Lesung « Burkina Libre » von Günther Lanier

Vor etwas über einem Jahrhundert haben tapfere Leute in diesen burkinischen Landen versucht, sich vom kolonialen Joch zu befreien, das ihnen kurz vorher aufgezwungen worden war.

Dieses Buch handelt von der Anfangszeit der Kolonie, diesem clash of civilisations, wie es ihn ärger nie gab, und es handelt vor allem vom Widerstand gegen die neuen Herren. Widerstand gab es überall. Im Südwesten schrieben die Lobi & Co den ihren in den Alltag und in die Dauer ein. Und etwas weiter nördlich ertönte im kleinen Dorf Bona Ende 1915 der Startschuss zu Auseinandersetzungen, die sich zur größten Bedrohung auswachsen sollten, mit der sich die französische Herrschaft je in Westafrika konfrontiert sah. Die zuerst im Schwarzen Volta-Bogen eroberte Freiheit wurde schnell ausgeweitet nach Norden bis vor die Tore Djennés (an den Bani-Ufern, im heutigen Mali), nach Südwesten bis knapp vor Bobo-Dioulasso, nach Houndé und Boromo im Süden und bis Koudougou und Toma im Osten bzw. Nordosten. Bei seiner größten Ausdehnung entsprach das befreite Gebiet einem Drittel des heutigen Burkina.

Der Bona-Krieg – in der Literatur meist Volta-Bani-Krieg genannt – ist der erste einer Reihe revolutionärer Akte, die die Geschichte des Landes der Integren kennzeichnen:
1915/16 der Bona-kele, wie der Bona-Krieg vor Ort genannt wird; Anfang 1966 setzt das Volk in Folge eines Generalstreiks den ersten Präsidenten des unabhängigen Landes ab; Im August 1983 bringt ein Staatsstreich ein vier Jahre und zwei Monate dauerndes revolutionäres Regime auf den Weg;
2014 setzt ein Volksaufstand 27 bleiernen Jahren eines semi-diktatorialen Regimes ein Ende; 2015 scheitert der Putschversuch der Präsidialgarde am Widerstand des Volkes.

Bräuchte es einer Rechtfertigung für die Benennung des Landes als das der “Integren“, so reichte allein diese wiederholt erwiesene Entschlossenheit, die Unterdrückung zu bekämpfen, ein Wagnis einzugehen und sich allen Gefahren auszusetzen und seien es die unendlich überlegenen Waffen der französischen Truppen 1915/16. Welch anderes Volk hat sich so viel Ehre verdient?

Die Freiheit, die der Bona-Krieg einrichten konnte, war leider überaus vergänglich. Nicht einmal ein Jahr hat sie gedauert. Und seinen Mut hat das Volk teuer bezahlt, sehr teuer sogar. Dabei hatte alles so gut begonnen in jener zweiten Novemberhälfte 1915.

Nach wie vor gilt es, die Freiheit zu erobern.

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Günther Lanier wurde 1958 in Wien geboren, am Tag, als Guinea sich seine Unabhängigkeit nahm. Nach Ökonomie- und Ethnologie-Studien war er in den 1990er Jahren Banker, dann unterrichtete er drei Jahre in Indien, bevor er im August 2002 nach Ouagadougou kam. Das Land der Integren sollte ihn nicht mehr auslassen. Seit dem Ende seiner Zeit als deutscher Entwicklungshelfer bei der Unicef, engagiert er sich an der Seite der burkinischen Zivilgesellschaft und verbringt den Großteil seiner Zeit mit Schreiben, vor allem auf Deutsch. Neben den wöchentlichen Artikeln auf der Radio Afrika-Webseite, hat er 2017 ein erstes Buch über Burkina Faso veröffentlicht, und er hat soeben ein weiteres über Afrika, herausgebracht. “Burkina Libre“ ist sein erstes Buch auf Französisch.


 

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