Leere Flasche in den Mülleimer? In Deutschland undenkbar! Das Pfandsystem gilt als Paradebeispiel für Effizienz und Nachhaltigkeit. Doch zwischen Mehrweg-Ideal, Einweg-Realität und Pfandautomat-Frust steckt mehr, als man auf den ersten Blick vermutet.
Für viele Deutschlandbesucher*innen ist es ein Schockmoment. Man wirft eine leere Plastikflasche in den nächstbesten Mülleimer oder zerquetscht gedankenlos eine ausgetrunkene Metalldose – und erntet sofort einen entsetzten Blick samt Hinweis: „Da ist doch Pfand drauf!“Kaum ein anderes Detail des Alltags sagt so viel über deutsche Ordnungsliebe und Umweltbewusstsein aus wie dieses System. Es gilt als Paradebeispiel für Effizienz – und sorgt dennoch für Diskussionen. Doch was passiert eigentlich mit der Flasche, sobald sie in den Leergutautomaten wandert? Und ist das Pfandsystem tatsächlich der heilige Grahl der Recyclingwirtschaft?
Was ist Pfand?
Eigentlich spricht man von „Leergut“. Die Grundidee ist simpel: Ein Flüssigkeitsbehälter – sei es Glasflasche, Plastikflasche oder Aluminiumdose – soll wiederverwendet werden, um Müll zu reduzieren und die Umwelt zu schonen. Dafür braucht es ein Recycling-System, das sicherstellt, dass Flaschen und Dosen gesondert ihren Weg zurück in die Abfüllanlage oder Wiederverwertung finden. Nur so können sie gesäubert, eingeschmolzen und zu neuen Flaschen verarbeitet werden.
Hier hatte jemand die Spendierhosen an. | Foto (Detail) © picture alliance / ZB | Sascha Steinach
Effizienz in Flaschenform
Was das Pfandsystem allerdings „typisch deutsch“ macht, ist das logistische System hinter der Rückgabeidee. Das Stereotyp der deutschen Effizienz wird in der Pfandindustrie voll erfüllt: Man kann eine Flasche an einem beliebigen Ort in Deutschland kaufen und an einem Automaten in einer anderen Stadt, hunderte Kilometer entfernt, zurückgeben. Trotzdem findet die bayerische Bierflasche, die in Hamburg zurückgegeben wurde, ihren Weg zurück in die Münchner Brauerei. Dabei bekommt nicht nur der Hersteller seine Flasche zurück, sondern auch der Supermarkt, in dem die Flasche erworben wurde, und der/die Käufer*in in Hamburg bekommen beide genau so viel Geld zurück, wie sie ursprünglich ausgeliehen oder ausgegeben haben.Einweg, Mehrweg – alles weg?
Das System gilt als nachhaltig, steht aber bei Politik, Umweltverbänden und Herstellern in der Kritik. Der wohl größte Kritikpunkt ist der Unterschied zwischen Mehrweg- und Einweg-Leergut. Mehrweg, meist Glasflaschen, können bis zu 50-mal gesäubert und neu befüllt werden, bevor es zur Rohstoff Einschmelzung für die Wiederverwertung geht. Einweg-Leergut hingegen, meist Plastikflaschen, kann nicht direkt wiederverwendet werden, sondern muss gehäckselt, eingeschmolzen, und neu produziert werden. Dies verbraucht viel Energie und Wasser und garantiert keine 100-prozentige Verwendung zu neuen Flaschen, da recyceltes Plastik beispielsweise auch zu Tüten umfunktioniert wird, die schlussendlich im Müll landen.
Diese Flaschen warten geduldig darauf, wieder befüllt zu werden. | Foto (Detail) © picture alliance / Ina Fassbender/dpa | Ina Fassbender
So ein Saftladen
Doch nicht auf alle Flüssigkeitsbehälter erhält man Pfand. Man muss schon Pfandexpert*in sein, um zu wissen, worauf tatsächlich Pfand erhoben wird und warum. So sind beispielsweise Molkereiprodukte, diverse Fruchtsaftgetränke, Wein und Spirituosen dank der Lobby von der Pfandpflicht ausgenommen. Worauf Pfand anfällt, weiß oft niemand so genau. Deshalb verbringen die Deutschen viele Lebensstunden vor dem Leergutautomaten und rätseln, weshalb mal wieder eine Flasche vom Pfandautomat nicht akzeptiert wird.
Ein Ort der Freude und der Wut: der Leergutautomat. | Foto (Detail) © picture alliance / Weingartner-Foto / picturedesk.com | -
Das Geld liegt auf der Straße
Ob so effizient wie ursprünglich gewünscht oder nicht: Das Pfandsystem ist Teil der deutschen Kultur geworden. Durch die vergleichsweise hohen Pfandbeträge kann es sich lohnen, Leergut zu sammeln. Bedürftige Menschen versuchen so, sich etwas Geld dazu zu verdienen. Eine körperlich harte und anstrengende Arbeit, und das für einen Tageslohn von meist unter 15€.
Pfandflaschenbehälter retten die Flaschen vor dem Mülleimer. | Foto (Detail) © picture alliance / HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com | HELMUT FOHRINGER
September 2025