Im Dienst für ein besseres Europa – Junge Freiwillige erzählen

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Hinter jedem Freiwilligendienst steckt eine Geschichte, hinter jedem Frewilligen ein Charakter. Sechs junge Menschen erzählen, was den sperrigen Begriff Europäischer Freiwilligendienst mit Leben füllt.

Jenni Christina Boman (21) aus Finnland, Freiwillige in Polen

Foto: © privatIch kam im Februar nach Polen, um ein halbes Jahr in einem kleinen Dorf namens Długopole Górne meinen EFD zu machen. Das Dorf liegt etwa 100 Kilometer von Breslau enfernt. In der nächstgrößeren Stadt arbeite ich in einem Heimatmuseum. Wir bieten Workshops für Kinder und Erwachsene an. Zum Beispiel verstecken wir Fotos im ganzen Museum und die Kinder müssen dann raten, wo der abgebildete Ort draußen in der Stadt ist. Wir geben auch Kalligraphiekurse. Der zweite Teil meiner Arbeit ist das Seminar Euroweek. Es ist für Schüler gedacht, die ihr Englisch verbessern wollen und etwas über fremde Kulturen lernen möchten. Wir halten Präsentationen und lernen auf spielerische Weise Englisch mit den Schülern. Der EFD ist meiner Meinung nach der perfekte Weg, um ins Ausland zu gehen. Du hast einen Ort zum Wohnen, findest neue Freunde und verdienst das Geld, um auch mal Ausflüge machen zu können. Du lernst, dein Leben rund um die Uhr mit Menschen zu teilen, selbst wenn Du sie nicht so gerne magst. Das kann wirklich hart sein. Aber man lernt während des EFD sehr viel über sich selbst und über fremde Kulturen.

Alma Gabriel (19) aus Deutschland, Freiwillige in Frankreich

Foto: © privatMeine Mission war es, die Jugendlichen der Region Centre in Frankreich für Projekte der EU zu sensibilisieren und ein attraktiveres Bild des Auslands zu vermitteln. Ich arbeitete viel selbstständig und hielt oft Vorträge in Schulen oder Unis über den EFD. Ganz nach dem Motto: “Schaut her, was ich geschafft habe, das könnt ihr auch!“. Aller Anfang ist schwer, sagt man. Ja, ist er! Und wie er das ist. Ich war nie der Typ für Heimweh, denn ich wusste, wo mein Zuhause war. Aber plötzlich hatte ich ein zweites und war total durcheinander. Auf der Arbeit war ich ein Neuling, hatte keine Freunde und war komplett überfordert, trotz guter Französischkenntnisse. Doch mit der Zeit traf ich Menschen, die es gut mir meinten. Menschen, mit denen ich in meinem gewohnten Umfeld sicherlich nie in Kontakt gekommen wäre. Nun verbindet mich eine wundervolle Freundschaft mit einem 70-Jährigen aus Orléans. Hätte ich das vor dem EFD gedacht? Der Dienst war eine Lektion, die ich nie vergessen werde: Hinfallen aufstehen. Ich habe so viele soziale, sprachliche und professionelle Kompetenzen erlangt, dass ich mich zuweilen immer noch frage, wie ich all das in so kurzer Zeit schaffen konnte. Ich wurde ein fester Bestandteil der Gruppe und wurde mit Sie angesprochen: ich war eine Professionelle. Mein erster Blick in die Arbeitswelt. Ein schöner.

Carmen María Encuentra Garrido (27), aus Spanien, Freiwillige in Lettland

Foto: © privatIch mache meinen Europäischen Freiwilligendienst in Rēzekne in Lettland. Ich kam im September und bleibe bis April. Ich arbeite in Zeimuls, einem Jugendzentrum für außerschulische Bildung. Mein Projekt dort heißt Discover EVS. Ich arbeite mit Kindern und Jugendlichen und habe verschiedene Aufgaben: Ich unterrichte Spanisch, mache Präsentationen und Kochkurse, Workshops über die spanische Kultur und Handarbeitskurse. Außerdem nehme ich zusammen mit anderen Freiwilligen an Seminaren teil. Ich habe auch einen Blog, auf dem ich meine Erfahrungen und Erlebnisse teile. Ich bin wirklich glücklich mit meinem Projekt, da ich Aktivitäten selbst planen und auf die Beine stellen kann. Ich arbeite in einem kreativen Umfeld mit vielen Profis zusammen und kann all die tollen Veranstaltungen und Projekte sehen, die sie durchführen. Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe. Ich kann Aktivitäten selbst gestalten, ich habe Menschen aus vielen Ländern getroffen und kann meine Sprachkenntnisse verbessern. Deshalb fühle ich mich viel wohler und nützlicher für die Gemeinschaft. Wenn ich nach Hause fahre, habe ich einen Koffer voller Wissen dabei, das für meine Zukunft hilfreich sein wird.

Lucie Gibelin (20) aus Frankreich, Freiwillige in Tschechien

Foto: © privatVon Januar 2012 bis Januar 2013 habe ich meinen Europäischen Freiwilligendienst in Plzeň, in Tschechien gemacht. Dort habe ich in einem Therapiezentrum namens Ledovec gearbeitet. Die Menschen im Zentrum hatten eine geistige Behinderung. Ich habe sie den Tag über begleitet und ihnen geholfen, zum Beispiel beim Hausputz, beim Versorgen der Tiere und beim Kochen. Am Anfang war die Kommunikation ein bisschen kompliziert. Aber ich habe schnell gelernt, auf andere Wege als durch Sprache zu kommunizieren und ich werde meinen Freiwilligendienst für immer in Erinnerung behalten. Ich mochte meine Arbeit sehr und ich habe viele Dinge über mich selbst und über andere Menschen gelernt. Meine Erfahrung als Freiwillige hat mir sehr geholfen, vor allem was meine berufliche Zukunft angeht. Ich habe gelernt, besser mit Menschen umzugehen und das ist sehr wichtig für meinen späteren Job, denn ich möchte jetzt Sozialarbeiterin werden. Ich glaube, dass ich durch den Freiwilligendienst erwachsener und offener geworden bin. Ich erinnere mich, dass ich mir am Ende der Zeit in Tschechien gedacht habe, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben stolz bin auf mich und auf das, was ich geleistet habe.

Anežka Sikorová (26), aus Tschechien, Freiwillige in Spanien

Foto: © privatIch bin Freiwillige in Purchena, einer kleinen Stadt in Andalusien, in Spanien. Ich organisiere Freizeitaktivitäten für die Gemeinde in Purchena. Das sind zum Beispiel Zumba-Kurse, Englischunterricht oder Handarbeitskurse. Außerdem gehe ich jede Woche in die Vorschule und helfe den Lehrern. Zweimal wöchentlich gehe ich in das Sportzentrum und helfe im Sportunterricht aus. Ich arbeite auch für Eurodesk, eine Datenbank für europäische Projekte und mache die Einwohner mit dem Angebot vertraut. Die ersten Tage waren wirklich hart, da ich fast kein Spanisch verstanden habe, aber nun merke ich, wie mein Spanisch von Woche zu Woche besser wird. Ich glaube, dass die spanische Sprache mir für meine Zukunft viel nützen wird. Ich schätze es sehr, die Möglichkeit zu haben, in Spanien zu reisen und neue Leute zu treffen. Die Menschen in Spanien sind sehr offen und freundlich. Ich habe noch viel Kontakt zu anderen Freiwilligen, die ich bei meinem Einstiegsseminar in Santander kennengelernt habe. Ich bin mir sicher, dass wir uns noch oft treffen und eine tolle Zeit zusammen haben werden.

Franceso Donati (24) aus Italien, Freiwilliger in Frankreich

Foto: © privatMein Einsatzort für den Europäischen Freiwilligendienst war Ingré in Frankreich. Ich habe ab September 2012 ein Jahr dort verbracht. Das Dorf Ingré ist gleichzeitig der Partnerort von Castel Maggiore, meines Herkunftsortes in Italien. Meine Arbeit in Ingré bestand darin, den Menschen die italienische Kultur näherzubringen, zum Beispiel in Schulen zu gehen, Workshops und andere Aktivitäten mit Schülern durchzuführen und Italien als Land vorzustellen. Der Freiwilligendienst hat mir sehr viel Spaß gemacht, ich habe viele interessante Menschen kennengelernt und meine Mit-Freiwilligen sind zu Freunden geworden. Ich habe tolle Erfahrungen mit meinem Freiwilligendienst gemacht, aber ich glaube nicht, dass er mein ganzes Leben verändert hat. Ich lebe jetzt in Frankreich und bin eigentlich immer noch der gleiche geblieben.

Jana Pecikiewicz

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
Mai 2014
Links zum Thema

Überall auf der Welt leben Menschen für eine bessere Zukunft. Wir sammeln ihre Geschichten und zeigen, was heute schon möglich ist. jadumagazin.eu/zukunft

Der Europäische Freiwilligendienst

Der Europäische Freiwilligendienst (kurz: EFD, engl. EVS) wurde von der Europäischen Kommission eingeführt, um junge Menschen zu fördern, die Europa durch ihr Engagement zu einem lebenswerteren Ort machen wollen.

Arbeitsstellen gibt es neben dem sozialen, auch im kulturellen und ökologischen Bereich. Die Projekte verteilen sich auf ganz Europa. Die Dienstzeit beträgt meist ein Jahr.

Ein Freiwilliger sollte zwischen 18 und 30 Jahren alt sein. Sprachkenntnisse für die Arbeit im Einsatzland werden meist nicht verlangt. Zusätzlich zu etwa 30 Tagen Urlaub im Jahr hat der Freiwillige das Recht auf eine monatliche Versorgungspauschale, die Unterkunft wird außerdem meist gestellt. Auch ein Sprachkurs wird von der Einsatzstelle finanziert. Es kommen also keinerlei Kosten auf den Freiwilligen zu.

Verschiedene kostenlose Seminare im Laufe des Dienstes ermöglichen es, Freiwillige aus ganz Europa kennenzulernen. Um sich auf eine Stelle zu bewerben werden meistens ein Motivationsschreiben und ein Lebenslauf gefordert. Der Europäische Freiwilligendienst wird an deutschen Universitäten gleichwertig mit einem BFD oder einem anderen FSJ in der Regel als Wartesemester anerkannt.

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