Karl Schlögel – Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels 2025  Ausgezeichneter Chronist der Gegenwart

Der Historiker und Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels 2025 Karl Schlögel in der Buchhandlung am Bayerischen Platz in Berlin
Der Historiker und Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels 2025 Karl Schlögel in der Buchhandlung am Bayerischen Platz in Berlin Foto (Detail): © picture alliance / SZ Photo | Friedrich Bungert

Die Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels ist alljährlich der feierliche Höhepunkt am letzten Tag der Frankfurter Buchmesse. 2025 wird der Wissenschaftler und Osteuropakenner Karl Schlögel mit diesem wichtigen Preis geehrt.

Ende Juli 2025 stand es fest: Den diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält der deutsche Historiker und Essayist Karl Schlögel. Er gilt als einer der besten Kenner der Geschichte Osteuropas. Die vielbeachtete Auszeichnung für Persönlichkeiten, die in Literatur, Wissenschaft oder Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen haben, wird traditionell am letzten Tag der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche verliehen. In diesem Jahr ist das der 19. Oktober. Der seit 1950 vergebene Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.

Karl Schlögel habe die Kultur- und Zeitgeschichte Russlands und Osteuropas neu erzählt, schrieb der Stiftungsrat des Friedenspreises über den „Wissenschaftler und Flaneur“, den „Seismografen gesellschaftlicher Veränderung“. Sein Werk zeichne sich dadurch aus, dass er Geschichtsschreibung mit persönlichen Erfahrungen verbinde.

Solidarisch mit der Ukraine

Dass die Wahl auf Schlögel fiel, ist auch ein politisches Statement für die ungebrochene Solidarität Deutschlands und Europas mit der Ukraine. Seit der russischen Invasion im Februar 2022 ist Schlögel bei zahlreichen Gelegenheiten als Gast in Talkshows und als Redner bei Demonstrationen und Protestkundgebungen gegen die russische Aggression aufgetreten. Als einer der Ersten in Deutschland habe er vor der aggressiven Expansionspolitik Wladimir Putins und seinem autoritär-nationalistischen Machtanspruch gewarnt, hieß es vom Stiftungsrat.

Karl Schlögel war bereits im Jahr 2014 in die Ukraine gereist, um sich ein Bild von der Situation nach der russischen Besetzung der Krim zu machen. „Er hob früher als andere hervor, dass Osteuropa zum kulturellen Bestand Gesamteuropas gehört“, lobt der Stiftungsrat. Schlögel hat diese Idee eines ungeteilten Europas einmal so formuliert: „Europa gibt es wirklich, es muss nicht – auch wenn mit den besten Absichten – erst ausgedacht werden.“

Kundiger Beobachter gesellschaftlicher Transformationen

Bekannt wurde Schlögel, 1948 in Hawangen im bayerischen Allgäu geboren, nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime in Mittel- und Osteuropa in den 1990er-Jahren. In zahlreichen Artikeln und Büchern vermittelte er präzise Beobachtungen und kundige Analysen der Transformation der Gesellschaften, die jahrzehntelang unter kommunistischer Herrschaft gestanden hatten. Unter anderem schrieb er über den so genannten Berliner Polenmarkt, der sich nach dem Fall der Berliner Mauer an der Stelle entwickelte, wo heute der neue Potsdamer Platz ist. Damals gab es dort nur eine große Brache, die von eben dieser Mauer durchtrennt war, „eine sandige Fläche mit abgestellten Wohnwagen und einer ins Nirgendwo führenden Magnetschwebebahn, Philharmonie und Staatsbibliothek wie Weltraumschiffe in einer Grenzlandschaft“. Der Markt hieß im Volksmund Polenmarkt, weil Osteuropäer, darunter viele Polinnen und Polen, auf diesem Markt ihre Waren verkauften.

Schon 1966 hatte sich Karl Schlögel in die damalige Sowjetunion aufgemacht – und fand in dem Land sein Forschungsfeld. Nach einem Studium der osteuropäischen Geschichte, Philosophie, Soziologie und Slawistik an der Freien Universität Berlin promovierte er dort 1981 mit einer Dissertation über Arbeiterkonflikte in der Sowjetunion.

Verständnis aus eigener Anschauung

Weitere Aufenthalte in Moskau (1982/83) und Leningrad (1987) bildeten den Hintergrund für seine intellektuelle Auseinandersetzung mit der politischen Entwicklung in den damals noch kommunistisch regierten Ländern. Schlögel verstand daher schneller und besser als andere Westeuropäer, wie grundlegend sich der Umbruch der Jahre nach 1989 für die Menschen im Osten anfühlte: „Das Ende der Sowjetunion war eben nicht nur ein Dekorationswechsel, nicht nur das Ende von politischen Institutionen und administrativen Strukturen, sondern die Auflösung einer Lebensform.“

Sein aktuelles Buch Auf der Sandbank der Zeit trägt den Untertitel „Der Historiker als Chronist der Gegenwart“ – das ist eine gute Beschreibung für Schlögels Werk. Im Vorwort spricht er von einer „Osterweiterung des Bewusstseins“ interessierter Menschen nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime. Zu dieser Bewusstseinserweiterung hat der geehrte Essayist mit seinen eleganten, anschaulichen Texten viel beigetragen.