Welt
Krieg hat das Gesicht eines Kindes

Kinder basteln. © Mariann Hendrikson

Workshops für Kinder, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, sind einerseits ein netter Zeitvertreib, andererseits aber auch eine Möglichkeit, eine neue Generation von Menschen zu formen, die Gutes in der Welt tun wollen.
 

Mariann Hendrikson

Das estnische Volk hat sich zusammengeschlossen und gemeinsam die Ankunft der ukrainischen Flüchtlinge und deren neues Leben so reibungslos und angenehm wie möglich gestaltet. Darüber hinaus sind sehr große Geldbeträge und Spenden zusammengekommen. Sänger*innen und Sinfonieorchester veranstalten Benefizkonzerte, Künstler*innen spenden ihre Werke für Auktionen, Menschen öffnen ihre Türen und auch Facebook-Gruppen sind Anlaufstellen für Menschen. Man hilft, indem man das tut, worin man gut ist. Auch wir, die jungen Designer*innen, tun etwas, von dem wir glauben, dass wir es gut können. Deshalb haben wir begonnen, regelmäßige Workshops für ukrainische Kinder an der Estnischen Akademie der Künste zu organisieren.

Wir sind Studierende für Produktdesign an der Estnischen Akademie der Künste, hauptsächlich aus dem ersten Jahr. In Estland lebend, haben wir das Privileg einer kostenlose Hochschulbildung, wobei Tatsache ist, dass wir beim besten Willen nicht viel Geld haben. Wir können dazu beitragen, Krankenwagen zu kaufen oder nachhaltige Lebensmittel zu spenden, aber wir können ein Stück unserer Zeit und kreativen Fähigkeiten an die angekommenen Flüchtlinge weitergeben.

Wir wollen Kindern und ihren Familien die Möglichkeit geben, für ein paar Stunden dem Alltag zu entfliehen und sich auf etwas ganz anderes zu konzentrieren. Unsere Workshops finden zweimal pro Woche statt und dauern etwa zwei Stunden. In dieser Zeit, können wir neben Spielen, Basteln und Malen auch Snacks und heiße Getränke genießen. Sowohl Kinder als auch ihre Mütter sind immer glücklich und dankbar. Handarbeit ist eine altbekannte Therapie, und auch die Mütter basteln und zeichnen gerne.

Obwohl unsere Workshops thematisch ausgerichtet sind, können Kinder ihrer Fantasie freien Lauf lassen und so ihre Kreativität weiterentwickeln. In den Werkstätten haben wir Pelztiere aus Papier, Tiermasken, Papiertütenwesten, Ferngläser, Piratenhüte, Augenmuscheln, Puzzles und Hasenohren hergestellt. Das letzte Mal haben die Kinder ihre eigene kleine Theaterbühne gebastelt. Die Material- und Dekorationswahl ist dabei frei, sodass die Ergebnisse immer sehr unterschiedlich und einzigartig sind. Man könnte meinen, dass das bloße Basteln auf lange Sicht keinen großen Einfluss auf Kinder und Mütter haben wird, aber ich glaube, dass die Wirklichkeit eine andere Geschichte erzählt.
 
  • Mädchen mit Kaninchenmasken. © Mariann Hendrikson
    Organisiert wird der Workshop von den Produktdesignstudentinnen der Estnischen Akademie der Künste, Mariann und Karolin.
  • Kleine Meister und Meisterinnen © Mariann Hendrikson
    Kleine Meister und Meisterinnen
  •  Kinder basteln. © Mariann Hendrikson
    Kleine Meister und Meisterinnen

Es wird überlegt, ob Krieg das Gesicht eines Mannes oder einer Frau hat. Vielleicht hat der Krieg stattdessen das Gesicht des Kindes? Kinder sind unsere nächste Generation. Die Zukunft hat das Gesicht des Kindes. Kinder sind diejenigen, die eine bessere Welt als die jetzige schaffen müssen. Eine Gesellschaft, in der Städte nicht bombardiert und Menschen nicht als Geiseln genommen werden. Wir möchten, dass unsere Schöpfer*innen der Zukunft nicht mit einer Angst aufwachsen, die sie für den Rest ihres Lebens verfolgt.

Die Kinder, die in Estland angekommen sind, befinden sich jetzt in einer sicheren Umgebung, aber wir dürfen nicht vergessen, dass definitiv ein Teil der Familie oder der Freunde dageblieben ist, um die sich die Kinder nach wie vor Sorgen machen. Plötzliche Umweltveränderungen können dazu führen, dass Kinder allein gelassen werden, weil ihre Eltern viel damit zu tun haben, einen Ort zum Wohnen, Arbeiten und Leben zu finden. Eltern müssen auch darauf achten, einen Platz für ihr Kind im Kindergarten oder in der Schule zu finden. Kleinere Arbeitsgruppen oder Hobbies sind zweitrangig.

Erwachsene arbeiten, um Geld zu verdienen, aber es muss bedacht werden, dass auch Kinder einen ständigen Job haben. Ihre Aufgabe ist es, zu spielen. Auch wenn Erwachsene heutzutage im Home Office arbeiten und an Meetings online teilnehmen können, ist es doch eine schöne Abwechslung oder manchmal sogar notwendig, im Büro zu sein. Dasselbe gilt für Kinder. Obwohl man auch alleine zu Hause spielen kann, manchmal eben mit einem Smart-Gerät, ist es doch etwas anderes, wirklich irgendwohin hinzugehen und mit neuen Leuten zu interagieren und die Welt zu entdecken.

Kinder sind unser Spiegel. Von Natur aus wollen sie Erwachsene imitieren. Es liegt an uns, mit gutem Beispiel voranzugehen, damit sie etwas nachzuahmen haben. Wir möchten, dass sie unsere Freundlichkeit und Fürsorge annehmen, nicht Böses und Neid. Es liegt in unserem eigenen Interesse, dass Kinder in einer sicheren und angenehmen Umgebung aufwachsen, denn es ist eine Gesellschaft, die sie später als normal ansehen und in Zukunft  mit eigener Hand selbst aufbauen werden.

Unsere Workshops sind einerseits ein schöner Nachmittag für die Kinder und ihre Eltern, aber im weiteren Sinne prägen sie auch eine neue Generation von Menschen, die etwas in der Welt bewegen wollen. Wir sind den Firmen und Menschen, die uns sowohl mit Materialien als auch mit guten Ratschlägen unterstützt haben, sehr dankbar. Weitere Hilfe mit Rat, Tat und Materialien ist immer willkommen. Ihr könnt unsere Workshops und Materialien auf Facebook im Auge behalten, wo ihr sie unter dem Namen "Crafts for Ukrainian families by EKA / Ремесла для українських родин" findet.
 

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