Welt
Der Schutz der Natur ist auch der Schutz des Friedens

Ansicht einer leeren Landschaft mit Zaun © Ann Pajuväli

Für die Umwelt und Tierwelt ist Krieg immer ein Angriff. Es geht nicht einmal darum, welche Flaggen gehisst werden oder wer auf wen schießt, sondern um die Zerstörung als solche. Der Mechanismus zur Aussaat des Todes.
 

Linda-Mari Väli

Aus Sicht der Natur gibt es in keinem Krieg Gewinner, sondern nur Verlierer und Leidtragende. Was für den Menschen den Erwerb oder Verlust eines Gebietes bedeutet, erscheint er der wilden Welt auf allen Ebenen als eine ungeheure Störung für den natürlichen Funktionsrhythmus des Lebens.

Eines der Unterscheidungsmerkmale der Menschheit von anderen Tierarten ist unsere technologische Leistungsfähigkeit. Die auch in der Natur vorkommenden Kollisionen sind in der Menschenwelt mit dem wissenschaftlichen und industriellen Fortschritt zu Hightech-Kriegen geworden. Während der natürliche Krieg gewissermaßen aus der Natur selbst, das heißt aus begrenzten Ressourcen, entspringt, hat der industrielle und technologisierte menschliche Krieg den Bezug zum natürlichen Zustand der Umwelt, in der er ausgetragen wird, völlig verloren. Er konzentriert sich nur noch auf die Idee, politische Macht zu verewigen.

Zwar kommt es auch unter wildlebenden Arten zu Zusammenstößen, sowohl unter Herden als auch unter Individuen, doch geht es dabei in erster Linie um das unmittelbare Überleben, um den Mangel an Revieren und Nahrung. Das umkämpfte Territorium bleibt von diesen Aktivitäten unberührt. Genauso sind die übrigen Arten auf dem Gebiet nicht besonders betroffen – es ist nichts Ungeheuerliches oder Katastrophales daran.

Je weiter sich der Mensch mit seinen technologischen Fähigkeiten und damit auch mit seiner Lebensweise von der Natur entfernt, desto räuberischer wird seine Kriegskunst gegen die Natur. Das findet solange statt, bis wir eine Situation erreichen, in der der Kampf um die Verteilung des Territoriums und der Macht um den Preis der Zerstörung des Landes selbst geführt wird. Daher stellt sich für den praktischen, „wilden“ Verstand sofort die Frage: Was nützt es, etwas zu „gewinnen“, wenn sein wahrer Wert im Laufe des Kampfes zerstört wird?

In der Zeit zurück

Doch der Krieg ist zurück, zumindest für die Europäer*innen. Russlands Angriff auf die Ukraine ist ein Krieg in seiner eigenen hochtechnologischen Weise, der viel Treibstoff und andere Ressourcen verbraucht. Wie es für menschliche Kriege typisch ist, wird er von unvorstellbarer Brutalität und Gewalt begleitet.

Der Krieg hat uns dazu gebracht, viel mehr über die menschlichen Machthierarchien nachzudenken, aber weniger über das Schicksal der betroffenen Gebiete sowie die Umweltschäden im Allgemeinen. Der Krieg hat uns zu einer größeren ökologischen Kurzsichtigkeit auf der sozialen „Entwicklungsachse“ geführt.

Im letzten Jahrzehnt hat sich die Menschheit zunehmend auf die anhaltende ökologische Krise konzentriert – zumindest viel stärker als in den Jahrzehnten zuvor. Das Bewusstsein für die Klimakrise, die globale Gleichwertigkeit der Pandemie sowie die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets haben das Bewusstsein der Menschen, insbesondere der Jugendlichen, für den sich verschlechternden Zustand der Natur geschärft.

Im Kriegszustand hingegen sind für solche allgemeinen, die Menschheit verbindenden Themen kein Platz mehr. Die Frage ist nun, welches der beiden institutionalisierten Lager sich letztlich "durchsetzen" wird. Die Schäden, die der Natur zugefügt werden, sowie die allgemeine Rückständigkeit militärischer Praktiken rücken in den Hintergrund.

Vielleicht ist es eine psychologische Zwangsläufigkeit, dass in einer Situation, in der die Gewalt zwischen Menschen so allgegenwärtig ist und eine unmittelbare Reaktion erfordert, das Augenmerk in erster Linie auf die symbolische Realität von Staaten und Ideologien gerichtet ist und die natürliche Umwelt außer Acht gelassen wird. Aber gleichzeitig ist es tragisch, wie ein solch groteskes Ereignis vor dem Hintergrund einer globalen Krise des Klimas, der Landnutzung und der Biodiversität unsere Aufmerksamkeit von dem wirklich wichtigem ablenkt.

Zum Schutz des Friedens

Derzeit sollte der Fokus darauf liegen, unsere Kräfte und unser Wissen zu bündeln, um eine energische Gesellschaftsreform durchzuführen, die uns von Biosphären zerstörenden Industriewelten zu einer Kultur führt, die symbiotisch mit dem Planeten arbeitet. In der Umweltkrise ist kein Platz für Krieg. Wenn wir für die "Freiheit" kämpfen, wie können wir sie dann überhaupt verteidigen, wenn wir es nicht vermeiden können, die Erde zu zerstören, die für uns das Symbol und die Möglichkeit für eben diese Freiheit ist? Diese „Freiheit“, die vielleicht in der sozialen Matrix des Menschen etwas bedeutet, ist gleichzusetzen mit der Plünderung der Natur sowie allen anderen Gräueltaten, die der Mensch auf der Erde begeht.

Wenn sich die Umwelt in einem Krieg für eine Seite entscheiden müsste, gäbe es nur eine Möglichkeit, nämlich Frieden. Die weltbekannte Umweltorganisation Greenpeace hat ebenfalls angekündigt, von Ende April bis Anfang Mai zu protestieren. Sie fordert, dass „die führenden Politiker*innen der Welt und Finanzorganisationen alle Beziehungen zu russischen Kraftstoffunternehmen beenden, um Frieden und Klimagerechtigkeit zu erreichen“.

Kein Wunder, dass Naturschutz auch Friedensschutz ist. Und es ist auch der Schutz der Hoffnung, denn solange der Wunsch nach Verbesserung besteht, gibt es auch etwas zu verbessern. Vielleicht lohnt es sich, diejenigen, die sich auf der ganzen Welt für Natur und Frieden einsetzen, daran zu erinnern.
 

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