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Verschärfter Lehrkräftemangel
Keine Fachkräfte in Deutschland ohne Deutschlehrkräfte im Ausland

Eine Gruppe Schülerinnen hält in einem Klassenraum eine Präsentation an der Tafel. Alle tragen Pflegekräfte-Kleidung.
Lehrkräfte bringen Pflegekräften im Ausland, wie hier am Goethe-Institut in Hanoi, in speziell für sie geformten Kursen die deutsche Sprache bei. | © Nguyen Thanh Huong, Goethe-Institut Hanoi

In Jordanien, Mexiko und auf den Philippinen können immer weniger Deutschkurse stattfinden. Das hat auch Auswirkungen auf den Fachkräftemangel in Deutschland. Was dagegen zu tun ist.

Von Jasmin Cool

„Krankenhäuser hätten ihre Pflegekräfte lieber gestern als morgen, denen muss man erstmal erklären, wie weit der Weg zum B1- oder B2-Niveau ist.“ Jens Rösler, Leiter der Sprachabteilung am Goethe-Institut in Manila, steht vor einem Dilemma: Philippinische Fachkräfte, besonders Pflegekräfte, sind in Deutschland gefragt. Vor ihrem Arbeitsantritt müssen sie Deutschkenntnisse nachweisen, auf den Philippinen herrscht jedoch ein akuter Mangel an Deutschlehrkräften. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat die Situation in den letzten Jahren verschärft.

Schon seit einigen Jahren machen einwanderungswillige Fachkräfte einen bedeutenden Teil der rund 300.000 Sprachkursteilnehmer*innen der Goethe-Institute weltweit aus. Im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit oder der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sind weitere Projekte zur Fachkräftegewinnung geplant. In den Projekten sind Sprach- und Vorbereitungskurse direkt mitgedacht. Bis 2024 werden so bis zu 5.000 Fachkräfte durch die Goethe-Institute auf den deutschen Arbeitsmarkt vorbereitet. Doch ohne Lehrkräfte keine Deutschkurse, ohne Deutschkurse keine Fachkräfte. Die Lösung des Problems: Rekrutierung, Qualifizierung, Fortbildung.
 

 

Sind Kooperationen mit Hochschulen die Lösung?

Das Goethe-Institut in Sarajevo ist ein weiteres betroffenes Institut. Die gesamte West-Balkan-Region rund um Bosnien und Herzegowina liegt im Fokus der Anwerbung von Fachkräften, besonders aus den Pflege- und Handwerksberufen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz erhöht wie auf den Philippinen die Nachfrage an Kursen, was den Mangel an Deutschlehrkräften verschärft.

Universitätsabsolvent*innen könnten eine Lösung sein. Naheliegend sind die Absolvent*innen der Germanistik. Das Germanistikstudium verliert indes an Attraktivität und zieht kaum noch Studierende an. Die gezielte Zusammenarbeit mit Pädagogischen Hochschulen ist der neueste Ansatz. Hier werden nun Begleitlehrkräfte ausgebildet, die die Ausbildung der Deutschlehrkräfte unterstützen. Mehrere Pädagogische Hochschulen ergänzen ihre Fortbildungsangebote außerdem bereits mit Hilfe von „Deutsch Lehren Lernen“ (DLL), einer Fortbildungsreihe des Goethe-Instituts zur Qualifizierung von Deutschlehrkräften. Diese Fortbildungsreihe ist obligatorisch in der Ausbildung der Deutschlehrkräfte des Goethe-Instituts und erleichtert den Einstieg der Absolvent*innen direkt nach dem Studium.

Der Methodik-Studiengang für Deutsch als Fremdsprache (DaF) der Universität Tuzla in Bosnien bietet zusätzlich die Möglichkeit, die Deutschlehrkräfteausbildung zu professionalisieren. Hier arbeitet das Goethe-Institut mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und den zuständigen Ministerien. In Kolumbien hat die Zusammenarbeit mit solch einem Studiengang bereits Früchte getragen. Durch die Kooperation des Goethe-Instituts mit der Kulturgesellschaft Instituto Cultural Colombo Alemán Alexander von Humboldt und dem DaF-Studiengang der Universidad de Antioquia und der Pädagogischen Hochschule Freiburg gibt es in Medellín keinen Lehrkräftemangel mehr. Ausschlaggebend dafür ist auch der Standort der PASCH-Schule in Kolumbiens zweitgrößter Stadt.

Francisco Carreño, Leiter der Sprachabteilung des Goethe-Instituts in Bogotá, blickt optimistisch auf diese Entwicklung. Dennoch sei dies nur ein erster Schritt dahingehend, dem landesweiten Mangel an Deutschlehrkräften in Kolumbien entgegenzuwirken. Carreño hat mit einer großen Rotation seiner Lehrkräfte zu kämpfen. Aktuell arbeiten am Goethe-Institut Kolumbien 30 Lehrkräfte, vor der Pandemie waren es immerhin zehn mehr. Obwohl jedes Semester drei bis sechs neue Lehrkräfte ausgebildet werden, entspannt sich die Lage nicht. Viele qualifizierte Lehrkräfte übten den Beruf schlichtweg nicht aus oder verließen Kolumbien, da andere Länder in Südamerika höhere Gehälter bezahlten.

Kurse, Prüfungen, Lehrkräfte: Die Nachfrage steigt weiter

Doch das Interesse an Deutschkursen sei gestiegen wie nie. Seit der Corona-Pandemie lernten in Kolumbien mehr als doppelt so viele Menschen Deutsch wie zuvor. Tendenz steigend. Francisco Carreño rechnet mit 80 bis 90 B2-Prüfungen in diesem Jahr, im nächsten Jahr mit bis zu 200. Daher will er den Deutschlehrkräftemangel in Kolumbien strukturell beheben. Das Goethe-Institut in Bogotá möchte erreichen, dass Deutsch nach Englisch als zweite offizielle Fremdsprache eingeführt wird. Neben den Gesprächen mit der Regierung sollen Werbekampagnen die Attraktivität des Berufs der Deutschlehrkraft ins öffentliche Bewusstsein rufen.

Das ist auch die Strategie, die das Goethe-Institut in Amman verfolgt, um neue Lehrkräfte zu finden. Werbekampagnen in den sozialen Medien und Ausschreibungen in deutschen Stellenportalen werden ausgebaut, da die Stellenausschreibung auf der Webseite des Instituts nicht ausreicht. Der Kursbetrieb in Jordanien funktioniert, sagt Mariam Aldameiry, Leiterin der Sprachabteilung in Amman. Trotzdem hat Jordanien wie Kolumbien mit der Rotation der Lehrkräfte zu kämpfen. Dazu kommt der fehlende Nachwuchs: Normalerweise hat das Institut neun bis zehn Auszubildende, dieses Jahr sind nur drei dazugekommen.

In Jordanien gibt es in Zukunft einen noch größeren Bedarf an Lehrkräften, Kursen und Prüfungen. Grund sind neben dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz Projekte zur Gewinnung von Fachkräften, wie ein Pilotprojekt mit dem Westdeutschen Handwerkskammertag in Nordrhein-Westfalen und „Triple Win“, ein Projekt der GIZ zur Einwanderung von Pflegekräften. Alleine für die Intensivkurse von „Triple Win“, müssten bis zu neun Lehrkräfte abgestellt werden. Dabei machen Fachkräfte rund 50 % der Sprachkursteilnehmer*innen in Jordanien aus.

Online oder Präsenz: Was das Goethe-Institut zu bieten hat

Das Goethe-Institut in Manila ist im „Triple Win“-Projekt bereits etabliert und hat positive Erfahrungen gemacht. Die Pandemie hat den Mangel an Deutschlehrkräften allerdings auch hier intensiviert. Auch die beliebten Stipendien für einen Aufenthalt in Deutschland konnten wegen der Reisebeschränkungen nicht vergeben werden. Diese könnten bald wieder möglich sein. Das philippinische Bildungsministerium kann sich eine Kooperation bei Stipendien für Deutschlehrkräfte oder Besucherreisen nach Deutschland gut vorstellen, sagt Jens Rösler. Denn gerade Studien- oder Stipendienaufenthalte in Deutschland sind effektiv beim Spracherwerb.

In Manila werden erst langsam wieder Präsenzkurse angeboten. 20 der 26 Kurse finden zurzeit noch online statt. Mit einer Aufstockung der 24 Lehrkräfte könnten jedoch bis zu fünf Kurse mehr stattfinden, in denen Pflegekräfte, Servicekräfte und Ingenieure Deutsch lernen. Bereits sicher ist die Verdopplung der Schulen, die Deutsch als Fremdsprache anbieten. Bis Ende 2025 sollen dann 22 Schulen im Land Deutsch unterrichten. Die Philippinen gehen wie auch Kolumbien den Weg, Deutsch frühzeitig im Bildungssystem zu integrieren. Denn wer die deutsche Sprache bereits in der Schule lernt, kann sich ein späteres Leben in Deutschland eher vorstellen.

An den Onlinefortbildungen für Lehrkräfte hält das Goethe-Institut in Manila weiter fest, denn sie bieten Flexibilität. Die Länder der Region Südostasien, Australien, Neuseeland haben online Hop-On-Hop-Off-Kurse eingerichtet, die eine individuelle Bearbeitung der DLL-Einheiten ermöglichen. Auch durch spezielle Fortbildungsangebote zum Unterrichten von Pflegekräften und „Deutsch für Deutschlehrer*innen“ sticht das Goethe-Institut heraus. Die Goethe-Institute weltweit rekrutieren, qualifizieren und bilden weiter aus, denn eins der größten Probleme Deutschlands für den Fachkräftemarkt sind die fehlenden Deutschlehrkräfte im Ausland.

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