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„In der Musik gibt es keinen Weg zurück“

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Ein Gespräch mit Jaroslav Noga, dem Schlagzeuger der Band „Už jsme doma“, über seine Leidenschaft zur Musik

Jaroslav Noga auf dem Konzert mit der Band Už jsme doma in Israel. Foto: © privat
Jaroslav Noga bei einem Konzert mit der Band Už jsme doma in Israel. Foto: © privat.

Der junge Schlagzeuger Jaroslav Noga behauptet, er habe seinen Weg zur Musik alleine gefunden. Durch seine Mutter, eine Laienschauspielerin und seinen Vater, selbst Schlagzeuger, war aber sicher eine gewisse Prägung vorhanden; dem ererbten Gefühl für Musik konnte er nicht einfach „entfliehen“. Mit seinen 25 Jahren hat Jaroslav schon so einiges erlebt. Er spielt in der legendären tschechischen Independent-Band „Už jsme doma“ („Wir sind schon zu Hause“). Gleichzeitig schreibt er eigene Musik und arbeitet an ungewöhnlichen Projekten. Dennoch ist er ein Realist geblieben, der um die Schwierigkeiten seines Berufes weiß und der für jede Gelegenheit, die sich ihm musikalisch bietet, dankbar ist.

Jarda, in der Band „Už jsme doma“ spielst du seit 2011, wie ist es dazu gekommen?

Ich bin dem Schlagzeuger der Gruppe aufgefallen. Meine damalige Band spielte ein gemeinsames Konzert mit Už jsme doma, er wollte die Band damals gerade verlassen, ihm gefiel wie ich spielte, und nach einem Monat hat er sich wieder an mich erinnert. Es ist interessant, wie einige entscheidende Momente von Kleinigkeiten beeinflusst werden. Man widmet einer Sache eine Menge Energie, Anstrengung, mathematisch müsste das dann hundertprozentig klappen, und dann kommt durch einen totalen Zufall etwas anderes heraus, das nahezu absurd anmutet. Ich bin ihm dafür sehr dankbar, denn das ist musikalisch meine bisher größte Herausforderung.

Mit dem Stil der Band kommst du also gut zurecht?

Ich habe wahrscheinlich keinen bevorzugten Stil. Mich begeistert jede Musik, die hochwertig ist, egal ob Klassik, Jazz, Independent, guter Rock oder wenn jemand einfach nur schön Akkordeon spielt. Jetzt hatten wir beispielsweise gerade ein Konzert auf einem Camping-Platz. Um halb zwei kam dann ein Akkordeonspieler, der ein paar ganz einfache Lieder spielte, aber auf eine so tolle Art und Weise, dass ich mir auch seine Geschichte angehört habe. Ich bin froh, dass unsere Band ein Unikat ist, dass sie eine jener Gruppen ist, die originelle Avantgarde spielt und gleichzeitig relativ bekannt ist, so dass ich davon die Basis meines Lebensunterhaltes bestreiten kann. Ich bin absolut zufrieden.

Allerdings bin ich sozusagen erst im letzten Drittel der Bandexistenz dazu gestoßen. Wenn nämlich Frontmann Míra Wanek nicht mehr auftreten, spielen oder singen können wird, dann ist es mit der Band schlicht vorbei. Er schreibt die Texte, die Musik, er ist der Motor der Band, ein Workaholic, der täglich 20 Stunden und mehr für die Band arbeitet, sich für die Gruppe zerreißt. Ich habe noch nie zuvor einen solch arbeitswütigen Menschen erlebt.

Jaroslav Noga mit der Band Už jsme doma auf seiner ersten Tournee in Israel. Foto: © privat
Jaroslav Noga mit der Band Už jsme doma auf seiner ersten Tournee in Israel. Foto: © privat.

„Už jsme doma“ steht seit 28 Jahren auf der Bühne. Wie sieht euer Publikum aus?

Das sind alles ganz interessante Menschen. Mit wem auch immer ich gesprochen habe: alle hatten von Musik viel Ahnung – egal ob sie 60 oder 20 Jahre alt sind. Es gibt da immer so eine familiäre Atmosphäre, auch im Ausland. Oft warteten Menschen zum Beispiel zehn Jahre, bis es ein Konzert in ihrem Land gab. Ich habe bisher in Frankreich, Deutschland und Kroatien gespielt. Was neues Publikum angeht, so findet der entscheidende Kampf um diese neuen Zuhörer auf den Konzerten statt. Wir machen keine große Promo zum Beispiel im Radio oder Fernsehen. Wir müssen die Leute also auf den Konzerten überzeugen oder eben nicht. Deshalb geben wir jedes Mal alles.

Es ist interessant, dass die Band wertgeschätzt wird, obwohl sie auch im Ausland tschechisch singt…

Für mich ist das ein echter musikalischer Härtetest, bei dem sich herausstellt, ob die Musik einzigartig ist. Míra sagt uns immer, bei Konzerten im Ausland ist es furchtbar wichtig darauf zu achten, was gerade gesungen und gespielt wird und dass die gerade hervorgerufenen Gefühle ruhig etwas übertrieben werden können, damit das Verständnis besser wird.

Wenn du dein Engagement bei „Už jsme doma“ bewertest – was hat es dir gebracht?

Auf jeden Fall hat man sehr viel mehr Lust sich dem Instrument zu widmen, und der Erfolg bestätigt einen darin, dass man auf dem richtigen Weg ist. Die Bands, in denen ich zuvor gespielt habe, haben mir dieses Gefühl nicht gegeben. Das waren Stunden im Probenraum und ständiges Üben für nichts und wieder nichts. Konzerte ohne großen Erfolg, kein Feedback der Leute. Hier ist das Feedback riesig –sowohl virtuell als auch unmittelbar. Einen Nachteil hat das für einen Musiker aber schon. Weil alle Parts komponiert und damit vorgegeben sind und ich genau nach Noten spielen muss, bleiben dadurch einige Fähigkeiten im Hintergrund, wie zum Beispiel die Improvisation. Deshalb habe ich mich entschieden, mit dem Jazz-Lehrer Dano Šoltis zusammenzuarbeiten und bei Jamsessions mitzumachen.

Wie sahen überhaupt deine musikalischen Anfänge aus?

Ich fing ziemlich früh an, mit ungefähr sieben Jahren. Mein Vater spielte Schlagzeug und mir hat das wahnsinnig gefallen – bei den Konzerten saß ich immer hinter ihm. Und dann fragte er mich einmal, ob ich nicht spielen möchte. Und er sagte mir – daran kann ich mich bis heute erinnern –, dass ich meine Entscheidung gut abwägen soll. Sobald ich mich entscheide, gibt es keinen Weg zurück, und er werde dann nicht locker lassen. Bis heute bin ich ihm dafür furchtbar dankbar.

Už jsem doma, Piksla, Břeclav 30.11.2012.

Nach dem Konservatorium in Teplice hast du das Musikstudium nicht mehr fortgesetzt. Warum?

Zum einen war das der finanzielle Aspekt. Und ich wollte auch nicht in Tschechien studieren, die Ausrichtung der hiesigen Schulen gefällt mir nicht. Andererseits wollte ich mich auch nicht von meinem bisherigen Leben, der Sprache, Kultur und von meinen Bekannten verabschieden. Es gibt natürlich Leute, die fähig sind, das alles aufzugeben. Ein befreundeter Schlagzeuger ist jetzt in England auf einer der besten Musikschulen, aber er wäscht dort Geschirr und lebt von der Hand in den Mund, damit er sich einmal wöchentlich Tipps bei seinem Lehrer abholen kann. Ich würde nie meine Muttersprache aufgeben.

Hast du auch schon eigene Musik komponiert?

Gleich als meine Eltern einen Computer anschafften, setzte ich mich dran. Ich fing eigentlich weniger an zu komponieren, als vielmehr Stücke zu schneiden und zu sampeln. Später begann ich aber, eigene Samples zu produzieren, habe dann weitere Elemente hinzugefügt, bis das alles in einer regulären Kompositionstätigkeit am Klavier mündete. Komponieren wurde nach Schlagzeug zu meinem zweiten Hobby. Mein Auftritt bei einem Wettbewerb in den USA war eine Konfrontation dieser beiden Sachen – Komposition und Schlagzeug gleichzeitig. Gerade arbeite ich an einem einstündigen Auftritt, der komplett theatermusikalisch sein sollte. Darauf freue ich mich sehr. Ich weiß zwar noch nicht, wie ich das alles schaffe, weil das ziemlich kompliziert ist und das bisher noch niemand versucht hat. Also entwickele ich gerade technologische Wege, wie man das alles machen könnte. Ich bin neugierig, ob es mir gelingt, das durchzuziehen.

Was ist das Besondere an diesem Schlagzeug, den sogenannten V-Drums?

V-Drums ist die Bezeichnung für elektronisches Schlagzeug des Herstellers Roland, normalerweise nennt man die einfach E-Drums. Das Prinzip besteht darin, dass man auf ein sogenanntes Pad schlägt, das aus Gummi oder einem Netz besteht. Im Pad ist ein Sensor, der die Kraft und auch die Position des Schlages bestimmen kann. Diese Information wird dann in ein Modul, eine Art Gehirn der Apparatur geschickt. Darin befindet sich eine Geräusch-Datenbank, und der Prozessor sucht dasjenige Geräusch aus, das dem Schlag entspricht. Die meisten E-Drums sind auf die möglichst genaue Imitation eines akustischen Schlagzeugs fokussiert und nutzen das in meinen Augen interessante Potenzial zur Reproduktion aller möglichen Töne von Rülpsern bis zu Orgelklängen gar nicht aus. Roland hat das jetzt gemacht, aber die Drums kosten über 7000 Euro, das ist einfach zu viel. Und diese Drums waren der Hauptpreis des Wettbewerbs in den USA, den ich nicht gewonnen habe. Ich glaube Roland wollte mit diesem Gerät die Möglichkeiten des Instrumentes austesten und herausfinden, in welche Richtung sich das weiterentwickeln sollte.

Bei einem Wettbewerb Budapest hast du den ersten Platz erreicht. Hast du dich dafür in einer nationalen Ausscheidung qualifiziert?

Ja, das ist lustig, ich habe da einen Menschen übersprungen, der die nationale Endausscheidung gewonnen hat. Er war aber eingefleischter Jazzer, und die ganze Atmosphäre des Wettbewerbs hat ihm einfach nicht gepasst. Also hat er sich nur den Hauptpreis geschnappt, ansonsten wollte er damit nichts zu tun haben, und so bin ich dann in den Europa-Wettbewerb gerückt.

Wenn man sich die Bilder dieser Wettbewerbe anschaut, sieht man lauter junge Schlagzeuger. Gibt es ein Alterslimit?

Ich denke nein, aber logischerweise spricht das eher die jungen Leute an, die eine größere Affinität zu Elektronik haben. Das ist gar nicht schwer, ich würde im Gegenteil behaupten, dass das Programmieren des Schlagzeugs eine intuitive Sache ist. Innerhalb einer Woche kann man das Gerät ergründen, dann schöpft man die Möglichkeiten aus. Ich hatte in Tschechien, in Budapest und auch in den USA jedes Mal einen ganz anderen Auftritt, weil ich auch jedes Mal an ein besseres Drumset gelangt bin. Gleichzeitig weiß ich, dass ich einen anderen Auftritt gar nicht hinbekommen hätte, ich habe aus den Sets jeweils das Maximum herausgepresst. Die Hersteller orientieren sich immer noch hauptsächlich am Live-Klang von Schlagzeug, vernachlässigen allerdings das Experiment, also kommen Instrumente wie Klavier oder Marimba kaum vor.

Jaroslav Noga erreichte auf einem Schlagzeuger-Wettbewerb 2012 in Amerika den 3. Platz.

Wer gewinnt also? Der, der das Potential der Drums am besten nutzt?

Es gab da ungefähr sechs Kriterien, und das war eines davon, die Nutzung der Möglichkeiten, die einem die Elektronik gibt. Andere Schlagzeuger waren technisch vielleicht besser, aber ich wusste, dass meine Trümpfe das Theater, der Humor, die Geschichte und die Atmosphäre waren, also konzentrierte ich mich darauf. Wenn das ausgeglichener wäre, hätte ich vielleicht auch Zweiter werden können, das hat mir dann später ein Jury-Mitglied übrigens auch gesagt.

Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Ich möchte eine eigene Band gründen. Ich weiß, dass das höchstwahrscheinlich eine große Band, wahrscheinlich schon eher ein Orchester wäre – so etwas wie Jaga Jazzist oder Cinematic Orchestra. Das hieße dann Vilémovy děti (Viléms Kinder), ich habe auch schon ein paar Lieder. Aber ich hab keine Ahnung, wo ich Leute herbekomme, die das umsonst machen würden und gleichzeitig ausreichend gute Musiker wären. Denn bevor man mit einer Band durchstartet, muss man ein paar Investitionen tätigen. Ansonsten würde ich, wenn ich könnte, in Brno leben, aber Už jsme doma sind woanders, und als Musiker kommt man da nicht über die Runden.

Warum gerade Brno?

Mir gefallen die Größe sowie die Nähe zur Natur und die Atmosphäre. Mähren ist wirklich klasse, und die Leute sind da furchtbar nett. Ich war gerade zu Aufnahmen dort, abends bin ich im Park spazieren gegangen, da wurde gejammt, ich wurde aufgefordert mitzumachen – bis heute kenne ich die Leute und weiß, dass ich dort Freunde habe. In Prag ist mir so etwas nie passiert.

Das Interview führte Alice Zoubková
Übersetzung: Ivan Dramlitsch

Copyright: Goethe-Institut Prag
Juli 2013
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