Kultur

Roosevelt – Vom Niederrhein in die Welt

Foto: © Roosevelt | iamroosevelt.comFoto: © Roosevelt | iamroosevelt.com
Foto: © Roosevelt | iamroosevelt.com

Roosevelt ist zur Zeit in aller Munde – und in aller Ohr. Der 23-Jährige ist längst kein Geheimtipp mehr: Im vergangenen Sommer spielte er auf Festivals wie dem MELT! und dem Dockville. In diesem Festivalsommer wurde es mit Gigs auf dem Longitude Festival in Dublin oder dem Lovebox Festival im Londoner Victoria Park internationaler. Die britische Tageszeitung The Guardian machte ihn zur „New Band of the Day“ und die einflussreiche US-Musikplattform Pitchfork adelte seine Single „Elliot“ als „Track of the Day“.

Seine Musik ist ein Mix aus Chill Wave und Italo Disco mit poppigen Elementen vor einem irgendwie ausgewaschen klingenden Soundteppich. Balearisch und unaufgeregt gut gelaunt, ein bisschen wie ein Tag am Meer. Er selbst sagt dazu einfach nur: „Ich mache tanzbare Musik, alles sehr warm, mit echten Instrumenten eingespielt. Ich mache Musik, die ich selber gerne hören würde.“

Roosevelt, der eigentlich Marius Lauber heißt, ist im Moment ein vielbegehrter Star der elektronischen Musikszene. Nach einer US-Tour im vergangenen Sommer, Auftritten im Berghain in Berlin und im Fabric in London kann Roosevelt Gigs in den besten Clubs der Welt längst von seiner To-Do-Liste streichen. Das lässt er sich im Gespräch aber nicht anmerken. Geduldig beantwortet er alle Fragen und wirkt dabei absolut entspannt und ohne Allüren.

Mit YouTube zum Erfolg

Der kometenhafte Aufstieg des gebürtigen Niederrheiners liest sich wie ein modernes Musikmärchen: Als Roosevelt Ende 2011 seine Single Sea auf YouTube einstellt, platzt der Knoten: Joe Goddard von Hot Chip gefällt der Song und ernimmt den jungen Musiker unter Vertrag bei seinem Label Greco-Roman.

Roosevelt tourt 2012 erst mal mit Totally Enormous Extinct Dinosaurs durch UK, zahlreiche Konzerte auf dem Kontinent folgen. Im Frühling 2013 geht es wieder ins Königreich – diesmal nicht mehr als Vorband, sondern in eigener Sache. Die Liste der Bands, mit denen er sich seitdem die Bühne geteilt hat, liest sich wie das Who-is-Who der internationalen elektronischen Musikszene: die Chrystal Fighters, Kakkmaddafakka, die er auf deren Deutschlandtour begleitete, Hudson Mohawke,...

Jede Menge Tourerfahrung hat Marius Lauber schon als Schüler mit seiner Band Beat! Beat! Beat! gesammelt. In seiner Heimat, dem niederrheinischen Städtchen Viersen an der holländischen Grenze, begann er schon im zarten Alter von 16 Jahren, gemeinsam mit drei Schulfreunden Musik zu machen. Die Mischung aus Indierock und Synthie-Pop brachte damals den mächtigen New Musical Express dazu, die jungen Niederrheiner in einem Atemzug mit den britischen Über-Rockern Foals zu nennen. In der Heimat gab es zeitgleich eine Nominierung für die 1LIVE-Krone, den größten deutschen Radiopreis.

Musikalische Inseln

Schon während Marius Lauber noch bei Beat! Beat !Beat! am Schlagzeug saß, fühlte sich sein Alter Ego Roosevelt bereits auf dem Produzentensessel pudelwohl. „Ich habe früher schon unsere Band produziert und hatte unheimlich Lust, mal alleine was zu machen.“ Das Bandleben vermisst er nur ab und zu ein bisschen – schließlich unterstützt ihn auf der Bühne sein alter Bandkollege Joshua Gottmanns. „Man vermisst natürlich immer das, was man gerade nicht hat. Manchmal würde ich einfach gern mein Schlagzeug aufbauen und spielen“, sagt er. „Aber andererseits, man bekommt auch mehr zurück – die Sachen sind ja alle von einem selbst. Es ist persönlicher und es steckt noch mehr Herzblut drin “.

Um an neuen Tracks zu arbeiten, braucht Roosevelt nicht viel: Laptop, Keyboard – aber vor allem Zeit. „Ich brauche manchmal einen Monat, um an einer Idee zu arbeiten. Ich muss isoliert sein, darf nicht darauf achten, wie viel Uhr es ist, welcher Tag ist, sondern muss mich einfach von allem ein bisschen lösen.“ Danach klingt auch seine Musik – ein bisschen wie von einer Insel.

Sound of Cologne

Musikalisch geprägt hat ihn neben seinen Vorbildern Arthur Russell und Caribou auch die Stadt Köln, in der er drei Jahre gelebt hat. Kein Wunder, die dortige Elektro-Szene hat einiges zu bieten – und das hat Tradition: Schon 1951 entstand in Köln das weltweit erste Studio für elektronische Musik. Der perfekte Nährboden für den Sound of Cologne. „Die Szene ist traditionell sehr elektronisch. Die Figuren, die in den Neunzigern angefangen haben, sind immer noch präsent“, betont Marius Lauber aka. Roosevelt. „Köln hat auf jeden Fall die Art geprägt, wie ich produziere. Die Stadt hat mich auch in Sachen Tanzbarkeit und direktes Feedback beeinflusst. Bei Tanzmusik spielt man etwas im Club und wenn es gut ist, tanzen die Leute. Das ist eine ganz ehrliche Reaktion. Diese Zugänglichkeit, die die Leute währenddessen haben, weil sie in Bewegung sind, ist eine ganz andere als beim Konzert einer Band“, erklärt Roosevelt. Mittlerweile hat er allerdings der Stadt am Rhein, wenn auch ungern, den Rücken gekehrt und ist nach Berlin gezogen – sein neues Studio hat ihn in die Hauptstadt gelockt. Man darf gespannt sein, was er als nächstes von dort in die Welt hinausschickt.

Ulli Mascher

Copyright: jádu | Goethe-Institut Prag
August 2014
Links zum Thema

Weitere Beiträge zum Thema

Auch Sprache ist nur ein Instrument
Ein Gespräch mit der Band „Prag“ – über Indie-Mauern, deutsche Texte und ihren Namen

Versager mit Stil
Der Rapper Casper macht sich zum Sprecher einer unzufriedenen Jugend. Seine bevorzugten Themen sind Leistungsdruck, Einsamkeit und Depressionen.

International Call
Aufgewachsen ist U-Cee, der mit bürgerlichem Namen Ussama Soleman heißt, als Sohn einer Tunesierin und eines Ägypters im bayerischen Regensburg. Inzwischen lebt er in Prag und identifiziert sich nicht nur mit verschiedenen Kulturen, sondern auch Musikstilen.

Vom Niederrhein in die Welt
Roosevelts Musik ist ein Mix aus Chill Wave und Italo Disco mit poppigen Elementen vor einem irgendwie ausgewaschen klingenden Soundteppich. Balearisch und unaufgeregt gut gelaunt, ein bisschen wie ein Tag am Meer.

Themen auf jádu

Gemischtes Doppel | V4

Vier Kolumnisten aus der Slowakei, Tschechien, Polen und Ungarn schreiben über die Bedeutung Europas, Rechtspopulismus, nationale Souveränität, gesellschaftlichen Wandel, die Arroganz des westlichen Blicks – und brechen damit staatliche und gedankliche Grenzen auf. Mehr...

Heute ist Morgen
Oder ist es umgekehrt?! Und war nicht auch gestern schon mal Morgen? In was für einer Welt wollen wir gerne leben? Und wie lange wollen wir warten, bis sie Wirklichkeit wird? Mehr...

Im Auge des Betrachters
… liegt die Schönheit. Da liegt aber auch die Hässlichkeit – und alles dazwischen. Als Betrachter sind wir jedoch nur selten allein. Und als Betrachtete sowieso nicht. Mehr...

Dazugehören
Seit gesellschaftliche Akteure jeder Couleur ihre Forderung nach Integration einem Mantra gleich herunterbeten, gerät viel zu oft in Vergessenheit, dass Integration ein individueller Prozess ist, der auch von uns selbst etwas verlangt. Mehr...

Themenarchiv
Ältere jádu-Schwerpunkte findest du im Themenarchiv. Mehr...