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Kultur in der Natur

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Der Besuch von zwei kleinen Bärenkindern, die für einen Filmdreh im Nationalpark waren und denen Saskia beim Rumtollen zusehen konnte. Foto: © privat

Wenn man in Reiseführern über Tschechien blättert, dann stößt man auf Werbeslogans wie „Tschechien – das grüne Herz Europas“. Es heißt außerdem, „Tschechien sei eigentlich gar kein Land, sondern ein großer Park“. Wer auf die Idee kommt für ein paar Monate in einem tschechischen Nationalpark zu arbeiten, braucht nicht nur Interesse an der Natur, sondern auch ein Stückchen Mut. Eine deutsche Studentin hat es gewagt. Sie macht seit April 2013 ein Praktikum in der Böhmischen Schweiz und berichtet von Schnitzeljagden auf Tschechisch, Dreharbeiten mit Bären und Couchsurfern im Norden Böhmens.

Die Idee, die Saskia mit einem Praktikum im tschechischen Nationalpark verband, lässt sich neben den gängigen Interessen an einem Auslandspraktikum, wie Land und Leute besser kennen lernen und einen intensiveren Zugang zur Sprache zu bekommen, durch einen entscheidenden Punkt erweitern: Sie war neugierig darauf eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Tschechien hautnah zu erleben. Wie sieht diese Zusammenarbeit in der Praxis aus? Und: Existiert sie überhaupt? Dabei schwebte der Geographie-Studentin vor, eine interkulturelle Grundlage in der Arbeit des Nationalparks mittels Umweltbildung zu fördern. Dabei geht es darum Kinder für die Natur zu sensibilisieren.

Saskias Aufgaben für die Verwaltung des Nationalparks sind vielseitig. Neben kleineren Übersetzungsarbeiten für die Internetseite und der Vorbereitungen für einen GPS (Global Positioning System) gestützten Umweltlehrpfad, Dienstreisen in den benachbarten Nationalpark Sächsische Schweiz gewährten einen Einblick in die lange und grenzüberschreitende Zusammenarbeit der beiden Nationalparks. Die Kooperation erstreckt sich auf mehrere Bereiche, so unter anderem auch auf die Umweltbildung, in deren Sinne der Nationalpark seit der Gründung im Jahr 2000 attraktive Projekte und Ausflüge für Kinder und Jugendliche veranstaltet. Vor allem das Elbsandsteingebirge, das auf deutscher und tschechischer Seite verläuft, ist ein beliebter Ort für Wochenendausflüge, Feriencamps und Tagesexkursionen.

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Dass das Praktikum viel Flexibilität und Selbstständigkeit abverlangt, kam Saskia zu Gute. Sie braucht das Gefühl etwas für die Organisation zu leisten und nicht nur als stiller Beobachter im Einsatz gewesen zu sein. Intensiv widmet sie sich der Arbeit des Umweltpädagogen. „Ich schaue mir an, welche Sachen er mit den Kindern im Park während bestimmter Projekte oder Führungen unternimmt und überlege mir, was dazu passen könnte.“ erzählt die junge Praktikantin. Im Juni gestaltete sie eine Schnitzeljagd, während der die Kinder verschiedene Knotentechniken und Waldläuferzeichen spielerisch lernen und anwenden sollten. Aber nicht nur die Durchführung des Geländespiels selbst, sondern auch die sprachliche Umsetzung arbeitete sie akribisch aus, denn diese musste immerhin auf Tschechisch sein und dazu noch verständlich für die Kinder.

Seit rund zwei Jahren lernt Saskia Tschechisch. Denn im Nebenfach studiert sie Slawistik. Dennoch musste sie leider feststellen, dass sie sich sprachlich im Team und in der Arbeit nicht so integrieren konnte, wie sie wollte. Die Sprachbarriere behinderte vor allem die gewünschte Arbeit mit den Kindern und den Kontakt zu den Kollegen. „Es ist sehr schade. Ich möchte mit den Leuten arbeiten, aber kann die Sprache nicht auf dem Niveau, um das zu ermöglichen. Zum Glück sind meine Kollegen sehr geduldig und freundlich und zur Not geht es auch mit Händen und Füßen“, lacht Saskia. Die tschechische Sprache aufgeben, möchte sie dennoch nicht. Jeden Abend trägt sie neue Vokabeln, die ihr bei den Übersetzerarbeiten über den Weg laufen, in ihr Vokabelheft ein.

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Neben den sprachlichen Hürden, war eine große Umstellung am Anfang auch der Wechsel von einer belebten Studentenstadt auf die kleine Ortschaft Krásná Lípa – mit rund 3500 Einwohnern ein überschaubarer Flecken Erde. Vor allem an den arbeitsfreien Wochenenden fehlten der Studentin junge Leute, die ebenso wie sie die hiesige Natur weiter entdecken und gemeinsame Ausflüge unternehmen wollten. Dank der Community Couchsurfing lernte sie junge Tschechen in der Region kennen, mit denen sie sich nach Arbeitsschluss treffen konnte. „Ich habe den Eindruck, dass die Natur einen hohen Stellenwert in der tschechischen Gesellschaft hat und Wochenendausflüge ins umliegende Grün keine Seltenheit selbst unter jungen Leuten sind. Außerdem gibt es ein viel größeres Angebot an Ferienlagern für Kinder aller Altersstufen, mehr als in Deutschland.“

Insgesamt dauert Saskias Praktikum vier Monate. Die Zeit in der tschechischen Natur geht für sie also im August zu Ende. Auch wenn sie nicht alle Ideen so umsetzen konnte wie erhofft, ist das Praktikum die beste Möglichkeit, um sich erstmalig mit der Frage auseinanderzusetzen, was es überhaupt heißt interkulturelle Arbeit selber zu gestalten.

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Das Prebischtor befindet sich im Nationalpark Böhmische Schweiz, das Gebiet ist jedoch seit 2000 in Privatbesitz, weshalb ein Zugang zum Tor nur gegen ein Entgelt möglich ist. Die Sandstein-Felsbrücke ist mit einer Breite von 8 Metern und einer Höhe von 16 Metern die größte Europas. Seit dem Jahr 1982 ist es verboten die Felsbrücke zu betreten, da die Gefahr einer weiteren Erosion besteht. Aktuelle Information zum Prebischtor und zur umliegenden Umgebung findet man auf den Internetseiten der Nationalparksverwaltung.

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An eines der besten Erlebnisse in ihrem Auslandspraktikum erinnert sich Saskia mit strahlenden Augen. „Es war die letzte Woche des vorherigen Praktikanten und wir wollten ein Ausflug zum Prebischtor machen, um eventuell einen neuen Zugangsweg zu erkunden, da sich der einzige jetzige Zugang in Privatbesitz befindet. Als es dann hieß, dass wir nicht nur zum, sondern sogar auf das Prebischtor gehen, konnte ich es kaum glauben. Es war ein unbeschreibliches Gefühl oben zu stehen.“

Ina Hartmann

Copyright: Goethe-Institut Prag
August 2013

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