotteln
Berlin: Ullstein, 2025. 112 S.
ISBN: 978-3-550-20405-0