Ein Fitness-Studio als Austragungsort von Midlifecrisis und Persönlichkeitsstörung – plus ein paar heftige Lügen in einem Team, in dem es alle gut mit der Protagonistin meinen: Kann das funktionieren?
Im Mega Gym von Ferhat gibt es dank der modernsten und besten Geräte durchtrainierte Körper rauf und runter, sogar eine Profi-Bodybuilderin ist täglicher Gast. Das Mega Gym ist kein Fitness-Studio wie jedes andere, sondern ein „Palast aus glänzenden Oberflächen“, in dem Fitnessdrinks Namen wie „Sixpack on the beach“ oder „Pina-Cool-Downa“ tragen. Dass man zum Spinning mit „Are you ready bitches?!“ begrüßt wird, gehört dazu.Den Job dort am Tresen bekommt die namenlose Protagonistin in Verena Keßlers Roman Gym erst, als sie Besitzer Ferhat angesichts seiner Skepsis ihrem ganz und gar nicht durchtrainierten Körper gegenüber angibt, gerade erst entbunden zu haben. Der einfühlsame „Feminist“, wie er sich selbst bezeichnet, hat Verständnis:
Die meisten wollen ihren Pre-Baby-Body zurück.
Gestörte Persönlichkeit
Schnell wird klar: Mit der Protagonistin stimmt so einiges nicht. Bereits nach 30 Seiten wissen wir: Sie hat eine Bewährungshelferin. Im Verlauf der Geschichte gebärdet sie sich immer abgefahrener in ihrem Fitnesswahn, sie agiert überambitioniert und vollkommen skrupellos. Sprünge zwischen ihrem Leben als erfolgreiche Agentur-Mitarbeiterin und dem jetzigen lassen anfangs noch schwach erahnen, dass in ihrer Vergangenheit etwas Schreckliches passiert sein muss, in der Zuspitzung platzt dann auch diese unglaubliche Bombe.Nichts für Hardcore-Vegetarier
Rasant erzählt Verena Keßler von Schönheitsidealen und wozu Menschen in der Lage sind, um diesen zu entsprechen. Überzeugte Vegetarier sollten an dieser Stelle vorgewarnt sein, es wird mitunter ekelig. Diese Passage ist noch harmlos:Ich wachte auf und macht Push-ups. Ich putzte Zähne und machte Squats. Ich aß rohe Leber, Hack, Ei, fuhr ins Gym, begann mit dem Training. Ich spritzte, stellte mich hinter den Tresen, schnitt Obst, mixte Shakes.
Verena Keßler: Gym. Roman
Berlin: Hanser, 2025. 192 Seiten
ISBN: 978-3-446-28163-9
Oktober 2025